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Nasa-Forscher Michael Way: "Es wird eine aufregende Zeit für die Planetenforschung"

Archivmeldung vom 20.10.2021

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.10.2021 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić
Nasa-Forscher Michael Way Bild: Michael Way Fotograf: OHB SE
Nasa-Forscher Michael Way Bild: Michael Way Fotograf: OHB SE

Dr. Michael Joseph Way ist leitender Wissenschaftler am Goddard Institute for Space Studies der NASA. Sein wissenschaftliches Interesse gilt unter anderem der Modellierung von Planetenatmosphären. In den letzten Jahren hat er mehrere Forschungsarbeiten über die Venus und ihre Klimageschichte veröffentlicht.

Im Gespräch mit dem Redaktionsteam von OHB erklärt er, wie sich die kürzlich von der NASA und der ESA angekündigten neuen Venus-Missionen gegenseitig ergänzen und welche wissenschaftlichen Erkenntnisse von ihnen zu erwarten sind.

OHB: In einem Interview, das wir 2019 geführt haben, sagten Sie bereits, dass wir neue Missionen zur Venus brauchen. Haben Sie denn auch damit gerechnet, dass diese schon 2021 tatsächlich zur Umsetzung ausgewählt werden?

Michael Way: Ich glaube, es war für uns alle eine angenehme Überraschung, dass wir drei Missionen bekommen. Die Leute wären bereits mit nur einer Mission überglücklich gewesen; dass wir nun alle drei bekommen, ist also quasi die Kirsche auf dem Sahnehäubchen. Und jede Mission bringt eigene Aspekte ein, während sie sich gleichzeitig auch alle gegenseitig ergänzen. Ich denke, dass es uns umhauen wird, wenn wir diese Daten von der Venus bekommen. Die Leute wären bereits mit nur einer Mission überglücklich gewesen; dass wir nun alle drei bekommen, ist also quasi die Kirsche auf dem Sahnehäubchen.

Waren Sie an der Ausarbeitung der wissenschaftlichen Aspekte der Missionen beteiligt?

Nicht wirklich, leider. Missionsdefinitionen sind nicht wirklich mein Metier, ich bin eher ein Modellierer. Aber unsere Modelle wurden durchaus benutzt, um die Ziele der Missionen zu definieren. Und natürlich ist eines der Ziele all dieser Missionen herauszufinden, ob auf der Venus jemals gemäßigte oder, wie wir es nennen, lebensfreundliche Bedingungen geherrscht haben.

Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse erhoffen Sie sich?

Vom Standpunkt der Modellierung aus betrachtet, bin ich sehr gespannt auf die DAVINCI-Mission, denn diese wird Messungen in-situ, also in der Planetenatmosphäre, vornehmen. Ihre Instrumente werden in der Lage sein, Edelgasisotope und andere Bestandteile der Atmosphäre zu analysieren, darunter auch das Deuterium-Wasserstoff-Verhältnis. Dadurch werden wir die Entwicklungsgeschichte des Planeten viel besser verstehen können und auch eine Vorstellung davon bekommen, wie viel Wasser es einmal auf dem Planeten gegeben hat, wann das Wasser verloren gegangen ist und idealerweise auch über welchen Zeitraum sich dieser Vorgang abgespielt hat. Während DAVINCI durch die Atmosphäre gleitet, wird eine Multibandkamera Bilder von einer dieser interessanten Regionen auf der Venusoberfläche aufnehmen, die wir Tesserae nennen. Diese Aufnahmen sind deshalb so interessant, weil wir damit die von VERITAS und EnVision aus der Umlaufbahn aufgenommenen Daten überprüfen können. Das bedeutet, dass wir in gewisser Weise die Daten von DAVINCI nutzen können, um die Daten von VERITAS und EnVision zu kalibrieren.

Es ist also definitiv von Vorteil, mehrere Raumfahrzeuge gleichzeitig im Einsatz zu haben?

Auf jeden Fall! Und es gibt mindestens zwei weitere Missionen, für die die Chancen nicht schlecht stehen, dass sie fliegen werden. Die eine ist indische Radarmission, die sehr vielversprechend klingt, auch wenn bisher noch nicht viele Informationen darüber veröffentlicht wurden. Und es gibt auch eine russische Mission namens Venera-D, bei der es sich im Grunde um eine verbesserte Version der Vega-Sonde handelt. Wir könnten also in einem Jahrzehnt bis zu fünf Missionen gleichzeitig zur Erforschung der Venus zur Verfügung haben. Das wäre phänomenal!

Wann werden DAVINCI, VERITAS und EnVision die Venus denn erreichen?

Die Venus ist unser nächster Nachbar, man kann innerhalb von sechs Monaten dort hinfliegen. Es würde mich also überraschen, wenn diese Missionen nicht spätestens 2032 in der Venusumlaufbahn oder -im Falle von DAVINCI - in der Venusatmosphäre wären.

Die Venus ist unser nächster Nachbar, man kann innerhalb von sechs Monaten dort hinfliegen. Es würde mich also überraschen, wenn diese Missionen nicht spätestens 2032 in der Venusumlaufbahn oder -im Falle von DAVINCI - in der Venusatmosphäre wären.

Kann man zur Venus fliegen, wann man will oder gibt es wie beim Mars bestimmte Startzeitfenster, nach denen man sich richten muss?

Es ist dasselbe wie beim Mars: Es gibt bestimmte Zeitfenster, in denen man starten muss. Im Falle der Venus gibt es aber mehr davon, da sie weniger Zeit braucht, um die Sonne zu umrunden und deshalb in gewissem Sinne öfter vorbeikommt als der Mars.

Haben Sie schon konkrete Themen im Kopf, die Sie mit den neuen Daten angehen möchten?

Oh ja! Uns allen schweben bestimmte Veröffentlichungen vor, aber wir müssen natürlich abwarten, was uns die Daten liefern.

Und wird der Schwerpunkt weiterhin auf der Frage liegen, ob es irgendwann Leben auf der Venus gegeben hat?

Ja, aber diese Frage wird natürlich nicht der einzige Schwerpunkt sein. Wir haben noch viele andere Fragen zur Venus: Was ist die Geschichte der Oberfläche? Was sind die Tesserae und was sagen sie uns über die inneren Prozesse des Planeten? Gibt es noch aktiven Vulkanismus auf der Venus? Außerdem würden wir gerne die Daten der neuen Radarmissionen mit den Daten der Magellan-Radarmission aus den 1980er-Jahren vergleichen, um zu sehen, ob wir irgendwelche Veränderungen feststellen können. Wir erwarten keine großen Veränderungen - der Beobachtungszeitraum deckt ja keine geologische Spanne ab - aber es ist sehr wahrscheinlich, dass dies eine der ersten Untersuchungen ist, für die die neuen Daten herangezogen werden. Eine weitere Sache, die uns die neuen Missionen liefern werden, sind hochauflösende Karten von der Oberfläche der Venus. Und das bedeutet, dass wir anschließend in der Lage sein werden, viel bessere Landeplätze für künftige Lander vom Typ Vega auszuwählen. Im Moment haben wir nur Daten mit relativ geringer Auflösung, so dass der sicherste Ort für eine Landung die vulkanischen Ebenen sind, die ziemlich flach sind. Bei der Landung in Gebieten mit sehr steilen Hängen besteht nämlich immer die Gefahr, dass das Raumfahrzeug landet, umkippt und dabei die Radarantenne unter sich begräbt. In diesem Falle könnte man zwar noch Messungen durchführen, diese aber mit niemandem mehr teilen.

Eine weitere Sache, die uns die neuen Missionen liefern werden, sind hochauflösende Karten von der Oberfläche der Venus. Und das bedeutet, dass wir anschließend in der Lage sein werden, viel bessere Landeplätze für künftige Lander vom Typ Vega auszuwählen.

Das übergeordnete Ziel ist demnach immer noch, einen Lander auf der Oberfläche abzusetzen?

Auf jeden Fall! Wir haben einige Messungen von den Vega- und Venera-Missionen der Sowjets, aber heute würden wir natürlich gerne modernere Instrumente verwenden und vielleicht auch etwas länger auf der Oberfläche ausharren, um Untersuchungen zu machen, von denen wir vor 40 Jahren nur träumen konnten. Ich hoffe also sehr, dass die Venera-D-Mission fliegen wird. Selbst wenn die Landung sicherheitshalber in den vulkanischen Ebenen erfolgt, könnten wir enorm an Wissen gewinnen. Und wenn wir erst hochauflösende Radarbilder haben, werden wir in der Lage sein, diese Art von Lander an Orten zu platzieren, von denen wir heute nur träumen können. Ähnlich verhält es sich beim Mars: Wir haben extrem hochauflösenden Bilder von der Oberfläche und nur deshalb können wir heute an Orten landen, von denen wir vor 30 Jahren nur träumen konnten.

Und werden die neuen Missionen auch in der Lage sein, Leben auf der Venus zu entdecken?

Ich denke, das mögliche Vorhandensein von Leben ist eng an die Geschichte des Wassers auf der Venus geknüpft. Wenn die DAVINCI-Mission uns sagt, dass es auf der Venus in früheren Zeiten zwar eine große Menge an Wasser gab, dieses aber bereits vor vier Milliarden Jahren verloren gegangen ist, dann bedeutet das wahrscheinlich, dass es keine lebensfreundliche Periode in der Geschichte des Planeten gegeben hat. Wenn die Indizien aber darauf hinweisen, dass es durchaus eine gemäßigte Periode gab, dann wissen wir, dass wir auf der Oberfläche nach hydratisierten Mineralien und dergleichen suchen müssen. Die Missionen werden uns also gewissermaßen dabei helfen, unser Interesse zu fokussieren.

Und was ist mit den Daten, die von Solar Orbiter und BepiColombo bei ihrem jüngsten Vorbeiflug an der Venus gesammelt wurden? Können Sie diese auch verwenden?

Ich habe noch keine Ergebnisse gesehen. Ich gehe aber davon aus, dass das meiste von dem, was die Daten uns sagen können, mit der oberen Atmosphäre zu tun haben wird. Das ist natürlich auch sehr interessant, aber es hat nicht wirklich etwas mit der Frage nach Leben zu tun.

Sie werden also abwarten müssen?

In der Tat. Aber in den USA gibt es keine Beschränkungen, wie lange man arbeiten darf. Wenn ich mich also noch gut fühle und mein Gehirn noch funktioniert, wenn die Daten endlich zur Verfügung stehen, würde ich mich freuen, meine Arbeit damit fortzusetzen. Das wird dann eine sehr aufregende Zeit für die Planetenforschung allgemein und insbesondere für Menschen, die sich für die Venus interessieren.

Quelle: OHB SE (ots)

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