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Durchsichtiger Urtausendfüßer aus bedrohter Eisenerzhöhle in Brasilien entdeckt

Archivmeldung vom 16.11.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.11.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Höhlen-Urtausendfüßer: Die Tiere sind aufgrund der Reduktion ihres Kalkpanzers fast durchsichtig. Deutlich sind hier die Eier zu erkennen. Das schützende Kalkskelett wurde im Verlauf der Evolution vermutlich aufgrund der Abwesenheit von Fressfeinden in der Höhle fast vollständig reduziert. Die Tiere sind dadurch extrem zerbrechlich.
Quelle: Foto: Universität Lavras in Minas Gerais (UFLA), (idw)
Höhlen-Urtausendfüßer: Die Tiere sind aufgrund der Reduktion ihres Kalkpanzers fast durchsichtig. Deutlich sind hier die Eier zu erkennen. Das schützende Kalkskelett wurde im Verlauf der Evolution vermutlich aufgrund der Abwesenheit von Fressfeinden in der Höhle fast vollständig reduziert. Die Tiere sind dadurch extrem zerbrechlich. Quelle: Foto: Universität Lavras in Minas Gerais (UFLA), (idw)

Neu entdeckte, seltene Tausendfüßerart war in Brasilien vollständig unbekannt und kann Unterschutzstellung eines bedrohten Höhlenlebensraumes ermöglichen.

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme eines Körpersegments der neu entdeckten Art. Das Außenskelett ist sehr dünnwandig und nur an einigen Stellen durch Knoten verdickt. Die Bilder sind Schwarz-weiß, da sie durch einen Elektronenstrahl und nicht durch einen Lichtstrahl entstehen.
Quelle: Foto: Dr, T. Wesener, ZFMK, Bonn (idw)
Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme eines Körpersegments der neu entdeckten Art. Das Außenskelett ist sehr dünnwandig und nur an einigen Stellen durch Knoten verdickt. Die Bilder sind Schwarz-weiß, da sie durch einen Elektronenstrahl und nicht durch einen Lichtstrahl entstehen. Quelle: Foto: Dr, T. Wesener, ZFMK, Bonn (idw)

Der Kurator für Tausendfüßer des Zoologischen Forschungsmuseums Alexander Koenig (ZFMK), Dr. Thomas Wesener, staunte nicht schlecht, als er im Januar eine E-Mail mit Bildern aus Brasilien erhielt. Die Forscher der Arbeitsgruppe 'Unterirdische Zoologie' (Höhlenökologie) der Universität Lavras in Minas Gerais (UFLA), Dr. Rodrigo Lopes Ferreira und sein Student Luiz Felipe Moretti Iniesta, hatten in einer Höhle in Brasilien merkwürdige Tausendfüßer photographiert, die sie nicht zuordnen konnten. Die Photos zeigten weiße, durchsichtige Tausendfüßer (siehe Bild 1) einer sehr seltenen, ursprünglichen und nur von wenigen Arten bekannten Tausendfüßergruppe (Glomeridesmida), welche es nach bisherigem Kenntnisstand eigentlich in Brasilien gar nicht hätte geben dürfen. Die Tiere sind so selten, dass die zugesandten Aufnahmen die ersten Lebendaufnahmen von einem Vertreter der Gruppe darstellen.

Glücklicherweise hatten die Höhlenforscher einige der gläsernen wirkenden Tiere nicht nur beobachtet sondern auch konserviert, so dass einige Tausendfüßer bald auf dem Weg ans Forschungsmuseum Koenig in Deutschland zum Tausendfüßerforscher Wesener waren. „Schnell stellte sich heraus, dass es sich um eine neue, noch unbeschriebene, für die Ordnung Glomeridesmida mit einer Länge von 10 Millimetern ungewöhnlich große Art handelt,“ erläutert Wesener und fährt fort: „Trotzdem erfolgte die Beschreibung aufgrund der absolut gesehen dann doch wieder kleinen Größe der Art mit Hilfe moderner rasterelektronenmikroskopischer Aufnahmen.“

In Anpassung and das offenbar geschützte Höhlenleben ist die schützende Kalkrüstung dieser Tausendfüßer so sehr reduziert, dass die Tiere gläsern-durchsichtig erscheinen. So konnten erstmalig auch ihre interne Anatomie wie der Verlauf des Darmkanals oder die Eier untersucht werden. Diese Art lebt ausschließlich in Höhlen, genauer nur in einem bestimmten Höhlengebiet in Brasilien.

Die Höhlen, in denen die Tiere vorkommen, befanden sich ursprünglich im brasilianischen Regenwald. Dieser ist durch die Landnutzung durch den Menschen über den Höhlen in Ackerland umgewandelt worden. Jetzt drohte auch den bislang geschützt in Höhlen lebenden Arten Gefahr: Bis 2008 waren in Brasilien alle Höhlen geschützt, seitdem können Höhlen zum Beispiel für Bergbautätigkeiten zerstört werden, falls es dort keine nur dort vorkommenden (endemischen) Tierarten gibt. Genau solch ein Bergbauvorhaben findet in direkter Nähe des vom Höhlentausendfüßer bewohnten Gebiets statt. Die Höhlen, in denen die Tiere vorkommen, sind nämlich keine normalen Höhlen, sondern spezielle 'Eisenerzhöhlen'. Anhand von Satellitenbildern lässt sich deutlich der negative Einfluss der Bergbauvorhaben zwischen 2006 (als die Höhlen noch geschützt waren) und 2012 (Vier Jahre nach Aufhebung des Schutzstatus) erkennen.

„Man sieht, wie wichtig die Arbeit der Taxonomen, der Spezialisten mit Artenkenntnis, für den Erhalt der Biodiversität auf der Erde ist“ erläutert Prof. Dr. Wolfgang Wägele, Direktor des Museum Koenig, die Bedeutung der Arbeit an seinem Institut. „Die Forscher aus Deutschland und Brasilien mussten schnell an der Beschreibung der neuen Art arbeiten, denn erst mit der jetzt erfolgten Publikation kann der bedrohte Höhlenlebensraum offiziell unter Schutz gestellt

werden“ ergänzt Wesener und macht damit den Zeitdruck deutlich, unter dem die Wissenschaftler für die Forschung im Sinne Naturschutzes standen. Aufgrund der schnell voranschreitenden Bergbautätigkeit lässt sich erkennen, dass die schnelle Beschreibung nach der zufälligen Entdeckung dieser einmaligen, ursprünglichen, durchsichtigen Tausendfüßerart unbedingt erforderlich war, weil diese sonst wohl in den nächsten fünf Jahren ausgestorben wäre.

In der Zukunft sollen auch die Gene des Ur-Tausendfüßers untersucht werden, da den Forschern jetzt erstmalig geeignetes Tiermaterial vorliegt, welches eine genetische Untersuchung dieser ursprünglichen Tiergruppe erlaubt. Weiterhin warten noch weitere brasilianische Höhlentausendfüßer auf ihre Beschreibung.

Die Glomeridesmida gehören zu den ältesten Landlebewesen und ursprünglichsten Tausendfüßern, bewohnen die Erde also bereits seit 350-400 Millionen Jahren. Jetzt sind die Tiere lebende Relikte, nur noch 31 Arten sind bekannt, weitverstreut und isoliert über die ganze Erde: Mittelamerika, die Karibik, Indien und Indonesien. Die letzte neue Glomeridesmidenart wurde 1975 entdeckt und beschrieben.

Link zur Karte des Vorkommens, mit eingezeichnetem Bergbaugebiet: https://maps.google.de/maps/ms?msid=202341165093589879967.0004ce87af0fd49db3c6b&...

Quelle: Zoologisches Forschungsinstitut und Museum Alexander Koenig (idw)

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