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Aserbaidschan: Kaviar-Diplomatie oder Kaviar-Lüge?

Archivmeldung vom 25.08.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 25.08.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Flagge von Aserbaidschan
Flagge von Aserbaidschan

Lizenz: Public domain
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Immer wieder berichten europäische Medien darüber, Aserbaidschan betreibe "Kaviar-Diplomatie". So versorge Aserbaidschan Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, in der 318 Abgeordnete aus 47 Mitgliedsstaaten sitzen, mit Kaviar und lade sie zu Reisen nach Aserbaidschan ein. Verbunden wird dies zumeist mit dem Hinweis auf eine Entscheidung des Europarates - die Parlamentarische Versammlung hatte am 23. Januar 2013 einen Bericht eines deutschen Parlamentariers zu Aserbaidschan zurückgewiesen. Der sprach von politischen Gefangenen in Aserbaidschan, konnte aber keinen einzigen Fall nachweisen. Das demokratisch verfasste Gremium Europarat lehnte den Bericht daher mit 125 gegen 79 Stimmen ab. Gegen eine Verurteilung Aserbaidschans stimmten dabei Abgeordnete aller möglichen Länder, aus Deutschland, Spanien, England, Polen und so weiter.

125 Abgeordnete, alle gekauft, mit einer Dose Kaviar? Es muss schlecht stehen um die politische Integrität der Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung, wenn sich diese, wie behauptet, schon mit relativ geringwertigen Geschenken wie Kaviardosen "kaufen" lassen. Man muss sich schon fragen, was für ein Selbstverständnis die EU eigentlich hat, wenn Medien wie selbstverständlich davon ausgehen, dass man Abgeordnete aller Herren Länder mit Fischeiern kaufen kann. Unbeantwortet bleiben in den Medienberichten die wichtigsten Fragen: Wer hat Kaviar oder sonstige Zuwendungen erhalten und im Gegenzug etwas für Aserbaidschan getan? Warum wurden diese Personen dann nicht angeklagt? "Korruption spiele im Europarat eine größere Rolle als bekannt, sagt ein Bundestagsabgeordneter heute", stand in "Der Tagesspiegel" vom 30. Juni 2015 zu lesen. Wie bitte? Ein deutscher Abgeordneter weiß von Korruption und erstattet keine Anzeige? Typisch für eine Diktatur, der hat wahrscheinlich Angst - so würde es durch den Blätterwald rauschen, wäre er Parlamentarier eines anderen Landes. Wenn es keine Fakten gibt, sind es nur Gerüchte, dann ist es eine große Kaviar-Lüge.

AZERTAG befragte deutsche Journalisten und Politiker zu den Quellen der Kaviar-Gerüchte. Ergebnis: so genau weiß man das aber nicht - mal wird auf die European Stability Initiative als Quelle verwiesen. Deren Geschäftsführer durfte seine vermeintlichen Erkenntnisse im Mai 2014 auch bereits ganzseitig in einer großen deutschen Sonntagszeitung ausbreiten - übrigens ohne als Geschäftsführer eines privaten Unternehmens gekennzeichnet zu werden, was den Eindruck erweckte, er sei ein zur Zeitung gehörender Journalist. Aber egal, so genau nimmt man das nicht, wenn es gegen Aserbaidschan geht.

Andere machen es sich noch einfacher: eine große Tageszeitung antwortete AZERTAG lapidar, über diese Praxis sei mehrfach in den Medien berichtet worden, in Deutschland und anderen Ländern. Wahrheitsgehalt egal. Weshalb werden die Vorwürfe der "Kaviar-Diplomatie" in den Medien genannt und immer wieder zitiert, obwohl kein einziger Fall von Bestechung nachgewiesen werden konnte? Es gab bisher kein einziges Verfahren und keinerlei staatsanwaltschaftliche Ermittlungen in keinem Land, auch nicht innerhalb der EU-Institutionen - die Unschuldsvermutung gilt für Aserbaidschan scheinbar generell nicht. Das Gros deutscher Medien stellt Geschenke bevorzugt dann als Bestechungsversuche dar, wenn sie aus Aserbaidschan kommen. Besticht ein deutscher Abgeordneter seine Kollegen ihm Europarat, wenn er ihnen eine schwarzwälder Kuckucksuhr schenkt?

Mandatsträger, die Kaviar erhalten und dafür Gegenleistungen erbracht haben, wurden AZERTAG bisher jedenfalls nicht genannt, im Sinne einer auf nachprüfbaren Fakten beruhenden journalistischen Recherche. Wenn es so etwas gegeben hat, wäre die Wortschöpfung "Kaviar-Diplomatie" zutreffend, wenn nicht, liegt der Verdacht einer "Kaviar-Lüge" nahe.

Warum werden jegliche Presseerklärungen aserbaidschanischer Stellen zum Bergkarabach-Konflikt und der illegalen Besetzung von 20% des aserbaidschanischen Staatsgebietes, selbst wenn es sich um erschossene oder entführte aserbaidschanische Grenzsoldaten handelt, in deutschen Medien nicht erwähnt? Aserbaidschan beherbergt eine Million Flüchtlinge in einem Land von 9,5 Millionen Einwohnern. Der Jahrestag des Massakers armenischer Truppen an 623 Aserbaidschanern, darunter Frauen und Kinder, im Jahre 1992 in Chodschali ist ein nationaler Gedenktag in Aserbaidschan - in deutschen Medien findet sich dazu kaum ein Wort. Weshalb in der Berichterstattung über den Bergkarabach-Konflikt in Deutschland nahezu völlig ignoriert wird, dass die Kriegspartei Armenien unter Bruch des Völkerrechts Teile des Nachbarlands Aserbaidschan besetzt hält, bleibt rätselhaft.

Quelle: Vugar Seidov (Europa-Korrespondent der Nachrichtenagentur AZERTAG) (ots)

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