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EU-Kommissar Oettinger will Warschau unter Aufsicht stellen

Archivmeldung vom 04.01.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.01.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Sejm der Republik Polen
Sejm der Republik Polen

Foto: Network.nt
Lizenz: GFDL
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Die polnische Regierung gerät nach ihren umstrittenen Gesetzesänderungen zunehmend unter Druck aus Brüssel. Nachdem der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, Warschau vor einer Beschränkung der Medienvielfalt gewarnt hat, äußert sich nun erstmals auch der für Medienpolitik zuständige Kommissar Günther Oettinger.

"Es spricht viel dafür, dass wir jetzt den Rechtsstaatsmechanismus aktivieren und Warschau unter Aufsicht stellen", sagte Oettinger der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (F.A.S.). Er werde sich dafür bei der nächsten Sitzung der EU-Kommission am 13. Januar einsetzen. Kommissionspräsident Juncker hat das Thema auf die Tagesordnung gesetzt, wie die F.A.S. weiter berichtet.

Juncker will ein Instrument nutzen, das es erst seit 2014 gibt. Es sieht einen strukturierten Dialog mit einem Mitgliedstaat vor, wenn die Kommission systembedingte Gefahren für die Rechtsstaatlichkeit erkennt. Wenn der Staat nicht auf Änderungsvorschläge aus Brüssel reagiert, leitet die Kommission ein Verfahren wegen des Verstoßes gegen europäische Grundwerte ein. Das ist noch nie geschehen, könnte aber bis zum Entzug von Stimmrechten führen.

Oettinger äußerte sich gegenüber der F.A.S. besorgt über die jüngsten Änderungen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Polen. Das Parlament hatte mit Mehrheit der Regierungspartei in beiden Kammern eine Reform beschlossen, die es ihr erlaubt, das Leitungspersonal in den öffentlichen Radio- und Fernsehsendern auszutauschen.

"Ein Intendant darf nicht ohne Angabe von Gründen entlassen werden. Das wäre Willkür", sagte Oettinger. "Je größer unsere Sorge ist, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Funktion einbüßen könnte, nämlich die Bürger unabhängig zu informieren, desto mehr müssen wir die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden stärken", so Oettinger weiter. Er will spätestens im Juni Vorschläge zur Novellierung der entsprechenden EU-Richtlinie vorlegen. Das steht im Zusammenhang mit einer Überprüfung, die schon länger läuft, nun aber auch durch die Entscheidungen in Polen beeinflusst wird.

Polen fordert mehr Verständnis und Solidarität von Deutschland

Polens Außenminister Witold Waszczykowski verlangt von Deutschland mehr Solidarität. "Etwas mehr Verständnis der Deutschen für unsere politische Situation wäre wünschenswert", sagte Waszczykowski gegenüber "Bild".

So sei Polen "seit 16 Jahren Mitglied der Nato. Und noch immer liegt unser Sicherheitsstatus weit unter dem Westeuropas. Wir möchten, dass die Nato Truppen in Polen stationiert, damit dieses Ungleichgewicht verschwindet", sagte der Minister im Interview. "Die deutsche Seite verhindert das seit Jahren, weil sie Russland nicht provozieren will. Aber Polens Geschichte zeigt uns: Wir können es uns nicht leisten, schwach zu sein. Denn das weckt nur die Lust anderer Staaten, gegen uns vorzugehen." Er hoffe, der Nato-Gipfel im Juli 2016 in Warschau werde in dieser Frage "ein Umdenken bewirken", so Waszczykowski.

Verständnis forderte der Minister gegenüber "Bild" auch in der Frage, ob Polen die zugesagten 7.000 Kriegsflüchtlinge aus Syrien und Irak aufnehmen wird: Polen sei und bleibe "bereit zu helfen. Wir werden uns beteiligen an den Zahlungen für die Türkei und für die Flüchtlingslager der Region. Wir werden alles tun, um die Ursachen der Flucht und den ISIS-Terror zu bekämpfen", sagte Wazczykowski.

Doch der Minister ergänzte: "Polen hat 1,5 Millionen Arbeitslose, mehr als eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine leben bei uns. Und zwei Millionen unserer Landsleute haben das Land verlassen - auch die möchten wir gern in die Heimat zurückholen."

Deshalb seien Flüchtlinge aus Syrien und Irak zwar "willkommen. Aber wir werden selbst in den Hotspot-Lagern aussuchen, wer zu uns kommt: Menschen, die nachweisen können, dass sie nicht aus wirtschaftlichen Gründen fliehen, die Papiere vorweisen können und die vor allem aus freiem Willen nach Polen und in kein anderes Land einreisen. Denn: Zwangsweise Deportationen nach Polen - das wäre vor dem Hintergrund unserer Geschichte fatal."

Polen sei sich bewusst, dass Deutschland "eine entscheidende Stimme im Chor Europas" habe, so der Minister weiter, "aber wir Polen sagen auch: bitte nicht auf unsere Kosten!" Die Deutschen sollten sich selbst fragen, was sie von Polen erwarten: "Braucht Ihr Polen nur als Pufferzone zu Russland? Als Lieferant billiger Arbeitskräfte? Als Zulieferer und verlängerte Werkbank für große deutsche Konzerne? Oder sind wir Polen, bei allen wirtschaftlichen Größenunterschieden, ein Partner Deutschlands, zumindest bei der Lösung der Probleme in unserem Teil Europas", fragte Waszczykowski.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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