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"Report Mainz": EU zahlt Ukraine Millionenbeträge für Inhaftierung von Flüchtlingen

Archivmeldung vom 13.02.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 13.02.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Erich Westendarp / pixelio.de
Bild: Erich Westendarp / pixelio.de

Die EU verstößt im Umgang mit Flüchtlingen an den Außengrenzen im Osten gegen internationales Recht. Das sagte ein Experte des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR im Interview mit dem ARD-Magazin "Report Mainz" und dem Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL. Nach Recherchen der beiden Magazine finden seit Jahren regelmäßig so genannte "Pushbacks" von Flüchtlingen statt. Das bedeutet, dass Flüchtlinge vom EU-Hoheitsgebiet - etwa aus Ungarn oder der Slowakei - ohne die Chance auf ein Asylverfahren in die Ukraine zurückgeschoben werden. Der UNHCR bestätigt, dass ihm entsprechende Berichte ebenso vorliegen. Die zurückgeschobenen Flüchtlinge werden in der Ukraine dann bis zu einem Jahr lang inhaftiert - in speziellen Haftanstalten, die von der EU mitfinanziert werden. Derzeit befindet sich eine weitere solche Haftanstalt für Migranten im ukrainischen Martynivske kurz vor der Eröffnung.

Ilja Todorovic vom Ukraine-Büro des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR sagte im Interview mit "Report Mainz" und SPIEGEL: "Solche Rückführungen sind ein Verstoß gegen internationales Recht. Auch die Haftzeiten in den Internierungslagern müssen deutlich niedriger bzw. wenn möglich ganz abgeschafft werden. Die EU verlagert das Flüchtlingsproblem definitiv nach außen." Die Ukraine ist Teil der so genannten Ostroute für Flüchtlinge in die EU. Sie gilt als weniger bekannte Alternative zur Seeroute über das Mittelmeer. Jedes Jahr versuchen hunderte Flüchtlinge über die Ukraine in die Europäische Union zu gelangen. Viele von ihnen stammen aus Somalia und Afghanistan. Das Bundesinnenministerium bestätigt auf Anfrage, dass es innerhalb der vergangenen Monate zu mehreren größeren Schleusungen unter anderem afghanischer Staatsbürger über die ukrainische Grenze in die Slowakei gekommen sei. Der UNHCR weist in einer aktuellen Lageeinschätzung vom Januar 2015 darauf hin, dass sich diese Zahl aufgrund des Krieges in der Ukraine noch weiter erhöhen könnte, da die dort festsitzenden Flüchtlinge vermehrt versuchen könnten, aus dem Land in Richtung EU zu fliehen.

Mehrere Flüchtlinge berichten "Report Mainz" und SPIEGEL, wie sie selbst mitten in der Nacht von EU-Hoheitsgebiet in die Ukraine zurückverbracht worden seien. Ein somalischer Flüchtling, der mittlerweile in Deutschland wohnt, hat nach eigenen Aussagen selbst drei so genannte "Pushbacks" erlebt und insgesamt mehrere Jahre in Haftanstalten in der Ukraine verbracht. "Ich verzweifelte. Sie haben mich aus der EU einfach in die Ukraine zurückgebracht. Ich hatte keine Hoffnung mehr. Die Ukraine ist ein schrecklicher Ort für Flüchtlinge. Sie können dich foltern, dich schlagen. Es war wirklich schrecklich." Im Jahr 2012 kam es zu einem Hungerstreik somalischer Häftlinge gegen die mutmaßlich willkürliche Haftpraxis. An der Haftdauer hat sich - obwohl die EU als Geldgeber von dieser Praxis Kenntnis hat - bislang nichts geändert.

Die Europäische Union hat in den vergangenen Jahren einen höheren zweistelligen Millionenbetrag in den Auf- und Ausbau von derartigen Haftanstalten sowie Schulungen des dortigen Personals und Beratungen der ukrainischen Regierung investiert. Seit dem Jahr 2010 gilt ein Rückübernahmeabkommen zwischen EU und Ukraine. Es erlaubt den EU-Mitgliedsstaaten, Migranten in die Ukraine abzuschieben - ein Asylantrag muss laut Asylverfahrensrichtlinie dennoch zuvor geprüft werden. Die EU-Kommission teilt auf Anfrage mit, dass ihr auf Basis der vorliegenden Informationen "keine Fälle von spezifischen oder umfassenden Pushbacks" bekannt seien. Das finanzielle Engagement in der Ukraine diene der Anpassung der Bedingungen von Flüchtlingen in der Ukraine an europäische Standards.

Mehrere Flüchtlinge, die sich noch in der Ukraine aufhalten, berichten "Report Mainz" und SPIEGEL von untragbaren Zuständen. Flüchtlinge bekommen in der Ukraine Nahrungsmittel im Wert von weniger als einem Euro pro Tag. Mehrere Betroffene beschweren sich über Hunger und mangelnde medizinische Versorgung. Aus Angst vor Pushbacks und Verhaftungen trauen sich viele nicht mehr, die Flucht in die Europäische Union zu versuchen. Ein somalischer Flüchtlinge, der sich in der Nähe der ukrainischen Stadt Uzhgorod aufhält, sagte: "Ich habe jetzt zwei Kinder. Zweimal habe ich es versucht, in die EU zu kommen. Einmal haben sie mich in der Slowakei geschnappt und nachts einfach zurückgeschoben. Das zweite Mal wurde ich schon in der Ukraine gefasst. Jedes Mal musste ich ins Gefängnis. Ich traue mich nicht mehr zu fliehen, ich habe Angst vor dem Gefängnis. Ich wünsche mir nur, dass mich jemand in ein sicheres Land bringt. Aber keiner hilft mir."

Quelle: SWR - Das Erste (ots)

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