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Afghanistan: Minderjährige gefoltert

Archivmeldung vom 20.10.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.10.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Afghanische Polizisten foltern und misshandeln häufig Kinder und Jugendliche. Das berichtet das ARD-Politikmagazin "Report Mainz" am Montag um 21:45 Uhr im Ersten. Dies ist von besonderer Brisanz für die Bundesregierung, die für die Ausbildung der afghanischen Polizei zuständig ist.

Dem Magazin liegt die aktuelle Studie "Gerechtigkeit für Kinder" vor (als PDF-Dokument auf www.reportmainz.de), die UNICEF und die Unabhängige Afghanische Menschenrechtskommission (AIHC) soeben fertiggestellt haben. Die Studie, die von der Bundesregierung mitfinanziert wurde, kommt zu dem Ergebnis: "Physische Gewalt, Missbrauch und Folter sind üblich während Haft und Verhör". Zwischen März 2007 und März 2008 wurden laut UNICEF 1.674 Kinder in Afghanistan von der Polizei festgenommen. Für die Untersuchung wurden 247 Minderjährige in Jugend-Rehabilitationseinrichtungen befragt. 36 Prozent der Jugendlichen sagten aus, dass sie "von der Polizei misshandelt wurden", stellte Dorothea Grieger, von UNICEF in Kabul, im Interview mit "Report Mainz" fest. 21 Prozent gaben an, "nicht misshandelt" worden zu sein. 43 Prozent wollten die Frage nicht beantworten. Teilgenommen hatten 5 Kinder (jünger als 12 Jahre), 101 Jugendliche im Alter von 12 bis 15 Jahre und 147 zwischen 16 und 18 Jahren. Die Studie empfiehlt unter anderem eine "verstärkte externe Überprüfung der Zustände im Polizeigewahrsam".

Im Hinblick auf die Studie, teilte Konrad Freiberg, der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), "Report Mainz" mit: "Es ist uns natürlich nicht gelungen, eine Polizei in der Größenordnung von 80.000 Leuten auszubilden, die rechtsstaatlich wirklich einwandfrei handeln." Und weiter: "Die Aufgabe war zu groß, wirklich zu gewaltig, so dass wir dieses nie erreichen konnten, mit dem vorhandenen Personal und unter den Voraussetzungen." Freiberg betonte: "Das Land ist so was von riesig. Wir erreichen die Leute gar nicht und die kennen uns vielleicht auch gar nicht und haben nie was von uns gehört in manchen Landesteilen."

Die Bundesregierung hatte sich 2002 vorgenommen, 50.000 afghanische Polizisten durch deutsche Spezialisten ausbilden zu lassen. Bislang wurden aber - nach Angaben des Auswärtigen Amtes - erst 24.000 afghanische Polizisten durch deutsche Experten ausgebildet. Bislang bilden etwa 60 deutsche Beamte afghanische Polizisten aus. In Zukunft sollen es 120 sein. Erforderlich wären dagegen 5.000 Spezialisten, wie der Bundeswehrverband fordert.

Das Auswärtige Amt erklärte gegenüber "Report Mainz", die Bundesregierung nehme die Ergebnisse der Studie "sehr ernst." Laut Auswärtigem Amt gibt es bei der afghanischen Polizei "sicherlich Misshandlungen".

Prof. Manfred Nowak, der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zu Folter, erklärte: "Das Ausmaß, das aus dieser Studie sichtbar wird, macht mich doch sehr besorgt." Nowak betonte, wenn "nur 21 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen gesagt haben: 'Wir sind nicht durch die Polizei gefoltert und misshandelt worden', dann sprechen wir von systematischer Folter und dann muss man sehr, sehr schnell Maßnahmen ergreifen."

Nach Angaben der GdP beschränkt sich die deutsche Polizeischulung in Afghanistan meist auf sechswöchige Schnellkurse. Darin enthalten sind vier Stunden "Rechtskunde"-Unterricht.

Prof. Nowak kritisiert diese Ausbildung der Polizei in Afghanistan als unzureichend: "Polizeiausbildung, ohne dass gleichzeitig aber auch wirklich die Botschaft vermittelt wird, es darf nicht mehr gefoltert werden, ist zu wenig. Da kann ich ein bisschen was verändern, aber nicht mehr. Und das ist oft das einfachste Mittel, auf das sich die Geber- und die Nehmerstaaten einigen können. Wir bekommen kostenlose Ausbildung, aber wir sind nicht wirklich daran interessiert, die Strukturen zu verändern."

Barbara Lochbihler, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, sagte: "Gerade bei der Polizeiausbildung ist wichtig, dass Menschenrechte im Zentrum der Ausbildung stehen, dass der Polizist weiß, das ist der Kern seines Handelns. Und deshalb muss das Konzept verbessert werden und das geht nicht in Schnellkursen und das geht auch nicht, dass nur ein ganz kleiner Kreis intensiv gut ausgebildet wird, sondern das Konzept muss besser und effizienter gemacht werden."

Die Vereinten Nationen hatten Deutschland 2002 die "Schlüsselverantwortung" für Afghanistans Reform der Polizei übertragen. Deutschland leistet vor allem Ausbildung, Beratung und Ausstattungshilfe. Seit 2002 stellte die Bundesregierung 117,7 Millionen Euro für die Reform und Ausbildung der afghanischen Polizei zur Verfügung. Die nationale Polizeiakademie in Kabul wurde von Deutschland gegründet. Dort werden insbesondere Polizisten für eine dem mittleren und gehobenen Dienst vergleichbare Tätigkeit ausgebildet. Zudem bieten deutsche Polizeitrainer Fortbildungsmaßnahmen für die höheren Dienstränge an. Im Internet wirbt das Auswärtige Amt für die Afghanische Polizei mit dem Slogan "Eine Polizei, der die Bürger vertrauen können".

Quelle: SWR "Report Mainz"

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