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ROG: Merkel muss Schutz für Journalisten in Brasilien einfordern

Archivmeldung vom 18.08.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.08.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Logo - Reporter ohne Grenzen e.V.
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Reporter ohne Grenzen (ROG) fordert Bundeskanzlerin Angela Merkel dazu auf, bei den deutsch-brasilianischen Regierungskonsultationen besseren Schutz für Journalisten und eine konsequentere Verfolgung von Verbrechen an Medienschaffenden in Brasilien einzufordern. Am Mittwoch reist Merkel in das südamerikanische Land und leitet in der Hauptstadt Brasilia am Donnerstag mit Staatspräsidentin Dilma Roussef die erstmals stattfindenden Regierungskonsultationen. Brasilien ist das einzige Land in Lateinamerika mit dem Deutschland durch eine sogenannte "strategische Partnerschaft" verbunden ist. Allein in diesem Jahr wurden bereits vier Journalisten in Brasilien erschossen.

"Bundeskanzlerin Merkel muss die brasilianische Regierung dazu drängen, mehr für den Schutz von Journalisten in dem Land zu unternehmen, um eine unabhängige Berichterstattung zu ermöglichen", sagt ROG-Geschäftsführer Christian Mihr in Berlin. "Es ist unerträglich, dass so viele Journalisten in Brasilien getötet werden und die Mörder nie zur Rechenschaft gezogen werden. Brasilien muss sich endlich stärker für Meinungs- und Pressefreiheit einsetzen."

UNABHÄNGIGE JOURNALISTEN LEBEN GEFÄHRLICH

Nach Mexiko und Kolumbien ist Brasilien das gefährlichste Land für Journalisten in Lateinamerika. Mit Repressalien muss rechnen, wer über Themen wie das organisierte Verbrechen, Menschenrechtsverletzungen, Drogenhandel oder Korruption etwa beim Bau der Stadien für die Olympischen Spiele im kommenden Jahr berichtet. Hinter den Drohungen und Verbrechen stecken meist jene, die verhindern wollen, dass ihre Vergehen an die Öffentlichkeit gelangen: Mitglieder der Drogenmafia, des organisierten Verbrechens oder auch mächtige Lokalpolitiker.

Erst am 6. August wurde Gleydson Carvalho in der Stadt Camocim während einer Live-Sendung beim Radiosender Radio Liberdade 90,3 FM erschossen. Carvalho war bekannt für seine kritischen Äußerungen über die Regierung des Bundesstaates Ceara. Auch hat er in Korruptionsfälle verwickelte Politiker kritisiert. Nach Angaben seiner Familie hatte er bereits mehrmals Morddrohungen erhalten. (http://bit.ly/1LgxtQA)

Am 18. Mai wurde die Leiche des Investigativjournalisten und Bloggers Evany Jose Metzker in der Stadt Padre Paraiso im Bundesstaat Minas Gerais aufgefunden. (http://bit.ly/1PYizvF) Die Mörder hatten den 67-Jährigen enthauptet. Metzker betrieb den Blog Coruja de Vale und hatte sich in den Monaten vor seinem Tod intensiv mit Recherchen zum Drogenhandel und zur Kinderprostitution beschäftigt. Auf seinem Blog kritisierte er zudem mehrmals die örtlichen Politiker wegen angeblicher Verwicklungen in Korruptionsfälle. (http://bit.ly/1NdnwDG) Am 9. März wurde Gerardo Servian Coronel aus Paraguay in der brasilianischen Grenzstadt Ponta Pora erschossen. Der Radiojournalist hatte sich regelmäßig kritisch über Lokalpolitiker in seiner Heimat Paraguay geäußert. (http://bit.ly/1FGLUXF)

REFORMPLÄNE ZU VERBESSERTER STRAFVERFOLGUNG ABGELEHNT

Seit dem Jahr 2000 wurden in Brasilien mindestens 42 Journalisten aufgrund ihrer journalistischen Arbeit getötet. Doch bis heute wurde kaum ein Täter zur Verantwortung gezogen. Dieses Klima der Straffreiheit begünstigt die Gewalt noch weiter. Im März 2014 empfahl das brasilianische Menschenrechtssekretariat der Präsidentschaft (SDH) in Zusammenarbeit mit der UNESCO die Gründung einer Arbeitsstelle, die Gewalt gegenüber Journalisten beobachten sollte. Auch sollte der Regierung fortan die Zuständigkeit für die Aufklärung von Verbrechen an Journalisten übertragen werden. Eine entsprechende Gesetzesvorlage wurde am 20. Mai dieses Jahres von der Mehrheit des Unterhauseses im Kongress jedoch abgelehnt. (http://bit.ly/1HRIJv9)

JOURNALISTEN BEI DEMONSTRATIONEN ANGEGRIFFEN

In zahlreichen Fällen wurden Journalisten in den zurückliegenden Monaten auch bei Demonstrationen angegriffen, sowohl von Protestierenden wie von Polizisten. Allein während der Fußballweltmeisterschaft vom 9. Juni bis 13. Juli 2014 ereigneten sich 38 solcher Fälle, 15 davon am letzten WM-Tag. Am 13. Juli drängten Polizisten den brasilianischen Journalisten Felipe Pecanha von der unabhängigen Nachrichtenwebseite Midja Ninja bei einer Demonstration mehrmals aggressiv zur Seite. Die Reuters-Fotografin Ana Carolina Fernandes wurde bei einem Tränengasangriff verletzt. Als er eine Demonstration filmte, warfen Mitglieder der Militärpolizei den kanadischen freien Journalisten Jason O´Hara auf den Boden und traten ihn mehrmals ins Gesicht. Bereits in den Monaten vor der WM waren Dutzende Journalisten verletzt worden, als sie über Demonstrationen berichteten. Santiago Ilidio Andrade, Kameramann beim Fernsehsender Bandeirante TV, wurde am 6. Februar 2014 in Rio de Janeiro bei einer Explosion getötet. Zu dem Zeitpunkt filmte er gerade eine Demonstration. (http://bit.ly/1syrqg5)

MEDIEN IN DER HAND EINIGER WENIGER UNTERNEHMER

Auch die hohe Medienkonzentration beeinträchtigt die Meinungs- und Pressefreiheit in Brasilien. Nur zehn große Unternehmen kontrollieren den Markt der Massenmedien und die meisten Konzerne gehören Familien mit engen Verbindungen zur Politik. So zählt Brasiliens beliebtester Fernsehsender Globo TV zur einflussreichen Globo-Gruppe, die der Marinho-Familie gehört. Sistema Brasilieiro de Televisao (SBT9 gehört zur Silvio Santos Gruppe und Rede Bandeirantes zur Saad-Gruppe. Auch der Großteil des Printbereichs wird von den Privatunternehmen dominiert. Auch einer der wichtigsten Tageszeitung des Landes, Globo, gehört zur Globo-Gruppe. Die Wochenzeitung Veja wird wiederum innerhalb des Konzerns Editora Abril herausgegeben. (http://bit.ly/1fkCE3D)

Zahlreiche dieser Unternehmen haben enge Verbindungen zur Politik und unterstützen mit ihren Medien einzelne Parteien und Politiker. In vielen Redaktionsräumen sind Zensur und Selbstzensur an der Tagesordnung, vor allem auf der lokalen Ebene, wo die Verzahnung zwischen Medien, Unternehmern und Lokalpolitikern oft besonders eng ist. (http://bit.ly/1fkCE3D) Mehrere Politiker besitzen zudem eigene Medienunternehmen, die sie gezielt einsetzen, um ihre politische Meinung zu verbreiten. 271 gewählte Politiker haben im Jahr 2009 insgesamt 324 Medien entweder komplett besessen oder über große Anteile an ihnen verfügt. (http://bit.ly/1tHCoi2)

Der Medienmarkt wird zusätzlich durch die gezielte Vergabe von Werbung beeinflusst. Ministerien, staatliche Agenturen oder Staatsunternehmen verknüpfen die Anzeigenvergabe oft mit einer für sie positiven und unkritischen Berichterstattung. Im Jahr 2009 hat die brasilianische Regierung bei Privatmedien Anzeigen im Wert von umgerechnet rund 600 Euro geschaltet. Die Stadtverwaltung von Sao Paolo hat 2010 rund 40 Millionen Euro für Werbung in Medien ausgegeben, der Bundesstaat Sao Paolo gar 100 Millionen Euro. Vor allem kleine und mittelgroße Verlage sind von der Werbung abhängig und nur allzu oft bereit, ihre Berichterstattung den Wünschen der Geldgeber entsprechend auszurichten.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Brasilien auf Platz 99 von 180 Ländern. Weitere Informationen über die Lage der Medien in dem Land finden Sie unter https://www.reporter-ohne-grenzen.de/brasilien/

Quelle: Reporter ohne Grenzen e.V. (ots)

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