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Stammt Russland von der Ukraine ab?

Archivmeldung vom 21.03.2019

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.03.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Helga Ewert / pixelio.de
Bild: Helga Ewert / pixelio.de

Russland und Weißrussland sollen ihre Entstehung als Staaten der Abtrennung von der Ukraine als der „Erbin der Kiewer Rus“ verdanken. Das behaupten zumindest ukrainische Spitzenpolitiker in ihren Artikeln. In einem Sputnik-Gespräch sagt der prominente Historiker Manfred Hildermeier, was er von der Behauptung hält.

Liudmila Kotlyarova schreibt in ihrem Beitrag weiter: "„Die Ukraine-Rus hatte nicht nur Privilegien vom Christentum erhalten, sondern auch der Kirche Christi, Europa und der ganzen Welt viel gegeben. Nach der Taufe der Rus in Kiew breitete sich das Christentum auf die verbliebenen ostslawischen Stämme nördlich und östlich der Kiewer Rus aus, wo einige Jahrhunderte später das heutige Weißrussland und Russland entstanden“, hat kürzlich der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin in einem Artikel für die spanischsprachige Zeitung „Observador“ geschrieben. Er nannte die Ukraine außerdem „die Erbin der Kiewer Rus“ und führte die Entstehung Russlands damit auf die „Abtrennung von der Ukraine“ zurück.

„Dies zu glauben wäre so, als würde man behaupten, Deutschland stamme vom fränkischen Reich Karls des Großen ab. Es hat im frühen und hohen Mittelalter gar keine Ukraine gegeben“, kommentiert Manfred Hildermeier, renommierter Historiker und Buchautor, gegenüber Sputnik. Seine Forschungsschwerpunkte sind die russische Geschichte des 17. bis 20. Jahrhunderts und die Geschichte der Sowjetunion, aber auch das Mittelalter.

„Die Ukraine bildete sich seit dem 14. Jahrhundert als südwestlicher Randbezirk des Moskauer Reiches im Übergang zu Polen-Litauen und dem Gebiet der Krimtataren“, sagt Hildermeier weiter. Letzteres sei damals noch größer gewesen, habe über das Schwarze Meer nach Norden hinausgereicht, mit den Kosaken als einer Art von Grenzbauern und Grenzkriegern. Im Laufe von zwei Jahrhunderten sei dann die Ukraine als eine eigene Region entstanden. „Diese Region hat sich dann im 17. Jahrhundert in einen östlichen Teil, der sich dem Zarenreich anschloss und religiös und sprachlich russisch war, und in einen westlichen Teil, der zu Polen-Litauen gehörte und immer stärker westlich orientiert war, gespalten. Diese Art von Spaltung ist bis heute noch ein großes Problem der Ukraine“, sagt der Experte.

Richtig an der Geschichte Pawel Klimkins sei nur, dass die ukrainische Geschichte genauso wie die Russlands im Kiewer Reich im 9. Jahrhundert begonnen habe, wo am Ende des 10. Jahrhunderts dann die bekannte Taufe zum orthodoxen Christentum stattgefunden habe, betont der Historiker. Seit dem 13. Jahrhundert habe es einen Neuanfang in Zentralrussland gegeben, verursacht durch eine Migration der Bevölkerung nach Norden und die Verlagerung der großfürstlichen Residenz nach Wladimir und Susdal 1157.

Klimkin betonte unter anderem das „historische Trauma“ der Ukraine als Teil der Sowjetunion. Hat denn Moskau die ukrainische Staatlichkeit in den Zeiten der Sowjetunion so stark eingeschränkt? Darauf entgegnet Hildermeier: „Die Ukraine im Sinne des großen Flächenstaates  ist eigentlich erst nach dem Bürgerkrieg 1922 begründet worden als Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik und Teil der neuen Sowjetunion“. Die Ukraine in einem regionalen Sinne sei immer weiter westlich und südlich von Kiew und dem Dnepr-Knie gelegen und nicht so groß gewesen. Sie habe die östlichen Gebiete wie Donezk oder Lugansk nicht umfasst. Die Ukraine umfasste „auch nicht die Region am Nordrand des Schwarzen Meeres, die seit der Eroberung des Tataren-Khanats im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts als Noworossija oder Neurussland bekannt war“.

Auch die Krim sei historisch gesehen tatarisch-russisch gewesen, so der Historiker, sei als Kern des letzten Tatarenkanats nach der Einverleibung 1783 dann russisch besiedelt worden, wobei Katharina II. die tatarische Bevölkerung anerkannte und sogar ihren Adel integrierte; erst Stalin hat sie sogar deportiert. „Ukrainisch im historisch-regionalen Sinn ist die Krim nie gewesen“, so Hildermeier weiter. „Nikita Chruschtschow konnte die Krim 1954 in Erinnerung an den Vertrag von Perejaslaw 1654, als die Ostukraine sich dem Zarenreich anschloss, einfach der Ukraine schenken, weil die Politik ohnehin in Moskau bestimmt wurde.“

„Terroristen wie Stepan Bandera sollte man nicht unbedingt zum Nationalhelden machen“

Laut Horst Teltschik, Berater des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl, liegt einer der großen Fehler des Westens darin, dass die Europäer und die Amerikaner die besondere Verbindung zwischen Russland und der Ukraine nicht berücksichtigt hatten. Ob der Historiker Hildermeier da zustimmen würde?

„Man hätte das bedenken sollen und vielleicht in der einen oder der anderen Form regulieren sollen“, sagt er. „Man darf aber auch nicht vergessen, dass die staatliche Verselbstständigung der Ukraine 1991 von der Ukraine, Boris Jelzin und Weißrussland ausging, die die Sowjetunion praktisch auflösten. Das war eine Bewegung aus der zerfallenden Sowjetunion heraus. Es ist nicht von außen gesteuert worden.“

Ob Hildermeier keine gefährlichen nationalistischen Tendenzen in der Ukraine sieht, die zugleich mit dem Versuch entstehen, die eigene Geschichte zu konstruieren? „Alle neuen Staaten“, merkt Hildermeier dazu an, „haben eine ausgeprägte nationalistische Tendenz“, auch Russland sowohl in den 90ern als auch besonders unter Wladimir Putin. Er sehe keine nachlesbare Diskriminierung der russischen Sprache oder derjenigen in der Ostukraine, die sich immer noch mit Russland verbunden fühle. Ob er selbst die Verkündung des umstrittenen Nationalisten Stepan Bandera zum Nationalhelden für sinnvoll hält? „Terroristen wie Bandera sollte man nicht unbedingt zum Nationalhelden machen. Es war auch ein Fehler, ihm ein Denkmal im Westen der Ukraine zu setzen. Bandera eignet sich sicher nicht als Leitfigur eines neuen ukrainischen Staates“, merkt der Historiker an.

Der ukrainische Nationalist Stepan Bandera war unter anderem als ein bekennender Antisemit und NS-Kollaborateur bekannt. Die Region Lwiw begeht das Jahr 2019 übrigens als Bandera-Jahr."

Quelle: Sputnik (Deutschland)

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