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Hohe Inflation wäre das geringste Übel

Archivmeldung vom 25.03.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 25.03.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Oliver Randak

Wenn Professor Max Otte, der bereits im Jahr 2006 die weltweite Wirtschaftskrise vorausgesehen hat, eine Inflation von mehr als 30 Prozent als den kleinsten möglichen Schaden am Ende der Krise sieht, dann scheinen die derzeitigen Probleme wirklich enorm zu sein.

Die Zuhörer der Podiumsdiskussion mit dem Titel «Zukunftsgespräch zum Weltfinanzsystem» in Berlin schien das jedenfalls noch zu amüsieren. Vielleicht ist Humor und Optimismus in der heutigen Zeit auch die beste Grundeinstellung, anstatt sich immer zu sorgen, was uns eigentlich noch bevorsteht.

Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion malten jedenfalls richtig schwarz. Die Chance für einen positiven Ausgang aus der Krise liegt beispielsweise für Professor Dirk Solte, Chefökonom des Bundesverbandes für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft, gerade mal bei 35 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit für einen Kollaps sieht er dagegen bei 65 Prozent. Und das beutet ein Stillstand der Wirtschaft mit der Folge von sozialen Unruhen. «Wenn das System umkippt, dann ist der Teufel los», betonte auch Professor Rolf Kreibich, Direktor des Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung.

Moderatorin Ute Holzhey fragte die Diskussionsteilnehmer, ob sie dem Weltfinanzgipfel am 20. April in London eine Erfolgschance geben. Die Äußerungen der Befragten fielen eher negativ aus. Der Gipfel werde nach Einschätzung von Max Otte höchstens ein paar symbolische Entscheidungen hervorbringen. Bereits im Vorfeld würden die USA auf nationale Maßnahmen bestehen und damit ihre Ablehnung für international verbindliche Regelungen für das Finanzsystem zeigen, sagte er. Doch nach Einschätzung von Professor Solte sei eben genau das nötig. Denn die Konkurrenz der Finanz- und Steuer würde dazu führen, dass die Banken ihre Geschäfte dorthin verlagern, wo die gesetzlichen Rahmenbedingungen für sie am günstigsten sind.

Die Schuldfrage der gegenwärtigen Krise stand lange Zeit im Mittelpunkt der Gesprächsrunde. Die Schuldigen lassen sich nach der Meinung von Professor Rolf Kreibich auch klar benennen. Der Professor hielt sich mit der Anschuldigung auch nicht zurück: Die Mitarbeiter in den Finanzämtern, die Bundesfinanzaufsicht, der Rat der Weißen, die Rating-Agenturen, der IWF und die Weltbank – alle hätten sie Schuld auf sich geladen, weil sie die Krise nicht gesehen hätten.

Direkt verantwortlich seien die Banker in den Landes- und Privatbanken, die einfach vor ihrem Monitor gesessen hätten und geliehenes Geld in riskante Projekte gesteckt und damit nicht einen Euro realen Wertes geschöpft hätten. «Sie waren entweder unfähig oder haben wissentlich mitgespielt, dann gehören sie vor den Kadi», so Kreibich. «Viele wussten genau, dass der Staat die Defizite sozialisieren wird, sie hatten kein bisschen Risiko zu tragen.»

Dirk Solte hielt die Suche nach Verantwortlichen für völlig falsch: «Es macht wenig Sinn nach Schuldigen zu suchen, denn die wahren Gründe liegen im System», sagte er. Aufgrund von fehlenden international gültigen Gesetzen seien die Akteure vielfach verleitet gewesen, Falsches zu tun. Die Folgen, die das ungezähmte Spekulieren verursacht hat, verdeutlichte der Ökonom mit der Relation 1:53, wobei 1 für den Anteil an Zentralbankgeld stünde, dem gesetzlichen Zahlungsmittel, und 53 für Schuldverschreibungen, die durch den Weiterverkauf von Krediten daraus geschöpft wurden. «Im Weltfinanzsystem ist das Problem hinter den Problemen eine gigantische Geldblase, eine immer höhere Schuldenbasierung von Wertschöpfung und Konsum.»

Derzeit droht laut Professor Solte ein weiteres Problem: Die Gefahr sei nun, dass die Banken einen Großteil des wenigen realen Zentralbankgeldes horten, sagte Solte. Die Finanzierer investierten gegenwärtig in reale Sachwerte, die beispielsweise aus Insolvenzen hervorgingen, anstatt es Unternehmen für Investitionen zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund forderte er eine Maximalreservehaltung, mit der das Horten von Milliarden unterbunden werden soll und damit das Kreditgeschäft wieder angekurbelt wird.

Ansonsten kamen bei der Suche nach Lösungen keine wirklich neuen Vorschläge, außer das im Publikum bereits das Ende des Kapitalismus und eine neue Demokratie gefordert wurde. Ohne näher darauf einzugehen holten die Podiumsteilnehmer alte Ideen aus der Ecke der Globalisierungskritiker hervor, die bislang als nicht durchsetzbar abgetan wurden. So gab es eine überraschende Zustimmung für eine Tobin-Steuer, eine Steuer, die auf alle internationalen Finanztransaktionen aufgeschlagen werden soll.

Für Rolf Kreibich war Transparenz das entscheidende Stichwort. Es müsse ein internationales von Großbanken und Regierungen unabhängiges Kontrollsystem geben, sagte er und fügte hinzu: «Darin muss klar sein, was die Regeln sind und wie sie kontrolliert werden.» Um langfristig verantwortungslose Spekulationen zu unterbinden, forderte er zudem die Eigenkapitalquote zu erhöhen, die die Banken bei ihren Investitionen einbringen müssen. Damit müssten sie einen größeren Teil des Risikos mittragen und Investitionen kritischer bewerten.

Susan Levermann war früher Managerin bei der Deutschen Bank für einen Aktienfonds im Gesamtwert von zwei Milliarden Euro. Heute ist sie vor allem als Aussteigerin bekannt, die ihrem Job den Rücken gekehrt hat. Selbstkritisch benannte sie die Boni als Teil des Übels: «Die Boni wurden auf Jahresbasis gezahlt. Deshalb war man geneigt, kurzfristige Gewinne zu verfolgen, anstatt an die langfristige Rendite zu denken.»

Trotz der damit zusammenhängenden Aufnahme von Milliardenschulden sahen die drei Wirtschaftswissenschaftler die Konjunkturprogramme der Staaten als alternativlos. «Ich bin normalerweise kein Freund davon, die Wirtschaft anzukurbeln. Aber die Nachfrage würde sonst zu stark einbrechen», sagte Max Otte, der jedoch ein starkes Ansteigen der Inflation als unausweichliche Folge der Mehrausgaben des Staates sieht.

Kreibich findet bei den Konjunkturprogrammen die Investitionen in regenerative Energien, Wärmedämmung und Bildung positiv. «Das Geld ist auf alle Fälle nicht verpufft», sagte der Professor. Jedoch kritisierte er die Abwrackprämie. «Das Geld kommt der Autoindustrie zugute, die es 30 Jahre lang verschlafen hat, vernünftige Autos zu entwickeln.» Generell warnte Kreibich vor einer grenzenlosen Ausweitung der umweltschädlichen Industrien, bevor es zusätzlich zu einer weiteren, einer ökologischen Katastrophe kommt. So kämen in Deutschland 560 Autos auf 1000 Einwohner, in China zwölf und in Indien neun Fahrzeuge. «Um den Wunsch aller Menschen in den Schwellenländern auf ein Auto zu erfüllen, bräuchten wir mindestens vier Planeten.»

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