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Ungewöhnlich produktive Zwerggalaxien geben neues Rätsel auf, könnten altes Rätsel lösen helfen

Archivmeldung vom 12.11.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 12.11.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Eine der zwei Himmelsregionen, in denen das CANDELS-Team einen ungewöhnlichen neuen Typ Zwerggalaxie gefunden hat. Der gezeigte Ausschnitt ist Teil des so genannten GOODS-South-Felds im Sternbild Chemischer Ofen (lat. Fornax). Es handelt sich um ein Falschfarbenbild aus Daten der beiden astronomischen Kameras ACS und WFC3 des Weltraumteleskops Hubble.
Quelle: Bild: NASA/ESA, A. van der Wel (MPIA), H. Ferguson & A. Koekemoer (STScI) und das CANDELS-Team. (idw)
Eine der zwei Himmelsregionen, in denen das CANDELS-Team einen ungewöhnlichen neuen Typ Zwerggalaxie gefunden hat. Der gezeigte Ausschnitt ist Teil des so genannten GOODS-South-Felds im Sternbild Chemischer Ofen (lat. Fornax). Es handelt sich um ein Falschfarbenbild aus Daten der beiden astronomischen Kameras ACS und WFC3 des Weltraumteleskops Hubble. Quelle: Bild: NASA/ESA, A. van der Wel (MPIA), H. Ferguson & A. Koekemoer (STScI) und das CANDELS-Team. (idw)

Mithilfe des Hubble-Weltraumteleskop hat eine Gruppe von Astronomen unter der Leitung von Arjen van der Wel vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg im frühen Universum eine Population kleiner, junger Galaxien entdeckt, die in geradezu atemberaubendem Tempo neue Sterne produzieren. Die üblichen Modelle der Galaxienbildung bieten keine Erklärung für diese extrem hohe Sternentstehungsrate. Sie könnte aber ein anderes Zwerggalaxien-Rätsel lösen: die noch unerklärte Verteilung von Dunkler Materie in diesen Objekten. Die Ergebnisse werden am 10. November im Astrophysical Journal veröffentlicht.

Zwerggalaxien, die nur etwa ein hundertstel der Masse unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, besitzen, sind der häufigste Galaxientyp im Universum. Untersuchungen an diesen Objekten versprechen Aufschluss über allgemeine Fragen der Galaxienentstehung.

Im Vergleich mit anderen Himmelskörpern sind weit entfernte Zwerggalaxien sehr lichtschwach und klein, und dementsprechend schwer nachzuweisen. Bislang konnten nur einzelne dieser entfernten Objekte genauer untersucht werden. Das hat sich jetzt geändert: mit der CANDELS-Durchmusterung, dem größten Beobachtungsprojekt in der Geschichte des Hubble-Weltraumteleskops. Von 2010 bis 2013 sucht CANDELS nach einigen der am weitesten entfernten Galaxien unseres Universums.

In punkto Zwerggalaxien erlebten die Astronomen dabei eine Überraschung. »Wir haben eine Population von 69 Zwerggalaxien gefunden, die uns zunächst aufgrund ihrer ungewöhnlichen Farbe aufgefallen sind« sagt Arjen van der Wel (MPIA), der Erstautor des Fachartikels. Aufgrund der großen Entfernungen sehen die Astronomen diese Zwerggalaxien so, wie sie vor fast 10 Milliarden waren (Rotverschiebung z ~ 1,7).

Wie nachfolgende Untersuchungen der Spektren von vier der Galaxien bestätigten, geht die ungewöhnliche Färbung darauf zurück, dass in den Galaxien extrem viele neue Sterne entstehen. Zum Vergleich: Bei der jetzigen Rate würde sich die Sternpopulation einer solchen Galaxie in nur 15 Millionen Jahren verdoppeln. Das ist ein tausend Mal größeres Tempo als in unserer Milchstraße.

Damit haben die Astronomen ein wichtiges Puzzlestück der Galaxienevolution gefunden, wie MPIA-Direktor Hans-Walter Rix erklärt: »Aus ‚archäologischen' Studien an nahen Zwerggalaxien, bei denen sorgfältig das Alter der beteiligten Sterne bestimmt wurde, wussten die Astronomen bereits, dass die meisten dieser Sterne vor mehr als 8 Milliarden Jahren entstanden sein müssen. Ungeklärt war aber bislang, ob die Sterne allmählich oder vergleichsweise schnell entstanden. Die neuen Ergebnisse legen nahe, dass sich die Sterne rasch gebildet haben, im Rahmen nur einer oder einiger weniger Sternentstehungs-Episoden.«

Einige Simulationen der Evolution von Zwerggalaxien sagen in der Tat einen episodenartigen Verlauf der Sternentstehung voraus. Doch selbst die größten Stern-Zuwachsraten dieser Simulationen reichen nicht aus, um die neuen Beobachtungen zu erklären. Für die Forschungen zur Zwerggalaxien-Entwicklung stellen die hohen Sternentstehungsraten ein Rätsel dar, das es erst noch zu lösen gilt.

Während sie einerseits ein neues Rätsel aufwerfen, könnten die neuen Ergebnisse andererseits helfen, ein Jahrzehnte altes Rätsel zu lösen, das die Verteilung von Dunkler Materie in Galaxien betrifft. Mehr als 80% der Materie in unserem Universum ist so genannte Dunkle Materie, die nur über ihre Gravitation mit anderer Materie wechselwirkt und insbesondere kein Licht aussendet; herkömmliche Atome (inklusive jener, aus denen wir selbst bestehen) zeichnen dagegen für weniger als 20% des Materieinhalts verantwortlich. Dunkle Materie spielt eine Schlüsselrolle dabei, wie sich unser Kosmos im Laufe der letzten knapp 14 Milliarden Jahre von einem so gut wie strukturlosen Zustand zu den heutigen Verhältnissen mit Galaxien und Galaxienhaufen entwickelt hat.

Allerdings führen herkömmliche Simulationen der Galaxienentwicklung zu einem Ergebnis, das den Beobachtungen widerspricht: Sie sagen voraus, dass Dunkle Materie in den Zentren von Galaxien konzentriert sein sollte (mit spitzem Maximum der Dichteverteilung im Zentrum der Galaxie); Beobachtungen zeigen dagegen eine gleichmäßigere Verteilung. Bereits 1996 hatten Astronomen (Navarro et al.) vorgeschlagen, die beobachtete Verteilung könnte sich ergeben haben, weil herkömmliche Materie der Galaxie nach außen getrieben worden sei und dabei einiges an Dunkler Materie mitgezogen habe. Die jetzt entdeckten intensiven Sternentstehungsphasen junger Zwerggalaxien, während derer man in der Tat erwarten würde, dass Gas der Galaxien nach außen getrieben wird, sind der bislang direkteste Hinweis darauf, dass sich die Verteilung der Dunklen Materie auf die vorgeschlagene Art und Weise erklären lässt.

Quelle: Max-Planck-Institut für Astronomie (idw)

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