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CDU-Präsidiumsmitglied Bernd Althusmann setzt auf neuen Kurs nach Merkels Rückzug aus der CDU-Spitze und fordert Einbindung von Merz

Archivmeldung vom 20.12.2018

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.12.2018 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Bernd Althusmann (2016)
Bernd Althusmann (2016)

Von CDU-Nds - Eigenes Werk, CC-BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=52409468

Der Dreikampf um die Merkel-Nachfolge an der Spitze der CDU hatte für die Partei etwas Berauschendes. Zahlreiche Neueintritte und eine lange verschüttete Debattenkultur sorgten für Euphorie - auch beim ins Präsidium eingezogenen niedersächsischen CDU-Chef Bernd Althusmann. Doch zumindest die Konservativen in der Partei spüren einen Kater.

Im Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" brachte sich der im Kampf um den Vorsitz unterlegene Friedrich Merz für ein Ministeramt ins Gespräch - und blitzte bei Merkel ab. Bernd Althusmann erinnert nun im "LZ-Interview der Woche" daran, wie knapp die Entscheidung zwischen Annegret Kramp-Karrenbauer und Merz war, und mahnt, dass Merz "stärker in die Partei eingebunden werden müsse". Das "ehrliche Ergebnis" von Hamburg solle die CDU zum Anlass nehmen, "den Flügeln der Partei mehr Gehör zu verschaffen und klare Positionen zu beziehen".

In der CDU war während der Kandidatenkür eine wachsende Begeisterung zu spüren. Wird diese Euphorie auch bei den Wählern wirken?

Bernd Althusmann: Der Funke wird hoffentlich überspringen. Der Schwung, der die Partei in den letzten Wochen erfasst hat, wird weitertragen. Wir erleben derzeit eine Aufbruchsstimmung, die wir seit einigen Jahren so nicht hatten. Etwas überspitzt formuliert: Angela Merkel war über viele Jahre quasi unser Programm. Nun hat es eine Zäsur gegeben, in deren Folge die CDU auf allen Ebenen in einer ganz neuen Art und Weise miteinander debattiert hat. Das war quasi ein wieder erwachtes, neues Lebensgefühl für viele in der CDU. Es tat uns allen - auch mir persönlich - sehr gut.

Sollte die Partei die neuen Elemente wie Dialogformate und Regionalkonferenzen dauerhaft übernehmen?

Unbedingt. Es ist für eine lebendige Partei enorm wichtig, wenn sie sich stetig der Debatte mit tausenden Mitgliedern stellt, nicht zuletzt werden die Parteiziele im Feuer der inhaltlichen Nachfragen gehärtet und sehr konkret. Dabei gilt es auch, die neuen Medien einzusetzen, um bei interessierten Bürgern die Lust auf Mehr zu wecken. Meine Lust auf CDU ist jedenfalls in den vergangenen Wochen weiter gestiegen. Auch, weil wir sehr viele junge Menschen bewegen konnten, sich an den Debatten zu beteiligen. Wir haben europaweit mit der Jungen Union nicht nur die größte Jugendorganisation Europas, sondern haben bewiesen, dass wir die letzte verbliebene Volkspartei sind. Was wurde nicht alles über die Erosion der Volksparteien geschrieben. Für die CDU wird dies aus meiner Sicht nicht gelten. Die letzten Wochen haben das Gegenteil bewiesen. Rund 1800 Neumitglieder sind im Zuge der bundesweiten Regionalkonferenzen eingetreten.

In den Wahlgängen zeigten sich zwei nahezu gleich starke Lager, die man grob vielleicht so skizzieren könnte: Die einen wollen die Ära Merkel fortführen, die anderen sie überwinden. Muss Annegret Kramp-Karrenbauer da einen unmöglichen Spagat absolvieren?

Annegret Kramp-Karrenbauer wird eigene Schwerpunkte setzen. Im Gegensatz zur SPD haben wir gute Erfahrungen mit Saarländern gemacht. Ich bin davon überzeugt, dass sie sich in Kurs und Inhalten der Partei auch vom bisherigen Kurs absetzen wird. Einige Punkte hat sie bereits benannt, von der doppelten Staatsbürgerschaft über die jetzt auf den Weg zu bringende Abschaffung des Solidaritätszuschlags bis hin zum Ausländerrecht. Man sollte Annegret Kramp-Karrenbauer nicht unterschätzen. Sie ist eine Brückenbauerin, die in die Partei hinein, aber auch außerhalb wirken wird. Insofern kann ich mit dieser Wahl gut leben, auch wenn ich glaube, dass es in der niedersächsischen CDU womöglich eine leichte Mehrheit für Friedrich Merz gegeben hat. Das Signal des knappen Wahlergebnisses in Hamburg heißt aus meiner Sicht, dass wir nun Friedrich Merz stärker in die Partei einbinden müssen - auf welchem Weg, das muss die Bundesvorsitzende entscheiden.

Also reicht der Aufstieg von Paul Ziemiak zum neuen Generalsekretär, der beim Parteitag "viele Enttäuschte" erkannt hatte, und Jens Spahn im Präsidium nicht, um die Konservativen in der Partei einzubinden?

Wir sollten dieses ehrliche Ergebnis des Hamburger Parteitags mit einem Stimmenvorsprung von gerade einmal 35 Stimmen ernst nehmen und nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Es muss der CDU insgesamt besser gelingen, den Flügeln der Partei Gehör zu verschaffen und sie einzubinden. Es darf nicht vieles hinter manchmal recht allgemeinen Aussagen verschwinden. Das Erfolgsrezept für die Zukunft lautet: Gut regieren und gleichzeitig klare Positionen beziehen, die die Bürger auch verstehen können. Politik darf konfliktreich sein, wenn es um Inhalte und nicht nur um Eitelkeiten geht, wie etwa beim Streit um Hans-Georg Maaßen oder zwischen den Unionsgeschwistern im Sommer. Die SPD hadert noch heute mit der Agenda 2010. Wird Merkels Entscheidung vom Sommer 2015, die auf der Balkanroute gestrandeten Flüchtlinge einreisen zu lassen, ein ähnlicher Stachel im Fleische der Union werden? Die Bewältigung der Flüchtlingskrise bleibt eine große Herausforderung für die Bundesregierung, aber ebenso für die Länder und Kommunen. Dabei müssen wir eingestehen, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern nicht ausreichend deutlich gesagt haben, wie wir die Flüchtlingskrise bewältigen können. Viele Menschen haben sich mit ihren Sorgen alleine gefühlt. Klar ist, dass wir zu Humanität und Schutz gegenüber Menschen, die vor Krieg und Terror fliehen, schon aufgrund der deutschen Geschichte verpflichtet sind. Zudem gilt aber mit Blick auf die Erwartungen der Bevölkerung auch, dass wir eine klare Ordnung im Aufenthaltsrecht benötigen. Das betrifft die Anerkennung von Schutzsuchenden, aber auch die Abschiebung von solchen ohne Bleibeperspektive.

Wird in der CDU künftig eher die Leitkultur betont werden als das "Wir schaffen das"?

Man sollte den Begriff Leitkultur nicht überfrachten, aber wir sollten uns tatsächlich stärker ins Gedächtnis rufen, was die deutsche Gesellschaft eigentlich zusammenhält, welche Werte uns wichtig sind. Sich seiner eigenen Identität zu vergewissern, gehört zur Demokratie in Deutschland. Und diese Demokratie und der heute erreichte Wohlstand unseres Landes sind es allemal wert, sich dafür mit ganzer Kraft einzusetzen.

Werden ehemalige CDU- und jetzige AfD-Wähler allein deshalb zurückkehren, weil die Frau, die für den sogenannten Kontrollverlust von 2015 steht, ihre letzten Runden dreht?

Wir haben alle Chancen, einen erheblichen Teil an Unzufriedenen für die CDU zurückzugewinnen, wenn wir eine sehr stringente, konsequente, aber auch dem Humanitären verpflichtete Politik machen. Diese sollte vor allem daraufsetzen, dass die Menschen in ihren Heimatländern bleiben können, weil sie dort Perspektiven haben. Dass die AfD Ängste schürt, ist unbestritten. Das erlaubt uns aber nicht, reflexhaft abwehrend zu agieren. Wir müssen stattdessen die leicht widerlegbaren Argumente der AfD als das entlarven, was sie oft sind: Worthülsen. Ich wünsche mir dennoch einen respektvollen Umgang aller Parteien miteinander. Ein bloßes Hickhack hilft niemandem.

Aber nun geht die AfD nicht gerade respektvoll mit Ihnen um...

... das ist unzweifelhaft richtig. Aber wir werden die AfD eher durch eine klare, sachliche Auseinandersetzung entzaubern als dass wir mit gleicher Münze heimzahlen. Es wird nicht reichen, die Partei in die rechtsextreme Ecke zu stellen. Vielmehr müssen wir den Menschen in unserem Land wieder stärker das Gefühl geben, dass sie nicht vergessen wurden, dass etwa die ländlichen Räume nicht z.B. verkehrstechnisch abgehängt sind. Wir müssen den Menschen, die durch Strukturwandel und Umbrüche in Schwierigkeiten geraten sind, Perspektiven vermitteln. Deshalb muss die CDU künftig bestimmten Zukunftsthemen mehr Raum geben. Etwa einen guten Weg zwischen Ökonomie und Ökologie zu finden, um dem Umwelt- und Klimaschutz Rechnung zu tragen. Ebenso müssen wir uns der technologischen Herausforderung der Digitalisierung stärker widmen und dürfen dabei die Technologien immer nur als Unterstützung und nicht als generellen Ersatz menschlicher Arbeit verstehen.

Merkel gelang als erster im Kanzleramt, einen Nachfolger aufzubauen. Hält sie auch bis 2021 durch, um einen würdevollen Abgang zu erhalten?

Sie hat mit einer unvergleichlichen Haltung und Würde den Parteivorsitz übergeben, dabei sehr souverän über den Zeitpunkt entschieden. Und es obliegt ihr, in einer ebensolchen Würde und Souveränität zu entscheiden, wann sie die Kanzlerschaft übergeben will. Ich gehe im Moment davon aus, dass sie wie angekündigt bis zum Ende der Legislaturperiode im Amt bleiben wird. Sie wird von vielen Bürgern wertgeschätzt und gilt im Ausland als mächtigste Frau der Welt. Wir sind ihr als Partei zu tiefem Dank verpflichtet, viele werden sie noch vermissen. Und dennoch: Jetzt ist eine neue Epoche für die CDU mit Annegret Kramp-Karrenbauer angebrochen.

Wie kann sich AKK profilieren? Sie darf im Bundestag nicht reden.

Es wird in der Tat eine Herausforderung für sie, da sie nicht in der Regierung und nicht im Bundestag sitzt. Zugleich bedeutet dies aber auch eine gewisse Freiheit. Annegret Kramp-Karrenbauer muss nicht die Verantwortung für jede Entscheidung der großen Koalition schultern. Und sie hat ja bereits klar gemacht, dass sie sich mehr Einbindung der Parteispitze in die politischen Entscheidungen der Regierung wünscht. Sie wird ein gewichtiges Wort mitreden. Und das wird auch von ihr erwartet, um das Profil der CDU zu schärfen. Das wird im Übrigen auch der SPD nutzen, eine stärkere Unterscheidbarkeit herzustellen. Da dies im Endeffekt die politischen Ränder links und rechts schwächen wird, sollte eine Prämisse in der großen Koalition bleiben, der SPD Luft zum Atmen zu lassen.

Entscheiden die Europawahlen und drei Landtagswahlen im Osten darüber, ob AKK eine Epoche oder eine Episode wird?

Die Europawahlen haben für die CDU eine hohe Priorität. Es gilt, den Vormarsch der Rechtspopulisten zu verhindern, die Europa auseinandertreiben wollen. Das Chaos, in das Großbritannien derzeit leider abgleitet, zeigt, wie grundlegend wichtig Europa als Friedens-, Stabilitäts- und Wohlstandsversprechen ist. Die Landtagswahlen in den östlichen Bundesländern werden eine direkte Auseinandersetzung mit der AfD bringen. Deshalb wird die CDU in die Wahlkämpfe mit ihrer ganzen Kraft gehen, um die Bürger davon zu überzeugen, dass Rechtspopulismus nicht die Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft ist. Wenn die CDU wieder 35 bis 40 Prozent der Stimmen erhalten will, wird sie dies nicht über akademische Debatten schaffen, sondern über die Lösung konkreter Probleme vor Ort. Bei den Europawahlen und den Landtagswahlen wird entscheidend sein, den Menschen den Mehrwert von Europa zu vermitteln, damit sie nicht Parolen glauben, die dort alles Übel verorten. Ich bin mir zwar sicher, dass wir bei diesen Wahlen gute Ergebnisse erzielen werden, würde sie aber nicht zu einer Abstimmung über die neue Parteiführung erklären. Gute Wahlergebnisse haben immer viele Ursachen, weniger gute ebenso.

Quelle: Landeszeitung Lüneburg (ots) Von Joachim Zießler

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