Abtreibungsparagraf 218: Der lange Streit um einen Paragrafen
In Deutschland beschließen jedes Jahr mehr als 100.000 Frauen aus unterschiedlichen Gründen, dass sie nicht schwanger bleiben wollen. Abtreibungen sind in komplexen Gesetzen geregelt, unter anderem im Strafgesetzbuch in Paragraf 218. Danach bleibt ein Schwangerschaftsabbruch nur unter bestimmten Voraussetzungen straffrei, ist aber grundsätzlich rechtswidrig. Das hat Folgen für die betroffenen Frauen wie auch für die behandelnden Ärztinnen und Ärzte, berichtet die aktuelle Ausgabe des Gesundheitsmagazins "Apotheken Umschau".
Der Wunsch nach Veränderung ist da: Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung halten die aktuellen Regelungen für falsch. Auch einen entsprechenden Gesetzentwurf gab es bereits. Doch "am Ende war der politische Wille nicht da, das anzupacken", sagt Prof. Dr. Christiane Woopen. Die Ethikerin von der Universität Bonn gehörte der Kommission des Bundestags an, die sich mit dem Thema Schwangerschaftsabbruch in Deutschland auseinandergesetzt hat. Ende Mai hat sich zudem der Deutsche Ärztetag für eine Entkriminalisierung von Abbrüchen ausgesprochen.
"Das Thema ist auf dem Tisch", sagt Dr. Alicia Baier, Gynäkologin und Gründungsmitglied von Doctors for Choice, ein Netzwerk, das sich für mehr Selbstbestimmung und einen besseren Zugang zu Abtreibungen einsetzt. Ihre Hoffnung: "Es wird vielleicht kleine Verbesserungen geben."
Im Koalitionsvertrag steht zum Thema Schwangerschaftsabbruch: "Wir wollen Frauen, die ungewollt schwanger werden, in dieser sensiblen Lage umfassend unterstützen, um das ungeborene Leben bestmöglich zu schützen." Für Frauen in Konfliktsituationen solle der "Zugang zu medizinisch sicherer und wohnortnaher Versorgung" ermöglicht werden, zudem die Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung "über die heutigen Regelungen hinaus". Die medizinische Weiterbildung solle gestärkt werden. Was am Ende bedeutet: Abbrüche nur unter Bedingungen, ungeborenes Leben geht vor.
Doch kann ein Gesetz wirklich ungeborenes Leben schützen? "Restriktive Gesetze oder gar Verbote verhindern keine Abtreibungen, sie verzögern sie bloß", so Alicia Baier. "Auch steigt durch einen Verzicht auf diese Maßnahmen die Zahl der Abbrüche nicht an." Paragraf 218 wird es dennoch mindestens weitere vier Jahre geben.
Übrigens: Eines der rigidesten Abtreibungsgesetze in Europa hat Polen. Was das für die Frauen heißt, erklärt eine anonyme Initiatorin der Organisation "Ciocia Basia", die Polinnen dabei unterstützt in Deutschland abzutreiben, im Interview mit der aktuellen "Apotheken Umschau" (Juli A-Ausgabe 2025).
Quelle: Wort & Bild Verlagsgruppe - Gesundheitsmeldungen (ots)