Ökonom Rocholl warnt vor Euphorie im Zollstreit
Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Lösung im Zollstreit zwischen den USA und der Europäischen Union rechnet Jörg Rocholl, Präsident der European School of Management and Technology, nicht mit schnellen positiven Effekten für die deutsche Wirtschaft.
Zwar wird eine Einigung um durchschnittlich 15 Prozent Zölle erwartet,
doch Rocholl mahnte bei RTL und ntv zur Vorsicht: "Unsicherheit ist das,
was Trump ausmacht. Gerade aus Verhandlungsgründen sollten auch wir auf
europäischer Seite noch Spielraum lassen." Die Unsicherheit belaste
Unternehmen und Investitionen stark: "Sollten es tatsächlich 15 Prozent
Zölle werden, ist das zwar keine ausgesprochen gute, aber auch keine
schlechte Nachricht. Entscheidender ist, dass die Unternehmen endlich
wieder mit festen Rahmenbedingungen kalkulieren können."
Mit
Blick auf Ausnahmen für einzelne Branchen, etwa beim Stahl, warnt
Rocholl vor zu vielen Sonderregelungen und fordert klare Bedingungen
auch für die Automobilindustrie. Gleichzeitig verweist er auf viel
größere strukturelle Herausforderungen in Deutschland. Neben ungelösten
Fragen bei der Rentenversicherung und wachsenden Sozialausgaben sieht
Rocholl Reformbedarf beim Umgang mit steigenden Arbeitskosten. "Hier
sind vor allem die Regierungsparteien gefordert, echte Veränderungen
anzugehen", so der Ökonom.
Trotz des Investitionsgipfels vom
Montag bleibt Rocholl zurückhaltend: "Das sind wichtige Signale, aber
erst konkrete Umsetzungen und strukturelle Reformen schaffen
nachhaltiges Wachstum." Zugleich empfiehlt er Europa, in den schwieriger
gewordenen Beziehungen zu China eine eigenständigere Handelspolitik zu
verfolgen und sich nicht zu sehr auf die USA zu verlassen.
Mit
Blick auf die Konjunkturprognosen zeigte sich Rocholl verhalten
optimistisch: Staatliche Maßnahmen könnten eine weitere Rezession
verhindern, aber langfristig seien tiefgreifende Reformen unerlässlich.
"Sonst bleibt das Risiko bestehen, dass am Ende nur ein Strohfeuer
entbrennt."
Quelle: dts Nachrichtenagentur