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Clemens Tönnies im Interview: "Wir haben uns immer an Recht und Gesetz gehalten"

Archivmeldung vom 18.07.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.07.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
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Bild: Tony Hegewald / pixelio.de

Nach dem massiven Corona-Ausbruch im Fleischwerk in Rheda-Wiedenbrück weist Konzernchef Clemens Tönnies (64) die schweren Vorwürfe gegen ihn und das Unternehmen zurück. "Wir haben uns immer an Recht und Gesetz gehalten", sagt der Chef von Deutschlands größtem Schlachtkonzern im Interview mit dem in Bielefeld erscheinenden Westfalen-Blatt.

"Wir wissen bis heute nicht, welchen Rechtsbruch wir begangen haben sollen. All die Kritiker haben bis dato nicht eine einzige konkrete Aussage dazu getroffen", erklärt Tönnies. "Viele Aussagen kommen von Leuten, die daraus politisches Kapital schlagen wollen, die mich und unser Unternehmen dafür nutzen wollen. Ich stehle mich aus keiner Verantwortung. Doch ich bin nicht Corona."

Auch die Empörung über den Antrag auf Erstattung von Lohnkosten vom Land NRW kann der Chef des Fleischkonzerns nicht nachvollziehen: "Die Frage ist doch: Ist unser Mitarbeiter weniger wert als andere Beschäftigte, die auch Quarantänehilfen bekommen? Das ist für mich eine Frechheit. Wir müssen verhindern, dass Mitarbeiter hier stigmatisiert werden und Dienstleister, die ja nicht nur bei uns arbeiten, in die Insolvenz getrieben werden." NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hatte zuletzt bekräftigt, dass das Land alles daran setzen werde, "dass Tönnies keinen Cent erhält". Diesbezüglich will der Konzernchef notfalls Gerichte einschalten: "Darüber wird im Zweifelsfall auch Recht gesprochen werden."

Im laufenden Ermittlungsverfahren gegen die Geschäftsführung des Konzerns wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Körperverletzung und des Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz kooperiere das Unternehmen vollumfänglich, sagt Tönnies. "Wenn man uns Rechtsverstöße vorwirft, dann werden wir das sachlich abarbeiten."

Schwere Versäumnisse im Kampf des Unternehmens gegen das Virus sieht Tönnies nicht - im Gegenteil: "Wir sind sehr ernsthaft an das Thema Corona herangegangen, haben früh angefangen, Schutzhürden aufzubauen." Dazu zähle auch ein im Mai eingerichtetes eigenes Testcenter. "Dort haben wir alle Mitarbeiter getestet, die längere Zeit nicht im Betrieb waren oder aus dem Urlaub gekommen sind. Letztlich war es dann ja auch Mitte Juni unsere eigene Testreihe, die ersichtlich gemacht hat, dass wir Auffälligkeiten haben."

Zu Arbeitsschutzkontrollen Mitte Mai, bei denen zu geringe Abstände zwischen Mitarbeitern in der Produktion, zwischen Nutzern der Kantine sowie das nicht korrekte Tragen von Mund-Nasen-Schutz beanstandet worden waren, sagt Tönnies: "Wir sind intensiv kontrolliert worden. Uns ist bescheinigt worden, dass unser Konzept in vollem Einklang mit den Vorgaben und Empfehlungen der Behörden steht. Einzelne Beanstandungen in der Umsetzung sind umgehend abgestellt worden."

Anders als von Kritikern behauptet, sei die Infektion von mehr als 1400 Mitarbeitern nicht auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der osteuropäischen Werkvertragsarbeiter zurückzuführen, bekräftigt Tönnies: Der Bonner Hygiene-Professor Martin Exner habe "ermittelt, dass die Umluftkühlung, die eigentlich jeder Fleischbetrieb hat, ursächlich für die plötzliche und massive Ausbreitung ist. Er hat auch klar gesagt, dass das kein Tönnies-Problem ist. Sondern ein neues Phänomen, das zuvor nicht bekannt war. Ein Problem der Branche - und zwar weltweit."

Tönnies zufolge "gibt es momentan weltweit 172 Betriebe unserer Art, die stillstehen oder stillgestanden haben. Auch hier sehen wir, das ist kein Tönnies-Fall", erklärt der Konzernchef. "Wir werden jetzt alle Betriebe umrüsten. Es ist wichtig, dass die Standards jetzt vom Gesetzgeber verpflichtend für alle vorgegeben werden. Meines Wissens gibt es bislang dafür noch keine behördliche Anordnung."

Tönnies betont, er stehe zu seiner unternehmerischen Verantwortung. "Wir haben in erster Linie für unsere Mitarbeiter, für die Bauern und unsere Kunden dafür zu sorgen, dass wir eine sichere Produktion haben. Ich fühle mich verantwortlich und bin immer einer, der Probleme abstellt, wenn sie auftauchen."

Zugleich kündigt der Konzernchef an, Veränderungen im Umgang mit den Werkvertragsarbeitern vorantreiben zu wollen. "Hier werden wir weitere Schritte gehen. Wir werden die Wohnsituation der Beschäftigten in unsere Verantwortung bringen. Wir wollen, dass die 30 Prozent der Mitarbeiter, die heute nicht privat wohnen, zu einem vorgegebenen Standard wohnen können."

Mit Blick auf die von der Bundesregierung zum Jahreswechsel geplante Abschaffung von Werkverträgen in der Fleischindustrie sagt Tönnies, dass bis September zunächst 1000 bisherige Werkvertragsarbeiter direkt bei Firmen der Gruppe angestellt werden sollen - konzernweit werden derzeit 9333 der 18.734 Beschäftigten von Subunternehmen gestellt. "Wir werden aber auch eine nicht unerhebliche Abwanderung haben von Mitarbeitern, die das System des Werkvertragsarbeiters weitermachen wollen. Ich sehe die Leute dann bei Amazon, der Meyer-Werft oder anderen Branchen." Dann müsse man "schauen, inwieweit die Veredelung in Deutschland noch aufrechterhalten werden kann. Das wird der Markt zeigen", erklärt der Konzernchef.

Er spricht sich zudem dafür aus, "den Mindestlohn für die Fleischwirtschaft erheblich zu erhöhen und allgemeinverbindlich zu machen". Dabei schränkt er ein: "Das wird aber im Verband noch diskutiert. Das kann ich nicht alleine machen, da muss die Branche insgesamt mitziehen."

Angesprochen auf die zwischenzeitlichen Einschränkungen für 640.000 Bürger in den Kreisen Gütersloh und Warendorf nach dem Corona-Ausbruch im Fleischkonzern sagt der Unternehmer: "Natürlich leide ich emotional, weil der Kreis Gütersloh meine Heimat ist. Und natürlich leide ich mit den Menschen, die einen Lockdown über sich ergehen lassen mussten." Forderungen zu finanziellen Wiedergutmachungen oder der Übernahme von Kosten im Zuge der Krise erteilt Tönnies aber eine Absage - mit einer Ausnahme: "Ich habe diese Pandemie nicht erfunden. Mir tut es unendlich leid, dass wir der Auslöser des Lockdowns waren. Deswegen habe ich mich verpflichtet, jeder Bürgerin und jedem Bürger im Kreis Gütersloh im Lockdown einmalig den Corona-Test zu bezahlen. Auch wenn es am Ende 70.000 Tests sind. Das ist konkret und das werde ich auch machen. Aber das ist Goodwill. Wenn einige jetzt sagen, der Deckel mit den Kosten wird immer größer, ist das nicht redlich.

Mit Blick auf Anfeindungen ihm gegenüber sagt Tönnies: "Was mich getroffen hat, sind auch einige ernstzunehmende Morddrohungen gegen meine Familie und mich. Das belastet einen natürlich."

Offen zeigt sich der Konzernchef für Ankündigungen der Politik, einen Aufschlag beim Fleischpreis einführen zu wollen. "Das wird sich im Laden garantiert nicht unerheblich auswirken. Wir haben kein Problem damit, wenn das für alle gleichermaßen gilt. Der Verbraucher muss wissen, dass er tiefer in die Tasche greifen muss."

Rücktrittsforderungen weist Clemens Tönnies derweil erneut zurück. Die Zeit für einen Wechsel an der Konzernspitze - seinem Sohn Maximilian (30) werden Ambitionen nachgesagt - sei noch nicht gekommen. "Zuallererst will ich dieses Schiff wieder richtig flottmachen", sagt Tönnies. "Es geht jetzt erst einmal um die gesamte landwirtschaftliche Produktionskette in Deutschland. Die Bauern brauchen eine Perspektive und wir sorgen mit unserem Betrieb dafür, dass die Wertschöpfung funktioniert und der Schweinepreis wieder nach oben geht."

Quelle: Westfalen-Blatt (ots)


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