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World Vision-Helferin im Kongo: "Grauen ist mit Worten nicht zu beschreiben"

Archivmeldung vom 06.11.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.11.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Einen Tag vor dem internationalen Krisen-Gipfel zum Konflikt im Ost-Kongo beschreiben Mitarbeiter der Hilfsorganisation World Vision die humanitäre Lage dort als dramatisch und beklemmend.

"Wir haben gestern Flüchtlingslager in Shasha und Bulengo erkundet und gesehen, dass die vielen Menschen, die geflüchtet sind, dringend Trinkwasser, Nahrung und Notunterkünfte benötigen", sagt Michelle Rice. Teilweise seien die Männer, Frauen und Kinder völlig erschöpft, mangelernährt und traumatisiert. Einige mussten mit ansehen, wie ihre Familienangehörigen auf der Flucht erschossen wurden. Die Helfer seien auch auf verfolgte Pygmäen und desertierte Kindersoldaten gestoßen. Pygmäen werden von Rebellengruppen auch zu Träger- und Kundschaftsdiensten missbraucht.

    "Besonders schockierend sind die Fälle von Vergewaltigung von Kindesmord", sagt Michelle Rice. "Wir haben zum Beispiel im Bulengo-Camp mitbekommen, dass bewaffnete Kämpfer drei Frauen einer Familie vergewaltigt haben: die Großmutter, die Tochter und die Enkelin. Einer anderen Frau wurde ihr Baby vom Rücken geschossen. Frauen aus einem Flüchtlingslager in Shasha berichten, sie seien überfallen und vergewaltigt worden, als sie Brennholz außerhalb des Lagers gesammelt hätten. Es ist der blanke Horror hier!"

    World Vision-Mitarbeiter sind in der Provinz Nord-Kivu und haben mit der Organisation von Hilfstransporten begonnen. Zunächst sollen 10.500 Familien, die seit gut einer Woche vor den Kämpfen zwischen Regierungsarmee und Rebellengruppen auf der Flucht sind, sollen Hilfspakete, Decken, Schutzplanen und Hygieneartikel bekommen. Die World Vision-Mitarbeiter konzentrieren ihren Einsatz auf die Flüchtlingslager in Shasha, Minova, Rutshuru und Goma und hoffen, dass die Sicherheitslage Hilfsmaßnahmen zulässt. Nur wenn beide Seite sich an die Waffenstillstandsvereinbarungen halten, sind Nothilfeverteilungen möglich. "Allerdings ist die Sicherheitslage rund um die Provinzhauptstadt Goma im Moment sehr instabil", beschreibt Michelle Rice. Immer wieder würden die Kämpfe neu aufflammen und es komme zu Schusswechseln.

World Vision setzt sich auch für eine Lösung des Konfliktes auf politischer Ebene ein. Vom internationalen Krisengipfel morgen in Nairobi fordert die Hilfsorganisation friedliche und nachhaltige Lösungsansätze:

Der Gipfel muss den bisherigen Friedensprozess wiederbeleben und sicherstellen, dass alle Konfliktparteien, einschließlich Rebellengeneral Nkunda, schnellstmöglich zu einer Einigung kommen. - Kongos Nachbarländer Ruanda und Uganda sollten ihre Grenzen für Flüchtlinge öffnen. - Die Internationale Gemeinschaft muss neue Finanzmittel für Kongo bereitstellen. - Sämtliche Feindseligkeiten müssen sofort beendet werden. Die Helfer sollten sicheren Zugang zu den Flüchtlingen  in der Nord Kivu-Provinz haben, um sie versorgen zu können. - Die UN-Friedenstruppe (MONUC) muss die Zivilbevölkerung und vor allem Frauen und Kinder schützen.

World Vision Deutschland bittet um Spenden für die betroffenen Menschen im Kongo Spendenkonto: 2020 bei der Frankfurter Volksbank Bankleitzahl: 501 900 00 Stichwort: "Nothilfe im Kongo"

Lager hoffnungslos überfüllt

Die Lage der Flüchtlinge im Ostkongo verschärft sich weiter. Wie Caritas-Mitarbeiter Alexander Bühler meldet, sind die Hilfsorganisationen aufgrund der Masse der Hilfesuchenden nur noch schwer in der Lage, die Versorgung der Menschen sicherzustellen: "Im Lager Kibati I lebten im Oktober 5500 Flüchtlinge, jetzt sind es 65.000. In Kibati II waren es 597, jetzt 135.000 Menschen. Und die Flüchtlingsströme reißen nicht ab." Besonders dramatisch ist die Situation von 2000 unbegleiteten Jungen und Mädchen in Goma, deren Eltern entweder ums Leben gekommen sind oder in den Kriegswirren von ihren Kindern getrennt wurden.

Zur Zeit wird Nachschub für die Caritas-Hilfe hauptsächlich per Schiff aus dem südlichen Bukavu organisiert, da die Verbindungslinie aus Uganda blockiert ist. Im Norden der Region versucht die lokale Caritas seit gestern eine neue Versorgungslinie am Ende des Flüchtlingsstroms aufzubauen, der Richtung Norden verläuft. Besondere Sorge macht den Caritas-Mitarbeitern, dass die unterernährten und erschöpften Menschen immer anfälliger für Krankheiten werden. Alexander Bühler: "Es müssten dringend Lebensmittel eingeflogen werden, aber dafür fehlt derzeit das Geld."

Caritas international, das Hilfswerk der deutschen Caritas, hat seine Flüchtlingshilfe auf nun 250.000 Euro erhöht und ruft die deutsche Bevölkerung dringend zu Spenden für die Flüchtlinge im Kongo auf. Die Caritas Kongo versucht mit Unterstützung von Caritas international für 90.000 Menschen in Goma und Butembo das Überleben zu sichern.

Bewaffnete Hilfskonvois sind keine Lösung für die humanitäre Krise in Nord-Kivu

Groß angekündigte bewaffnete Hilfskonvois sind nicht die richtige Antwort auf die humanitäre Krise in der kongolesischen Region Nord-Kivu. "Bewaffnete Hilfskonvois mögen das Ziel haben, humanitären Hilfsorganisationen den Zugang zu erleichtern, tatsächlich bergen sie aber das Risiko, dass der Zugang zur notleidenden Bevölkerung erschwert wird", sagte Anne Taylor, Programmleiterin von ÄRZTE OHNE GRENZEN am Donnerstag in Goma. "Hilfskonvois können durch politische oder militärische Akteure manipuliert werden. Zudem besteht die Gefahr, dass humanitäre Helfer als eine der Konfliktparteien wahrgenommen werden." Durch vom Militär begleitete Konvois wird riskiert, die Grenze zwischen humanitärer Hilfe und politisch-militärischem Einsatz zu verwischen. Der Unterschied zwischen humanitären und militärischen Einsätzen muss aber gerade in unsicheren Regionen wie Nord-Kivu erkennbar bleiben. ÄRZTE OHNE GRENZEN hilft den Menschen in Nord-Kivu ohne bewaffnete Begleitung.

"Unsere Neutralität erlaubt es den Teams, dorthin zu gehen, wo die Menschen unsere Hilfe am dringendsten brauchen, und nicht dort zu helfen, wohin wir angewiesen werden zu gehen", so Taylor weiter. Bewaffnete Hilfskonvois, wie jetzt für die Städte Goma und Rutshuru, sind nicht nur riskant. Die Hilfe, die sie bringen, erreicht große Gebiete auch nicht, die vom Konflikt und von Vertreibungen betroffen sind. In Nord-Kivu ist aber dringend umfangreiche und weit angelegte Hilfe nötig.

Mitarbeiter von ÄRZTE OHNE GRENZEN werden seit Jahren Zeugen massiver und wiederholter Vertreibungen in der gesamten Region. Das im Januar diesen Jahres unterzeichnete Waffenstillstandsabkommen hat dem Leid kein Ende gesetzt. Die Kämpfe, die Ende August ausbrachen, haben bloß einen Konflikt verschärft, der bereits seit geraumer Zeit andauert.

Der Konflikt in der Region geht weit über Goma und Rutshuru hinaus. In den vergangenen Wochen flohen Hunderttausende Bewohner Nord-Kivus vor der Gewalt. ÄRZTE OHNE GRENZEN ist besonders besorgt um die Menschen in den Gegenden um Rutshuru, Kayna, Nyanzale und Masisi. Diese benötigen dringend Wasser, Nahrung, medizinische Versorgung und Hilfsgüter.

Nötig sind sowohl eine politische Lösung als auch eine adäquate humanitäre Reaktion. Keiner der Ansätze kann den anderen ersetzen. Genauso wenig sollten politisches Handeln und humanitäre Hilfe vermischt werden. Dadurch wird die Neutralität von Hilfsorganisationen gefährdet und ihre Fähigkeit in Konfliktregionen zu arbeiten beeinträchtigt.

ÄRZTE OHNE GRENZEN arbeitet in Nord-Kivu in von Kämpfen betroffenen Städten wie Rutshuru, Kayna, Masisi, Kitchanga und Mweso. Die Teams behandeln Kriegsverletzte und Cholerapatienten und stellen allgemeine Gesundheitsversorgung sowie sauberes Wasser und lebensnotwendige Hilfsgüter für Vertriebene und die lokale Bevölkerung bereits.

Quelle: World Vision Deutschland / Caritas international / ÄRZTE OHNE GRENZEN

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