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Hansens Seitenwechsel "stinkt zum Himmel"

Archivmeldung vom 10.05.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.05.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Oliver Randak

Der Wechsel vom Chef der größten Bahngewerkschaft zum Arbeitsdirektor im Bahn-Vorstand erregt die Gemüter der SPD-Linken und der Opposition. Die Vorwürfe gehen hin bis zum "Verrat an den Gewerkschaften". Der designierte Bahn-Manager wehrt sich gegen die Vorwürfe, ihm liege nichts an materiellen Vorteilen

Die Oppositionsparteien sowie SPD-Linke haben mit großer Empörung auf den Seitenwechsel von Norbert Hansen reagiert. Der Chef der größten Bahngewerkschaft Transnet wechselt als Arbeitsdirektor in den Bahn-Vorstand. „Das stinkt zum Himmel“, findet der Grünen-Verkehrsexperte Winfried Hermann. Nun sei klar, warum der moderate Gewerkschaftsboss „jahrelang so handzahm mit dem Bahn-Vorstand zusammengearbeitet hat“. Gar von „Verrat an den Gewerkschaften“ spricht der Grünen-Politiker.

FDP-Partei- und -Fraktionsvize Rainer Brüderle meint: „Dies sieht eher nach einer politischen als nach einer betriebswirtschaftlich motivierten Stellenbesetzung aus.“ Und Linken-Fraktionschef Gregor Gysi ätzt: „Was Hartz bei VW war, wird Hansen jetzt bei der Bahn.“Doch nicht nur die Opposition, auch die SPD-Linke, die die Bahn-Privatisierung entschieden bekämpft hatte, überschüttet Hansen mit Kritik. „Schamlos“ nennt der SPD-Abgeordnete Hermann Scheer das Verhalten des Wechselbahners. Und der SPD-Linke Björn Böhning spricht von einer „unschönen Verquickung von persönlichen und politischen Interessen“.Kanzlerin Merkel, die Berichten zufolge den Deal abgesegnet haben soll, ging auf leichte Distanz und ließ ihren stellvertretenden Regierungssprecher Thomas Steg am Freitag erklären, dass „sie die Personalie Hansen in diesem Fall nicht beschäftigt hat“.

Hansen wies die Kritik am Donnerstagabend zurück: Mit seiner vorgesehenen Position als Arbeitsdirektor werde die Stellung der Gewerkschaftsseite gestärkt. Bei der Bundesbahn sei es jahrzehntelang üblich gewesen, dass Spitzengewerkschafter Personalchefs waren. „An diese alte Tradition wird angeknüpft.“ Hansen verwies auch auf die Mitbestimmung bei Montan-Unternehmen. Dort kann ohne Zustimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat kein Arbeitsdirektor ernannt werden. „Es gibt viele Beispiele, dass der Eintritt eines Gewerkschafters in einen Vorstand hilfreich für das Unternehmen war“, sagte Hansen.Der designierte Bahn-Manager und Ex-Gewerkschaftschef wehrt sich auch gegen den Vorwurf, ihm liege an persönlichen materiellen Vorteilen. „Wenn es darum ginge, wäre ich nicht so dämlich gewesen, diesen Job anzunehmen.“ Mit seinem Schritt solle auch Verunsicherung und Ängsten unter den Beschäftigten angesichts des geplanten Börsengangs entgegengewirkt werden. Er kenne aus eigener Erfahrung die Befindlichkeiten der Bahner, die berücksichtigt werden müssten. Es gelte, die Identifikation der Belegschaft mit ihrem Beruf und dem Unternehmen zu stärken.FDP-Vize Brüderle sieht das anders: „Die alte Deutschland AG lässt grüßen. Herr Hansen bleibt am gleichen runden Tisch und rückt nur einen Platz weiter.“ In Wolfsburg bei VW, so warnt der Liberale, „ist dieses Kuschel-Kungel-Modell vor die Wand gefahren“.Tatsächlich ist der Schritt von der Gewerkschaftsspitze in die Vorstandsetage großer deutscher Konzerne nicht selten, vor allem wenn diese unter Staatseinfluss stehen. „In vielen großen Unternehmen ist es üblich, dass der Personalvorstand das Vertrauen der Arbeitnehmer genießen muss“, sagt Hagen Lesch, Gewerkschaftsexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW). Auch die Antikorruptionsorganisation Transparency International (TI) Deutschland gibt dem Wechselbahner recht. Es sei durchaus üblich, dass frühere Gewerkschaftsfunktionäre als Arbeitsdirektoren berufen würden, erläutert TI-Mitarbeiter Jochen Bäumel. Es gebe „kein Anzeichen für Korruption“. Hansen habe seit Langem klargestellt, dass er gegen eine Zerschlagung der Bahn sei und dabei die Position von Bahn-Chef Hartmut Mehdorn vertrete.

Auch IW-Experte Lesch hält Korruptionsvorwürfe gegen Hansen für „Unsinn“. Er lobt die Entscheidung der Bahn ausdrücklich: „Die Bahn hat intelligent gehandelt.“ Denn die Gewerkschaften seien in dem Staatsunternehmen gut organisiert. Hansen genieße als ehemaliger Spitzengewerkschafter die Zustimmung der Gewerkschaft und der Arbeitnehmer. Gleichzeitig habe er in den vergangenen Tarifrunden gezeigt, dass er auch im Interesse des Unternehmens handelt. Lesch: „Er ist eine integrierende Persönlichkeit.“ Die große Gefahr sei allerdings, „dass sein Nachfolger weniger konzessionsbereit gegenüber der Bahn-Spitze ist, um die konkurrierende Lokführergewerkschaft GDL in Schach zu halten“.

„Es ist durchaus Praxis, dass in Ex-Staatsunternehmen der Arbeitsdirektor das Vertrauen der Arbeitnehmer besitzen muss“, sagt auch Rainer Jung vom gewerkschaftseigenen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) in Düsseldorf. Ein gutes Beispiel dafür ist der Personalvorstand der Deutschen Post, Walter Scheurle. Eine Gewerkschaftskarriere beförderte den Postboten aus Schwäbisch Gmünd über den Bundesvorstand der Deutschen Postgewerkschaft (heute aufgegangen in der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di) bis in den Post-Vorstand. Der heutige Arbeitsdirektor von Vattenfall Europe, Alfred Geißler, wechselte im Jahr 2004 aus dem Hauptvorstand der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) in die Chefetage des drittgrößten deutschen Energiekonzerns. Und der größte deutsche Stahlkonzern ThyssenKrupp hat mit Ralph Labonte einen Arbeitsdirektor, der zuvor jahrelang als Gewerkschaftssekretär der IG Metall gearbeitet hat.

Dass es auch anders geht, zeigt die Telekom. Hier scheiterte die Gewerkschaft Ver.di 2006 dabei, ihre Funktionärin Regine Büttner als Nachfolgerin des langjährigen Personalvorstands Heinz Klinkhammer (zuvor Arbeitsdirektor in der Stahlindustrie) durchzusetzen. Der Telekomriese holte stattdessen Thomas Sattelberger, keinen Gewerkschaftsfunktionär, sondern einen Manager, der sich zuvor bei Conti, der Lufthansa und bei Daimler seine Sporen verdient hatte.

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