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Aserbaidschan geht radikal gegen Exil-Fernsehsender vor

Archivmeldung vom 22.09.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.09.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Logo - Reporter ohne Grenzen e.V.
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Reporter ohne Grenzen ist empört über die aggressiven Versuche des aserbaidschanischen Regimes, die Arbeit des in Berlin ansässigen Senders Meydan TV zu verhindern. Mit Verhaftungen und stundenlangen Verhören hat die aserbaidschanische Polizei in den vergangenen Tagen versucht, einheimische Mitarbeiter des Senders einzuschüchtern. Aufsehen erregte der Fall des 19-jährigen Meydan-TV-Reporters Schirin Abbasow, der am 16. September zunächst spurlos verschwand und seither von der Polizei in Gewahrsam gehalten wird.

"Meydan TV gehört zu den wenigen Quellen für unabhängige Informationen aus Aserbaidschan und ist dem Regime vor den Parlamentswahlen im November ganz offensichtlich ein Dorn im Auge", sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Gerade weil Meydan TV im Berliner Exil produziert wird, ist der Sender umso mehr auf mutige Reporter in Aserbaidschan angewiesen, die ungeschminkt über die Zustände in ihrem Land berichten. Die unverhohlenen Versuche, Meydan-Reporter und ihre Familien einzuschüchtern, ziehen jedes Bemühen Aserbaidschans um ein besseres Image auf internationaler Ebene ins Lächerliche."

Der Programmdirektor von Meydan TV, Emin Milli, äußerte sich gegenüber ROG kämpferisch: "Wir geben unsere unabhängige Berichterstattung nicht auf. Wir werden unsere Arbeit fortsetzen, mit neuen Formaten experimentieren und Bürgerjournalismus mit neuen Projekten weiter voranbringen." Milli hatte den Sender 2013 in Berlin gegründet. Meydan TV berichtet über Politik, Kultur und Gesellschaft Aserbaidschans und wurde in kurzer Zeit populär. Der youtube-Kanal des Senders wurde seit April 2013 rund 12 Millionen Mal aufgerufen und hat fast 21.000 Abonnenten.

SYSTEMATISCHE FESTNAHMEN UND VERHÖRE

Nach Angriffen auf die Redaktion von Meydan TV in Berlin (http://t1p.de/0awq) und Drohungen gegen Milli stehen inzwischen vor allem einheimische Reporter, die aus Aserbaidschan für den Sender berichten, unter Druck. Am 16. September verschwand der 19-jährige Meydan-TV-Reporter Schirin Abbasow auf dem Weg zur Universität spurlos. Erst am folgenden Tag erfuhr seine Familie, dass ihn die berüchtigte Polizeieinheit zum Kampf gegen organisierte Kriminalität (MIA) festhält. Der Journalist durfte keinen Kontakt zu seinem Anwalt aufnehmen und wurde am 17. September wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt zu dreißig Tagen Gewahrsam verurteilt.

Abbasow ist einer von vier Meydan-TV-Mitarbeitern, gegen die die aserbaidschanische Regierung nach den Europaspielen im Juni 2015 ein Ausreiseverbot verhängte. Als bekannter Videoblogger hatte er das Regime nicht nur für die millionenteure Sportveranstaltung kritisiert, mit der die Regierung international ihr Image aufbessern wollte. Er berichtete auch über die Schauprozesse gegen die prominenten Menschenrechtler Leyla und Arif Yunus sowie über die Verurteilung der bekannten Investigativjournalistin Khadija Ismajilowa.

DRUCK AUF FAMILIEN MUTIGER JOURNALISTEN

Fünf weitere Mitarbeiter von Meydan TV verhörte die Polizei in den vergangenen Tagen nach Berichten des Senders über Proteste in Aserbaidschans viertgrößter Stadt Mingetschewir. Die Bevölkerung hatte dort im Sommer den Rücktritt des lokalen Polizeichefs gefordert, nachdem am 20. August ein Mann in Polizeigewahrsam ums Leben gekommen war. Am 16. September hielt die Abteilung zum Kampf gegen organisierte Kriminalität fünf Stunden lang die Meydan-Mitarbeiterin Aytaj Achmadowa fest und fragte sie nicht nur über die Demonstrationen in Mingetschewir aus, sondern vor allem über die Tätigkeit von Meydan TV sowie über die Finanz- und Managementstruktur des Senders.

Am 18. September durchsuchten Beamte die Wohnung von Meydan-TV-Reporter Javid Abdullajew und nahmen Computer und Kameras mit. Am selben Tag wurde der Fotograf Ahmed Muchtar festgenommen, dessen Bruder mit Meydan-TV zusammenarbeitet. Sowohl Aytaj Achmadowa als auch die bekannte Journalistin und Meydan-Redakteurin Gunel Mowlud berichten von steigendem Druck auf ihre Familien. Mehrere Personen hätten ihre Arbeitsstellen verloren, einigen wurde mit Gefängnisstrafen gedroht (http://t1p.de/96i6).

Präsidentenberater Ali Hasanow erklärte am Montag (20. September), durch die Verhaftungen habe der Staat die ordnungsgemäße Beachtung der neuen Regeln für die Akkreditierung von Mitarbeitern ausländischer Medien vom 18. März 2015 durchsetzen wollen (http://t1p.de/xhji). Dem widerspricht, dass keiner der verhörten Journalisten auf seine Akkreditierung angesprochen wurde.

BUNDESREGIERUNG LEHNT UNTERSTÜTZUNG VON MEYDAN-TV AB

Für ein koordiniertes Vorgehen gegen Meydan-TV sprechen auch die unverhohlenen Drohungen des aserbaidschanischen Sportministers gegen den Gründer des Senders Emin Milli während der Europaspiele im Juni. Der Staat werde ihm seine Schmutzkampagne gegen Aserbaidschan nicht verzeihen, ließ Asad Rahimow Milli über Dritte mitteilen, man werde ihn kriegen, in Deutschland oder auch anderswo (http://t1p.de/lgz1). Wegen seiner kritischen Berichterstattung saß Milli bis November 2010 insgesamt 16 Monate in Aserbaidschan im Gefängnis und verließ das Land wenig später.

Im Juli 2015 wurden 23 seiner Verwandten gezwungen, einen Brief an den aserbaidschanischen Präsidenten Ilcham Alijew zu unterschreiben. Darin distanzieren sie sich von der "anti-aserbaidschanischen Haltung" Millis und erklären, sie hätten ihn aus ihrer Familie ausgeschlossen.

Das Bundesaußenministerium sieht indes keinen Anlass, unabhängige Medien für Aserbaidschan zu fördern. "Ihr Projekt entspricht nicht der Menschenrechtspolitik der Bundesregierung in Aserbaidschan", beschied es Emin Milli auf dessen Bitte um Projektförderung (http://t1p.de/dkz3).

Derzeit sind in Aserbaidschan mindestens acht Journalisten und vier Blogger wegen ihrer Arbeit im Gefängnis. Am 9. August 2015 starb der freie Journalist Rasim Alijew, nachdem in einen Hinterhalt gelockt und zusammengeschlagen worden war. Auf der Rangliste der Pressefreiheit belegt Aserbaidschan Platz 162 von 180 Staaten.

Weitere Informationen zur Situation von Journalisten in dem südkaukasischen Land finden Sie unter www.reporter-ohne-grenzen.de/aserbaidschan/.

Quelle: Reporter ohne Grenzen e.V. (ots)

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