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Global gaffen mit Google

Archivmeldung vom 13.08.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 13.08.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Oliver Randak

Hausbrand im Internet: Für Googles Karten-Bilderdienst Street View fotografieren kamerabewehrte Autos alles, woran sie vorbeikommen. Und sei es ein brennendes Einfamilienhaus samt Löschzug und gaffender Nachbarn.

Sherwood ist ein kleiner Vorort von Little Rock, der Hauptstadt des US-Bundesstaats Arkansas. Dort stehen niedrige Einfamilienhäuser mit großen Garagen, Kinder fahren mit dem Roller auf der Straße, es gibt viel Grün. Irgendwann dieses Jahr fuhr dort der Fotowagen von Googles Straßenknipsprojekt Street View vorbei - während ein Haus abbrannte.

Googles Fotolaster dokumentieren alles, was ihnen vor die Linse kommt - auch privates Unglück. Vor kurzem traf es einen jungen Australier, der nach der Beerdigung eines Freundes betrunken am Straßenrand eingeschlafen war, nun eben Hausbesitzer im Pech.

Die Feuerwehr löschte, die Nachbarn sahen zu, die Polizei war auch da. Alles online zu sehen, nur die Gesichter sind unkenntlich gemacht. Ein Blogger - vermutlich vom US-Blog "Neatorama" machte einen Screenshot des brennenden Hauses und stellte ihn online. Nun sind die bemitleidenswerten Besitzer des ausgebrannten Gebäudes in den USA ein landesweites Gesprächsthema.

Eine ganze Reihe von Blogs griffen das "da brennt ein Haus"-Thema auf - schließlich handelt es sich um eines der ältesten Nachbarschaftsgesprächsthemen der Menschheit. Ein Feuer bringt die Menschen einander näher, und sei es eines in tausend Kilometern Entfernung. Hauptsache man sieht gut. Das Beispiel zeigt, dass Google mit Street View, das ja eigentlich eine Erweiterung des Kartendienstes Google Maps ist, keineswegs nur Orte abbildet - jedes einzelne Panoramabild dokumentiert auch einen Zeitpunkt, friert ein Stückchen Zeitgeschichte ein, und sei sie noch so belanglos. Das galt auch schon für die Satellitenbilder in Google Earth, auf denen gelegentlich Brände, Sandstürme oder ziehende Viehherden zu sehen sind - aber Street View erzeugt Schnappschüsse vom Alltag, vom Privatleben der Menschen.

Wann ruft die Versicherung an? Und wo?

"Verdammt, der Löschwasserhydrant ist weit weg (folgt dem Schlauch)", schrieb ein Kommentator bei "Valleywag", andere prophezeiten baldige Anrufe von Versicherungsgesellschaften (man fragt sich nur, wo), und ein Zyniker merkte bei "Neatorama" an: "Na und? Wartet, bis es Street View Kalkutta gibt, dann könnt ihr Leuten am Straßenrand beim Sterben zusehen."

Nach dem ersten Blog-Sturm wurde ein Bild aus der Umgebung des brennenden Hauses entfernt - die gesamte restliche Nachbarschaft ist aber weiterhin virtuell durchwanderbar. Selbst in einer Entfernung von einigen Straßenzügen ist die dunkle Rauchsäule immer noch deutlich zu erkennen. Faszinierend und gleichzeitig höchst beunruhigend: Das digitale Sherwood ist durch den Brand viel interessanter, als vergleichbare Ortschaftsabbilder. Auch deshalb, weil viel mehr Passanten auf der Straße sind.

Das Bild sei vermutlich nicht wegen des Feuers entfernt worden, sagt Google-Sprecher Stephan Keuchel auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE: "Die Vermutung liegt nahe, dass ein Nutzer den Wunsch geäußert hat, dieses Bild aus Street View zu entfernen, und selbstverständlich sind wir diesem Wunsch nachgekommen."

Peinliche oder kompromittierende Fotofundstücke

Die Anwendung bietet über den Help-Button die Möglichkeit, Bilder zu melden, die man als "unpassend" empfindet. Die Begründungen reichen von "ich bin auf dem Bild selbst zu sehen" bis hin zu "beleidigenden Inhalten" - gemeint sind in erster Linie Bilder von unbekleideten Menschen.

Längst gibt es Street-View-Web-Projekte, in denen nichts anderes geschieht als dass die Nutzer mehr oder minder interessante, erheiternde oder peinliche Fotofundstücke sammeln und kommentieren.

Die Kritiker von Street View jedenfalls werden den sauber dokumentierten Hausbrand als neuerlichen Beleg für die Privatsphärenprobleme durch das Angebot sehen. Und diese Kritiker sind zahlreich: In Großbritannien haben Datenschützer bereits gedroht, Google bei der nationalen Datenschutzbehörde des Vereinigten Königreichs anzuschwärzen, wenn erkennbare Privatpersonen in den Bildern auftauchen sollten.

Ein Ehepaar aus dem US-Staat Pennsylvania hat gegen Google geklagt, weil es den Besuch des Street-View-Wagens auf seinem Grund und Boden als Bruch seiner Privatsphäre empfand. Und das Städtchen North Oaks in Minnesota verpflichtete Google, alle Bilder des Ortes wieder zu entfernen.

Die Gesichter von abgelichteten Personen werden von Google schon seit einiger Zeit gepixelt - was aber nicht immer hundertprozentig funktioniert und auch nicht notwendigerweise reicht, um jemanden wirklich unkenntlich zu machen. Das musste beispielsweise ein junger Australier vor kurzem feststellen, den der Street-View-Van im Gras schlafend erwischte: vor seinem eigenen Haus, volltrunken nach der Beerdigung eines Freundes. Das Bild wurde inzwischen entfernt.

Seit Juli kann man sich übrigens auch in Deutschland erwischen lassen: In Frankfurt am Main, München und Berlin sind die Street-View-Kameraautos seitdem unterwegs.

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