Ischinger: "Wir wären jedem Angreifer ausgeliefert"

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Für Wolfgang Ischinger, langjähriger Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, ist Europas außenpolitische Schwäche selbstverschuldet. Der Mediengruppe Bayern (Montag) sagte er, dass der Nato-Gipfel gezeigt habe, wie dramatisch abhängig Europa nach wie vor von den USA sei und welche katastrophalen Folgen es hätte, wenn Washington sich von Europa tatsächlich abwenden würden.
"Wir wären vollkommen schutz- und hilflos. Wir haben keine eigene
Satellitenaufklärung. Wir haben keine Luftabwehr. Wir wären jedem
Angreifer ausgeliefert." Ischinger sagte explizit: "Das ist die nackte
Wahrheit nach über 30 Jahren Vernachlässigung der eigenen
Verteidigungsfähigkeit."
"Eine gute Entscheidung" nennt Ischinger
das von der Nato beschlossene Fünf-Prozent-Ziel. "Jeder muss verstehen,
dass es dabei nicht darum geht, Donald Trump happy zu machen. Es ist
schlicht für unsere eigene Sicherheit notwendig", sagte er. Deutschland
und die anderen Nato-Alliierten müssten alles daran setzen, die
einseitige Abhängigkeit von den USA in den kommenden Jahren Schritt für
Schritt systematisch so zu reduzieren, dass Europa sich selbst
verteidigen könne.
Ischinger nennt es "verantwortungslos, dass
450 Millionen Europäer sich nicht um ihre eigene Sicherheit kümmern".
Das müsse man der Bevölkerung noch deutlicher machen. "Es geht um
Kriegsverhütung und Kriegsverhinderung - und nicht um Kriegsführung. Und
es geht um Abwehr von Gefahren und Bedrohungsszenarien auch für unsere
Nato-Partner, etwa im Baltikum, die womöglich noch viel stärker bedroht
sind als wir selbst."
Die Situation, von US-Präsident Donald
Trump außenpolitisch an die Seite gedrängt worden zu sein, schmerzt ihn
persönlich sehr. "Der Kleinststaat Katar am Golf hat im Augenblick mehr
Gewicht als 450 Millionen Europäer. Und das ist nicht die Schuld von
Trump oder irgendwem sonst, sondern das ist ausschließlich die Schuld
von uns Europäern selbst. Wenn wir nicht mit einer Stimme im Nahen Osten
sprechen, wenn wir nicht mit einer Stimme gegenüber Trump oder
gegenüber China auftreten, von Russland ganz zu schweigen, dann dürfen
wir uns nicht wundern, wenn wir marginalisiert oder gar völlig ignoriert
werden."
Quelle: dts Nachrichtenagentur