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Kohleverflüssigung wieder aktuell

Archivmeldung vom 16.09.2005

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.09.2005 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Jens Brehl

Der Schock hoher Ölpreise trifft Deutschland härter als seine Konkurrenten auf dem Weltmarkt. Die deutsche Wirtschaft ist nicht nur von Rohölimporten aus Russland und der OPEC abhängig, sondern muss auch bereits verarbeitetes Heizöl, Diesel und Benzin einführen.

Hinzu kommt die Abhängigkeit von Gasimporten, die sich ebenfalls verteuert haben. Wir müssen zahlen, weil wir keine Alternative haben. Auch eine Senkung von Öko- und Mineralölsteuern würde die Belastung nur anders verteilen.

Dagegen profitieren Russland, Norwegen, Großbritannien und - bis zum Hurrikan Katrina - auch die USA vom hohen Ölpreis. Deutschlands Energierechnung ist in diesem Jahr, so eine erste Analyse des Kieler Institutes für Weltwirtschaft, um 24 Mrd. Euro angestiegen. Dagegen
sind die Gewinne Deutschlands aus steigenden Exporten in die Ölländer eher gering. Die Financial Times rechnet diese zusätzlichen Exporte auf knapp 4 Mrd. Euro hoch, rund ein Sechstel der Zusatzbelastung.

Rächt es sich jetzt, dass Deutschland seine Kompetenz in der Kohlehydrierung vernachlässigt hat?

Seit fast zwei Jahren sind die internationalen Energie- und Rohstoffmärkte in starker Anspannung. Inzwischen wird beim Mineralöl mit langfristigen Knappheiten gerechnet. "Wir wissen nicht, wie lang und schwer die Krise sein wird", so IEA-Chef Claude Mandil Anfang
September 2005 nach der Freigabe von strategischen Krisenreserven durch die Internationale Energie-Agentur.

Die drohende weltweite Verknappung der Mineralölversorgung und hohe Ölpreise verschaffen alternativen Treibstoffen wie Flüssiggas und Biodiesel Auftrieb. Und Kohleöl und -gas?

Nach der ersten Ölkrise im Jahr 1974 hatte die Bundesregierung den Anstoß für die Entwicklung moderner Technologien zur Kohleveredlung in der Bundesrepublik Deutschland durch das Rahmenprogramm Energieforschung gegeben. Im Zeitraum 1977 bis 1980 waren 7
Pilotanlagen zur Kohleveredlung in Betrieb gegangen. Das im Januar 1980 vorgelegte Programm zur großtechnischen Kohlevergasung und -verflüssigung sah 14 Projekte zur großmaßstäblichen Kohleveredlung mit einem Investitionsvolumen von rund 13 Mrd. DM vor.

Zwar war man sich auch im Jahr 1980 darüber klar, dass mit diesem Programm nicht kurzfristig die Erdöl- und Erdgasversorgung der damaligen Bundesrepublik verbessert werden konnte. Mit seiner Verwirklichung ab Mitte der 80er Jahre erwartete man jedoch einen wachsenden Beitrag von Kohleöl und -gas zur Energieversorgung. Bei planmäßiger Realisierung aller Projektvorschläge ging man von einem Bedarf an Steinkohle von 12 Mio t/a und Braunkohle von 10 Mio t/a für die Veredlung aus.

Alle großmaßstäblichen Kohleveredlungsprojekte in Deutschland fielen dem Ölpreiseinbruch Mitte der 80er Jahre zum Opfer und wurden nie gebaut. Die letzte Pilotanlage zur Kohleverflüssigung, die von der Deutschen Montan Technologie (DMT) seit den 70er Jahren im
Technikumsmaßstab in Essen betrieben wurde (Produktionsleistung rund 200 kg pro Tag), wurde im vergangenen Jahr - ähnlich wie die Kokerei Kaiserstuhl - hier abgebaut und nach China verkauft. Während aus nachwachsenden Rohstoffen in begrenztem Umfang Mineralölsubstitute hergestellt werden, ist die Kohleverflüssigung bei uns fast in
Vergessenheit geraten, obwohl sie hierzulande entwickelt worden war.

Anders in Südafrika. Auf Basis des in Deutschland entwickelten Fischer-Tropsch-Verfahrens arbeitet eine industrielle Kohleverflüssigungsanlage der südafrikanischen SASOL. Die zwischen
1955 und 1982 gebaute und modernisierte Anlage im südafrikanischen Secunda produziert in drei Blöcken (SASOL 1, 2 und 3) rund 175000 Barrel pro Tag Ölprodukte (Benzin, Chemikalien) für ungefähr 25 US-$/Barrel. Das Unternehmen arbeitete schon vor dem jüngsten Ölpreis- anstieg profitabel. Ein Anstieg des Rohölpreises um 50 % führt bei Sasol zu einem Gewinnanstieg um 65 %. Eine derartige Gewinnmarge sollte Wettbewerber auf den Plan rufen. Entscheidend für den Marktzutritt ist allerdings das erforderliche Know-how.

Der chinesische Energiekonzern Shenhua plant auch mit Hilfe deutscher Experten (DMT) im mongolischen Majata den Bau einer Kohleverflüssigungsanlage, die jährlich aus rund 9,7 Mio t Kohle rund 5 Mio t Benzin, Kerosin, Diesel u. a. herstellen soll. Die Anlage wäre aufgrund der günstigen Rahmenbedingungen bei einem Rohölpreis von rund 20 US-$/Barrel wirtschaftlich. Sie befindet sich noch im Stadium der Auftragsvergabe, soll aber bereits in 2007 den Betrieb
aufnehmen und weitere Anlagen nach sich ziehen. Die chinesische Regierung hält diese weltweit erste Industrieanlage zur direkten Kohlehydrierung (Bergius-Verfahren) mit einem Investitionsvolumen von ca. 2,45 Mrd. Euro für bedeutsam im Rahmen der inländischen
Energiestruktur. Der Auftrag für die Hochleistungspumpen dieser Anlage wurde im übrigen im Juni 2005 an die schwäbische URACA vergeben.

Mit den seit langem erforschten Verfahren der Kohleverflüssigung, bei denen je nach Prozess verschiedene flüssige Kohlenwasserstoffe wie z. B. Vergaser- und Dieselkraftstoffe, Methanol (als Beimischung zu Benzin) oder Kohleöl als Heizmittel hergestellt werden können, ließe sich in Deutschland und der EU die Abhängigkeit vom Rohöl nachhaltig verringern. Kohle hat von den fossilen Energieträgern die weitreichendsten Vorkommen und steht in Deutschland und der EU, anders als Rohöl, aus großen eigenen Vorräten zur Verfügung.

Allerdings hängt die Wirtschaftlichkeit der Kohleverflüssigung neben dem Vorteil der gesicherteren Verfügbarkeit wesentlich vom jeweiligen Rohölpreis ab. Die derzeitigen und in der Perspektive weiter steigenden Ölpreise könnten allerdings die Kohleverflüssigung
wieder sehr interessant werden lassen. Beim jetzigen Rohölpreis auf dem Weltmarkt rentiert sich die Kohleverflüssigung nicht nur in China und Südafrika. Selbst wenn sich für Deutschland der Weg zur Kohleverflüssigung noch nicht als wirtschaftlich erweisen sollte, ist in jedem Falle mit einer global steigenden Nachfrage nach Steinkohle zu rechnen. Sollte der Markt für die Kohleverflüssigung wachsen, müsste die steigende Kohlenachfrage sich auch in den Kohlepreisen des Weltmarktes niederschlagen.

Ob in Europa wieder in die Kohleverflüssigung und -vergasung investiert wird, hängt aber nicht allein von der Wirtschaftlichkeit ab. Wenn die Infrastruktur fehlt und die Erfahrung abgewandert ist, bedarf es zusätzlicher Anreize, um Versäumtes aufzuholen. Umso
wichtiger ist es, die Forschung und Entwicklung in diesem Bereich bei uns wieder zu beleben und die mit der Rohstoffreserve Kohle verbundene Option "Kohleöl" nicht völlig zu verspielen.

Zur Kohleverflüssigung für die Erzeugung flüssiger Produkte (Benzin bis Schweröl) aus Kohle sind im Wesentlichen zwei Verfahrenswege möglich: Die direkte Hydrierung der Kohle und die
Kohlevergasung mit anschließender (indirekter) Hydrierung des Synthesegases. Die direkte Kohleverflüssigung wurde im Jahr 1913 durch Fritz Bergius patentiert (dieser erhielt dafür später den Nobelpreis) und wurde in den zwanziger Jahren des vorherigen Jahrhunderts als Pott-Broche- oder IG-Farben-Prozess bekannt. Die indirekte Kohleverflüssigung über Synthesegas wurde 1925 durch Fischer und Tropsch zum Patent angemeldet. Beide Verfahrenswege wurden in Deutschland bis 1945 großtechnisch zur Kohlenhydrierung
angewandt.

Pressemitteilung Gesamtverband des deutschen Steinkohlenbergbaus vom 16.09.2005

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