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Europas erster Raumtransporter "Jules Verne": Schweizer Technologie fliegt zur Internationalen Raumstation

Archivmeldung vom 29.02.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.02.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

In wenigen Tagen wird Europa erstmals ein eigenes unbemanntes Transportraumschiff zur Internationalen Raumstation ISS schicken - das ATV (Automated Transfer Vehicle) "Jules Verne". Das ATV versorgt die Station und ihre Besatzung mit Nahrung, Wasser, Sauerstoff, Treibstoff und wissenschaftlichen Experimenten.

Geplant ist der Start des Raumtransporters für den 8. März, 05:23 Uhr MEZ, vom Europäischen Weltraumbahnhof Kourou, Französisch Guyana. Oerlikon Space war massgeblich an der Entwicklung und am Bau des Weltraumfrachters beteiligt. Das Schweizer Raumfahrtunternehmen lieferte die Struktur für das Antriebsmodul des ATV, die Spezialregale für die Unterbringung der Nutzlasten im Frachtraum sowie den Separationsmechanismus, der "Jules Verne" nach dem Start in 260 Kilometern Höhe von der Rakete abtrennt.

Eine spezielle Version der europäischen Trägerrakete Ariane 5 wird das mehr als 20 Tonnen schwere ATV in den Weltraum bringen. Seit Montag (25. Februar) ist der Raumtransporter an der Spitze der Ariane-Rakete unter einer Nutzlastverkleidung eingekapselt, die ebenfalls von Oerlikon Space geliefert wurde. Diese Nutzlastverkleidung schützt den Weltraumfrachter vor und bei dem Start vor mechanischen Belastungen, Reibungshitze und Verschmutzung. In 260 Kilometern Höhe wird das Frachtraumschiff von der Trägerrakete abgetrennt. Mit seinem eigenen Antriebssystem fliegt der Raumtransporter weiter zur Internationalen Raumstation. Dort soll "Jules Verne" vollautomatisch am russischen Swesda-Modul der ISS andocken.

Einmal mit der ISS verbunden, ist der Raumtransporter ein integraler Bestandteil der Station, und die Astronauten können den Frachtraum des ATV in normaler Kleidung, ohne Raumanzüge, betreten. Rund sechs Monate lang bleibt das Transportschiff an der Raumstation angedockt. Während dieser Zeit entlädt die Besatzung der ISS nach und nach die Vorräte und Experimente. Doch der Weltraumfrachter hat noch eine weitere Funktion: Wegen der Restatmosphäre, die auf der ISS-Umlaufbahn in 400 Kilometern Höhe noch vorhandenen ist, wird die Raumstation im Lauf der Zeit abgebremst und sinkt immer weiter ab. Deshalb wird das angedockte ATV die ISS in regelmässigen Abständen mit dem Schub seiner Triebwerke anheben. Am Ende der ATV-Mission deponieren die Astronauten ihre Abfälle im Frachtraum des Transporters. Dieser dockt schliesslich von der Station ab und fliegt in Richtung Erde zurück. Dabei wird der Kurs so gewählt, dass das ATV in einem steilen Winkel in die Erdatmosphäre eintritt und verglüht.

Oerlikon Space hat eine zentrale Rolle bei der Entwicklung und beim Bau des ATV gespielt: Das Züricher Raumfahrtunternehmen hat die Struktur für das Antriebsmodul des Raumtransporters entwickelt und gebaut. Diese komplexe Aluminiumstruktur ist das Rückgrat, auf dem das ATV aufgebaut ist. Sie umfasst alle Last tragenden Bauteile zur Unterbringung des Antriebs und der Flugsteuerung (Avionik). Zu der Struktur gehört ausserdem eine Ummantelung, die das ATV vor dem Einschlag kleiner Meteoriten und vor Kollisionen mit Weltraumschrott schützt. Am Bau der Struktur sind Unterauftragnehmer aus Deutschland, Spanien und der Schweiz, sowie eine grosse Zahl an Zulieferern beteiligt. Oerlikon hat im Rahmen dieses internationalen Programms seine Fähigkeiten als Systemführer unter Beweis gestellt.

Oerlikon Space hat diese Struktur für Jules Verne bereits vor gut fünf Jahren ausgeliefert. Mehrere Jahre lang wurde das ATV bei ESTEC, dem Weltraumtechnologie-Zentrum der ESA im niederländischen Nordwijk, auf Herz und Nieren getestet. Dabei simulierten die Ingenieure die extremen Belastungen, denen der Raumtransporter auf seiner Reise durch den Weltraum standhalten muss, beispielsweise die Erschütterungen beim Raketenstart sowie die enormen Temperaturschwankungen, denen das ATV im All ausgesetzt sein wird.

Neben der Struktur ist Oerlikon Space auch für die Herstellung von acht Nutzlastschränken, so genannten Racks, verantwortlich. Jedes dieser Cargo Racks wiegt 90 Kilogramm und kann bis zu 750 Kilo Nutzlast aufnehmen. Beim Start müssen die Leichtbaustrukturen der Racks Beschleunigungen standhalten, die der zwölffachen Erdbeschleunigung entsprechen.

Bisher wurden die Versorgungsflüge zur ISS entweder mit dem amerikanischen Space Shuttle oder dem unbemannten russischen Raumtransporter Progress durchgeführt. Weitere Transportfahrzeuge werden dringend benötigt, besonders wenn die Shuttle-Flüge, wie derzeit geplant, im Jahr 2010 eingestellt werden. Das ATV könnte die Lücke schliessen, die durch den Wegfall der amerikanischen Raumfähren entsteht - zumindest was den Frachttransport betrifft. Alle 12 bis 18 Monate soll zukünftig ein ATV mit bis zu neun Tonnen Fracht an Bord zur ISS fliegen. Nach Jules Verne sind mindestens vier weitere ATV-Flüge zur ISS geplant. Sollte die Nutzungsdauer der Raumstation über das Jahr 2017 hinaus ausgeweitet werden, wären weitere Einsätze des europäischen Raumtransporters denkbar. Während "Jules Verne" noch auf seinen Flug zur ISS wartet, arbeiten die Spezialisten von Oerlikon Space bereits am zweiten ATV-Flugmodell. Ein genauer Starttermin für diesen zweiten europäischen Weltraumfrachter steht jedoch noch nicht fest.

Quelle: Oerlikon Space AG

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