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Afghanistan: Reporter ohne Grenzen verurteilt Taliban-Angriffe auf Medien in Kundus

Archivmeldung vom 30.09.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.09.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Logo - Reporter ohne Grenzen e.V.
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Reporter ohne Grenzen (ROG) verurteilt die gezielten Angriffe der Taliban auf mehrere Medienredaktionen in der afghanischen Stadt Kundus. Bei ihrer Eroberung der Provinzhauptstadt besetzten die Islamisten neben Regierungsgebäuden auch die Zentralen mehrerer Medienhäuser. In den Räumen des unabhängigen Radio- und Fernsehsenders Roschani legten sie Feuer und zerstörten einen großen Teil der technischen Geräte.

"Das Völkerrecht verpflichtet staatliche wie nichtstaatliche Konfliktparteien zum Schutz von Journalisten. Die Taliban sollten sich bewusst sein, dass gezielte Angriffe auf Journalisten und Redaktionen Kriegsverbrechen sind", sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Die Entwicklung in Kundus bestätigt leider die Warnungen, dass die afghanischen Journalisten durch den Abzug der Nato-geführten Truppen in erhöhte Gefahr geraten könnten."

Der am Dienstag angegriffende Sender Roschani sendet normalerweise 20 Stunden am Tag und hat einen Schwerpunkt auf Frauenthemen. Die Gründerin Sadika Schersai sowie neun der zwölf Angestellten des Senders sind Frauen. Insgesamt gibt es in der Provinz Kundus rund 100 Journalisten. Sie arbeiten unter anderem bei mindestens fünf Radio- und drei Fernsehsendern sowie bei fünf Zeitungen, von denen zwei täglich erscheinen.

Während des Taliban-Vormarschs waren die Regierungstruppen nach Informationen von Reporter ohne Grenzen nicht in der Lage, Journalisten und Redaktionen zu schützen. Nach Angaben des Leiters des Afghanischen Verbands Unabhängiger Journalisten, Rahimullah Samandar, mussten sämtliche Medienredaktionen in Kundus ihre Arbeit einstellen. Einige Journalisten seien auf eigene Faust zum Flughafen der Stadt geflohen, wohin sich die Regierungstruppen zurückgezogen hatten. Von mehreren Journalisten gab es bis zum Dienstagabend kein Lebenszeichen.

IN MEHREREN PROVINZEN IST KEINE UNABHÄNGIGE BERICHTERSTATTUNG MEHR MÖGLICH

Seit dem Frühjahr haben die Taliban sowie neuerdings die Dschihadistengruppe Islamischer Staat ihre Angriffe auf Zivilisten deutlich ausgeweitet und dabei auch Medien und Journalisten offen bedroht. In mehreren Provinzen im Nordosten des Landes - darunter Badachschan, Nangarhar, Baghlan und Nuristan - ist praktisch keine unabhängige Berichterstattung mehr möglich (http://t1p.de/xhl4). Wegen der heftigen Kämpfe sowie der Bedrohung durch Islamisten haben viele Journalisten dort ihre Arbeit völlig eingestellt. In Helmand im Süden und Chost im Osten Afghanistans ist die Lage für Medienschaffende schon länger äußerst schwierig.

So berichten Journalisten aus Dschalalabad, der Hauptstadt Nangarhars, die staatlichen Sicherheitskräfte hätten ihnen gesagt, dass sie nicht für ihre Sicherheit garantieren könnten. Besonders gefährlich sei die Situation für Journalistinnen, die mitunter nicht einmal ihre Häuser verlassen könnten. Mehrere Orte werden dort von bewaffneten Gruppen kontrolliert, die als Verbündete des Islamischen Staats gelten. Journalisten aus der Provinz Baghlan berichten, ihre Arbeit werde unmittelbar durch die starke Präsenz der Taliban beeinträchtigt. Die Islamisten hielten sie zu "neutraler" Berichterstattung an, erwarteten aber tatsächlich, dass ihre Regeln akzeptiert würden.

Unter anderem wegen der verschlechterten Sicherheitslage und zunehmender Repressionen gegen die Medien haben vor zwei Wochen 23 Fotojournalisten gemeinsam das Land verlassen und sich auf den Weg nach Europa gemacht (http://t1p.de/e363).

SEIT 2001 STARBEN MINDESTENS 33 JOURNALISTEN, DARUNTER VIER DEUTSCHE

Zu einem Klima der Angst unter Journalisten tragen auch Warlords, Politiker und Regierungstruppen bei. Besonders während Militäraktionen sind sie vor allem daran interessiert, Journalisten auf Distanz zu halten. So drohte ein Parlamentsabgeordneter aus der Provinz Baghlan Ende Mai dem Leiter des örtlichen Fernsehsenders Tanwir TV, Schir Mohammed Dschahesch, wegen eines Berichts über die Versetzung eines Polizeioffiziers unverhohlen mit dem Tod.

Der im vergangenen Jahr gewählte Präsident Aschraf Ghani Ahmadsai sowie der ***Leiter der Einheitsregierung, Abdullah Abdullah, habe sich schriftlich zur Unterstützung von Journalisten und unabhängigen Medien verpflichtet und zugesagt, sich für die Verfolgung von Straftaten gegen Journalisten auszusprechen (http://t1p.de/m96o). So sollten die Fälle aller in den vergangenen zehn Jahren ermordeten Journalisten erneut untersucht werden. Ergebnisse dieser Untersuchungen sind allerdings bislang nicht bekannt.

Seit dem Jahr 2001 wurden in Afghanistan mindestens 33 Journalisten im Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet, die meisten von den Taliban. Für die meisten der Taten wurden die Täter niemals zur Rechenschaft gezogen. 15 der Getöteten waren ausländische Journalisten, darunter vier Deutsche.

Reporter ohne Grenzen unterstützt im Rahmen seiner Nothilfearbeit derzeit sechs Journalisten aus und in Afghanistan. Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht das Land auf Platz 122 von 180 Staaten. Weitere Informationen zur Lage der Journalisten in Afghanistan finden Sie unter www.reporter-ohne-grenzen.de/afghanistan/ sowie in einem ausführlichen Länderbericht (http://t1p.de/aijx), den ROG vor der Präsidentenwahl im April 2014 veröffentlichte.

Quelle: Reporter ohne Grenzen e.V. (ots)

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