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McKinsey-Energiewende-Index: Ziele kaum noch erreichbar

Archivmeldung vom 04.12.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.12.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
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Die Erfolgsaussichten der Energiewende haben sich im vergangenen Vierteljahr weiter verschlechtert. Das geht aus dem neuen "Energiewende-Index" der Unternehmensberatung McKinsey hervor. Er liegt der "Welt" exklusiv vor. Der Bericht der Berater kommt dem "Monitoringbericht" zuvor, den die Bundesregierung als eigene Zwischenbilanz in der kommenden Woche veröffentlichen will.

McKinsey, eine der weltweit renommiertesten Beratungsfirmen, hat den Grad der "Zielerreichung" in der Energiepolitik anhand von 15 quantifizierbaren Kriterien gemessen. Ernüchterndes Fazit: Nur fünf der 15 energiepolitischen Ziele der Bundesregierung können nach derzeitigem Stand erreicht werden. In zwei Punkten ist die Zielerreichung kritisch und bedarf dringend der Nachsteuerung. "Zielerreichung unrealistisch" heißt das Urteil bei acht der 15 energiepolitischen Maßnahmen. Gegenüber September, als der Index-Wert zum ersten Mal gemessen wurde, gibt es keine nennenswerten Verbesserungen, allerdings in vielen Punkten deutliche Verschlechterungen.

Als positive Veränderung registriert McKinsey im wesentlichen nur eine Entwicklung: Der Zubau von Ökostrom-Anlagen, vor allem der Fotovoltaik. So sei das offizielle Ausbauziel für Solaranlagen derzeit "um 45 Prozent übererfüllt". Diese isoliert betrachtet positive Entwicklung zieht allerdings negative Folgen bei anderen Indikatoren nach sich, etwa bei den Kosten der Netzeingriffe und der EEG-Umlage.

Im Punkt "Versorgungssicherheit" wurden die Ziele allerdings deutlich verfehlt. So erhöhten sich etwa die Kosten für Netzeingriffe um das Dreifache, stellt McKinsey fest. Auch die "gesicherte Reserve-Marge" im Kraftwerkspark ist drastisch, von plus 6,6 Prozent auf einen Wert unter Null gefallen. Inwieweit dafür auch eine Definitionsänderung des Verbandes der europäischen Stromnetzbetreiber, ENTSO-E, verantwortlich sei, müsse noch geprüft werden, heißt es in dem Bericht. Bestätigen sich die Berechnungen der Netzbetreiber, wären nur noch vier von 15 Energiewende-Zielen erreichbar.

Das Ziel der Wirtschaftlichkeit wird immer deutlicher verfehlt: Die Haushaltsstrompreise in Deutschland liegen bereits 32 Prozent über dem EU-Durchschnitt, heißt es im McKinsey-Bericht. Im kommenden Jahr werden die Deutschen schon 45 Prozent mehr bezahlen als ihre europäischen Nachbarn. "Der weitere Ausblick ist ungünstig" heißt es im Gutachten dazu: "Der Ausbau insbesondere von Fotovoltaik und Offshore-Wind wird zu erneuten Umlage-Erhöhungen - mittelfristig auf über 6 Cent pro Kilowattstunde - führen, sofern das aktuelle Umlagesystem in Kraft bleibt."

Zum Jahreswechsel steigt die EEG-Umlage bereits um mehr als 50 Prozent auf rund 5,3 Cent pro Kilowattstunde. Der Industrie geht kaum besser: Ende 2011 lag der deutsche Industriestrompreis 20 Prozent über dem EU-Durchschnitt. "Seit 2008 hat sich der Abstand mehr als verdoppelt", warnen die Energieexperten.

Neben den direkten Zusatzkosten könnten "weitere, enorme Kosten durch eine Absenkung der Versorgungssicherheit entstehen", heißt es weiter. Insbesondere die Tatsache, dass immer mehr konventionelle Kraftwerke aufgrund mangelnder Wirtschaftlichkeit vor der Betriebsaufgabe stehen, könnte zu erheblichen Belastungen führen. "Derzeit operieren circa 10 bis 20 Gigawatt des steuerbaren Kraftwerksparks an der Ertragsgrenze", warnen die McKinsey-Autoren.

"Eine Abschaltung durch die Betreiber aus wirtschaftlichen Gründen kann zu Versorgungsengpässen und im Extremfall zu Stromausfällen führen." Die Kosten eines Blackouts zu beziffern, sei schwierig, stellt McKinsey fest. Die Berater verweisen auf Zahlen aus dem Bundeswirtschaftsministerium, die eine Schadenshöhe von 6,50 Euro pro Kilowattstunde bei einem Blackout annehmen: "Ein Blackout von nur einer Stunde in ganz Deutschland würde danach einen Schaden von mindestens 430 Millionen Euro nach sich ziehen."

Trotz der kritischen Ergebnisse des Energiewende-Index sind die McKinsey-Berater überzeugt, dass die Ziele der Energiewende in Deutschland prinzipiell richtig sind, der bisherige Weg aber geändert werden müsse . Die Chancen der Energiewende begründen sich unter anderem darin, dass der internationale Energiebedarf McKinsey-Prognosen zufolge bis 2050 um mehr als die Hälfte zunehmen wird - damit werden voraussichtlich auch die Rohstoffpreise steigen.

Energiewende: Stromkonzerne verteidigen Bundesregierung

Die Bundesregierung steht mit ihrer Energiewende wegen steigender Kosten und mangelnden politischen Managements stark in der Kritik. Ausgerechnet aus den Reihen der Stromkonzerne kommt nun deutliche Unterstützung - und Selbstkritik.

In einem bisher unveröffentlichten Papier, das der "Welt" vorliegt, verteidigt der Versorger EnBW die Politik und mahnt, Kurs zu halten. "Das verabschiedete Energiekonzept der Bundesregierung, mit seinen Zielen und seinen politischen Instrumenten, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen, darf nicht bei den ersten Schwierigkeiten wieder grundsätzlich in Frage gestellt werden", heißt es darin. Die Herausforderungen seien lösbar, die mit der Energiewende verbundenen Kosten beherrschbar.

EnBW, das mehrheitlich dem grün-rot regierten Land Baden-Württemberg gehört, hält die staatliche Förderung der erneuerbaren Energien für unverzichtbar, die von der Wirtschaft und aus den Reihen der schwarz-gelben Koalition zuletzt infrage gestellt wurde. Das Energie-Einspeisegesetz müsse mit seinen bisherigen "wesentlichen Kernbestandteilen - gesetzlich garantierte Vergütungssätze und Einspeisevorrang in den nächsten Jahren - erhalten bleiben", heißt es in dem Papier.

Strom aus Wind, Sonne und Biomasse dämpften die Kosten für die Endkunden in Industrie und Gewerbe. Ihr Ausbau koste zunächst mehr, zahle sich langfristig aber aus. Das Positionspapier ist zwar vor einigen Wochen entstanden, der Anstieg der Strompreise war da aber schon absehbar.

Diese Haltung entspricht der Landesregierung in Stuttgart, sondern auch der Linie von Umweltminister Peter Altmaier (CDU). Der will das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zwar wegen einiger teurer Fehlentwicklungen vor allem in der Solarindustrie grundlegend reformieren, die Förderung von Ökostrom aber grundsätzlich beibehalten.

Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) dagegen würde die Förderung in ihrer bisherigen Form gerne ganz abschaffen. Der Essener Energieriese RWE gibt indirekt zu, in der Vergangenheit Fehler gemacht zu haben, die dazu beigetragen haben, dass Großvorhaben wie den Bau von Kraftwerken oder Stromtrassen behindert und verzögert wurden.

Auf Anfrage der "Welt" sagte Marga Edens, Nachhaltigkeits-Beauftragte bei RWE: Politik und Unternehmen müssten besser als bisher den Bürgern die epochalen Veränderungen erklären, die die Energiewende bedeute. Es sei nötig, frühzeitig den Dialog mit Bürgern zu suchen, "Fragen zu stellen, zuzuhören und aus dem Gehörten dann die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen".

Das bedeutet für Unternehmen wie RWE laut Edens auch, "dass es tatsächlich möglich sein muss, Planungen zum Beispiel für Stromtrassen zu ändern, Kraftwerksdesign anzupassen oder auch ein Projekt im Zweifelsfalle ganz aufzugeben". Langfristig wolle RWE so verloren gegangenes Vertrauen in das Unternehmen zurückgewinnen. Auch in dem EnBW-Papier ist die Rede von "zum Teil lähmenden Diskussionen und unnötiger Konfrontation". Trotzdem sei, "einzigartig in Europa - der Ausbau der Erneuerbaren Energien seit dem Jahr 2000 von den unterschiedlichsten politischen Konstellationen stetig massiv vorangetrieben" worden.

Vahrenholt: Deutsche haben keinen Einfluss auf Weltklima

Der ehemalige Hamburger Umweltsenator und RWE-Manager Fritz Vahrenholt (SPD) macht den Deutschen wenig Hoffnung, dass die Energiewende wirklich das Klima verbessern kann. In einem Interview mit der "Welt" sagte er: "Wir dürfen nicht glauben, dass wir mit unseren Maßnahmen in irgendeiner Weise überhaupt irgendeinen Einfluss auf das Weltklima haben. Alles das, was wir in Deutschland mit großen, großen Anstrengungen, aber auch Wohlstandsverlusten und Naturbeeinträchtigungen in den nächsten Jahrzehnten tun werden, nämlich die Verminderung von 300 Millionen, 400 Millionen Tonnen CO2, macht China in zwei Monaten wieder wett."

Er glaube, dass bis spätestens 2020 erkannt werde, "dass das Klimagas CO2 maßlos überschätzt worden ist" Seine große Sorge sei aber, "dass wir in der Zwischenzeit zu viel zertrümmern. Zertrümmert an Industrie, zertrümmert an sozialer Gerechtigkeit. Zertrümmert an Natur."

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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