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Wichtiges Urteil für die Meinungsfreiheit: Daimler Anwalt Schertz scheitert erneut in der Drohbrief-Affäre

Archivmeldung vom 15.12.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.12.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Tony Hegewald / pixelio.de
Bild: Tony Hegewald / pixelio.de

DUH darf ein Drohschreiben im Auftrag der Daimler AG zu recht veröffentlichen, mit dem der Stuttgarter Autobauer versucht hatte, die Veröffentlichung von Diesel-Abgastests bzw. deren Bewertung zu behindern - Landgericht Hamburg weist die Klage von Daimler-Anwalt Christian Schertz gegen die DUH ab - Kernsatz der Urteilsbegründung: "Es kann nicht angehen, einem Verein, der sich in die öffentliche Meinungsbildung einbringt, bestimmte Berichte zu verbieten und ihm gleichzeitig zu untersagen, den Anlass des von ihm verlangten Schweigens zu veröffentlichen"

Das Landgericht Hamburg hat am 8.12.2016 im Rechtsstreit zwischen dem Anwalt der Daimler AG, Christian Schertz, und der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zugunsten der Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation entschieden (Az.: 310 O 124/16). Das Gericht bestätigte damit im Ergebnis die Entscheidung des Landgerichts Berlin, das im Einstweiligen Verfügungsverfahren bereits am 12.4.2016 eine zugunsten von Herrn Schertz erlassene Einstweilige Verfügung vom 15.01.2016 wieder aufgehoben hatte.

"Die Entscheidung des Hamburger Landgerichts stärkt den Verbraucherschutz in Deutschland und enthält wichtige und grundsätzliche Aussagen zur Presse- und Meinungsfreiheit. Sie erleichtert zudem entscheidend die weitere Aufklärung des Diesel-Abgasskandals, für den sich nicht nur Volkswagen, sondern auch andere Autokonzerne zu verantworten haben. Daimler hat versucht, die DUH mit massiven Drohungen in der Aufklärung der Abgasmanipulationen beim Stuttgarter Autokonzern zu behindern - und ist damit gescheitert", erklärt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.

Anlass für den Rechtsstreit war ein Schreiben von Medienanwalt Christian Schertz im Auftrag der Daimler AG am Vortag einer angekündigten Pressekonferenz, bei der die DUH Ergebnisse von Abgastests u. a. einer Mercedes C-Klasse (200 CDI) veröffentlichte, die auf die Verwendung von 'Abschalteinrichtungen' in der Abgasreinigung hindeuteten.

Wörtlich hieß es in diesem Drohschreiben vom 15.12.2015: "Sollte durch ihre Öffentlichkeitsarbeit ein anderer Eindruck entstehen bzw. sollten Sie weiterhin auch nur irgendwie die Behauptung aufstellen, dass meine Mandantin Abgaswerte manipuliert habe, werden wir mit aller gebotenen Nachhaltigkeit gegen Sie vorgehen und Sie insbesondere für jeden wirtschaftlichen Schaden, der meiner Mandantin dadurch entsteht, haftbar machen." Im letzten Satz forderte Daimler Anwalt Schertz die Geheimhaltung dieses Drohbriefes: "Dieses Schreiben ist ausschließlich zur presserechtlichen Interessenvertretung und nicht zur Veröffentlichung bestimmt. Sollte es vollständig oder in Teilen dennoch veröffentlicht werden, werde ich hiergegen gesonderte rechtliche Schritte einzuleiten haben."

In der am 13.12.2016 eingegangenen Urteilsbegründung findet sich die klare Aussage, dass das Veröffentlichungsinteresse der DUH den Interessen des Daimler Anwalts an der Nichtveröffentlichung des Schreibens vorgeht. Das Gericht betont das hohe Informationsinteresse der Öffentlichkeit am Abgasskandal und damit auch an der Frage, wie betroffene Automobilhersteller mit dem Thema umgehen und auf die Aufklärungsarbeit reagieren. Die Entscheidung weist über den konkreten Fall hinaus und dürfte - sollten sie Rechtskraft erlangen oder bestätigt werden - derartige Einschüchterungsversuche von Wirtschaftsunternehmen gegenüber Verbraucherschutzverbänden zukünftig erschweren (zum Urteil: http://l.duh.de/p141216 ).

"Das Gericht hat eindeutig im Sinne der freien Rede entschieden. Dem Bestreben, als Unternehmen den Einschüchterungsversuch durch ein zur Verhinderung unliebsamer Medienberichte versandtes anwaltliches Drohschreiben geheim zu halten, hat es eine klare Absage erteilt", sagt Christine Danziger, die die DUH in dem Verfahren vertrat.

Hintergrund:

Die DUH hatte am 15.12.2015 zu einer Pressekonferenz für den darauffolgenden Tag eingeladen, während der sie unter anderem neue Abgasmessungen einer Mercedes C-Klasse vorstellen wollte. Wenige Stunden nach Versand der Einladung zur Pressekonferenz erhielt die DUH ein Schreiben von Rechtsanwalt Christian Schertz, der darin die medien- und presserechtliche Vertretung der Daimler AG anzeigte. In dem Dokument drohte der Anwalt der DUH mit rechtlichen Schritten, sollte die Organisation das Schreiben veröffentlichen. Die DUH veröffentlichte sowohl die Abgasmessergebnisse als auch das Dokument, auch um die Einschüchterungsversuche öffentlich zu machen.

Der im Drohbrief erwähnte Fernsehsender war das ZDF. Trotz vorangegangener massiver Bedrohungen und Versuche, die Ausstrahlung zu verhindern, strahlte Frontal21 am Vorabend der DUH-Pressekonferenz einen TV-Beitrag zu den Abgasmessungen aus. Und trotz der massiven Drohungen von Daimler entschied sich auch die DUH für die Veröffentlichung der Abgasmessergebnisse sowie der Hinweise auf vermutete Abschalteinrichtungen. Außerdem veröffentlichte die DUH das Drohschreiben, auch um zu dokumentieren, unter welchem Druck die DUH ihre Aufklärungsarbeit leisten muss.

Daimler-Rechtsanwalt Schertz erwirkte daraufhin eine Einstweilige Verfügung gegen die DUH; die Veröffentlichung und Verbreitung des Drohbriefes war der DUH danach unter Androhung von bis zu 250.000 Euro Ordnungsgeld bzw. sechs Monaten Ordnungshaft untersagt. Auf der mündlichen Verhandlung hob das Landgericht Berlin die Einstweilige Verfügung drei Monate später, am 12.4.2016, wieder auf. Christian Schertz klagte anschließend vor dem Landgericht Hamburg wegen angeblicher Verletzung seines Urheberrechts und seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die Veröffentlichung. Die Klage wurde am 8.12.2016 abgewiesen.

Wesentliche Aussagen aus dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 8.12.2016:

"Jedenfalls die beiden letzten Sätze des Textes sind nicht ausreichend individuell gestaltet, um Urheberrechtsschutz zu genießen. Der Aufbau (jedenfalls) dieses Teils des Textes ist nicht originell. Die Wortwahl ist rein sachlich und durch die Zielsetzung vorgegeben. ... Die Veröffentlichungen durch den Beklagten sind aber durch § 50 UrhG gerechtfertigt." (S. 8)

"Die tatsächlichen Begebenheiten, über die ... durch den Beklagten berichtet wurde, sind für die Allgemeinheit zur Zeit der Veröffentlichung von Interesse gewesen. Berichtet wurde über die Feststellung stark erhöhter Stickoxid-Emissionen bei einem getesteten Mercedes und den Umgang von Politik und Herstellern mit diesem Thema." (S.9)

"Der Verdacht der Nichteinhaltung von Emissionswerten (oder gar deren Manipulation für Testsituationen) war für die Öffentlichkeit von Interesse. Gleiches gilt für die (damit ersichtlich im Zusammenhang stehende) Frage, wie betroffene Hersteller mit dem Thema umgehen. So auch für den Umstand, dass die Daimler AG ohne Kenntnis der Ergebnisse der in der Schweiz durchgeführten Abgasmessungen bereits vorsorglich - unter bestimmten Voraussetzungen - juristische Konsequenzen in Aussicht stellte..." (S.9)

"Zunächst ist festzuhalten, dass eine Tatsachenbehauptung, nicht hingegen eine Meinungsäußerung, vorliegt. Auch sind die veröffentlichten Tatsachen wahr. Wahre Tatsachenbehauptungen sind grundsätzlich hinzunehmen." (S.11)

"Gegenstand der Veröffentlichung des Beklagten war ein Thema, das in der Öffentlichkeit zur Zeit der Veröffentlichung von hohem Interesse war. Bedeutend war in diesem Zusammenhang auch, wie betroffene Automobilhersteller mit dem Thema umgehen. Insoweit kam dem Bericht, dass die Daimler AG über ihren Rechtsanwalt, den Kläger, bereits vor Veröffentlichung der Testergebnisse unter bestimmten Voraussetzungen juristische Konsequenzen androhte, erhebliche Bedeutung zu. Es kann nicht angehen, einem Verein, der sich im Bereich der öffentlichen Meinungsbildung einbringt, bestimmte Berichte zu verbieten und ihm gleichzeitig zu untersagen, den Anlass des von ihm verlangten Schweigens nicht zu veröffentlichen. Auch ist zu berücksichtigen, dass sich das veröffentlichte Schreiben des Klägers nicht auf die Auseinandersetzung zweier (unbekannter) Privatpersonen, z. B. im Rahmen eines Nachbarschaftsstreits, bezog. Es wurde vielmehr namens eines weltweit tätigen Großkonzerns erstellt und verschickt." (S. 11)

Links:

Schreiben von Christian Schertz an die DUH vom 15.12.2015: http://l.duh.de/p141216 Urteil vom 8.12.2016: http://l.duh.de/p141216

Quelle: Deutsche Umwelthilfe e.V. (ots)

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