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Reichtumsforscher beanstandet Forschungslücken

Archivmeldung vom 11.03.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.03.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: "obs/SWR - Südwestrundfunk"
Bild: "obs/SWR - Südwestrundfunk"

Nach Einschätzung des Potsdamer Soziologen Prof. Dr. Wolfgang Lauterbach fehlen in Deutschland gesicherte Daten und Fakten zu den Reichen und deren Vermögen. "Wir wissen zu wenig über Reiche", sagte Lauterbach im SWR Fernsehen. "Weil wir so wenig wissen, können wir keine vernünftige Diskussion darüber beginnen, ab wann ist es sinnvoll zu besteuern." Die bisherigen Veröffentlichungen zu Reichen in Deutschland beruhten auf sehr kleinen Stichproben und Schätzungen, deren Aussagewert deshalb unter Fachleuten als wenig verlässlich bewertet werde.

Lauterbach, der mit einem Forscherteam das aktuelle, noch unveröffentlichte Gutachten zu "Reichtum in Deutschland" für den zum Jahresende angekündigten "Armuts- und Reichtumsbericht" der Bundesregierung verfasst hat, sieht erhebliche Forschungslücken. "Reichtum ist noch mit Unwissen behaftet", lautet das Fazit seiner Untersuchungen. "Es gibt zu wenige Leute, die sich mit Reichtum beschäftigen." Zudem sei Deutschland schlicht und einfach eine Gesellschaft, "in der man wenig über Reichtum spricht." Darum gebe es keinen "gesellschaftlichen Diskurs" zu diesem Thema.

Große Vermögen, die sich "von nationalen Gesetzgebungskontexten lösen", sind nach Lauterbachs Einschätzung in Deutschland, Europa und weltweit gestiegen. Es bildeten sich "Parallelgesellschaften" von Vermögenden, "die sogar unabhängig von Nationalstaaten agieren" und vielleicht "Nationalstaaten gegeneinander ausspielen können".

Gründe für das enorme Wissens-Vakuum über Reichtum in Deutschland seien - so der Experte - auch hausgemacht: "Wir haben keine Daten, wir haben keine Gesetze, die etwas klar machen. Weder die Steuergesetzgebung noch andere Datenquellen haben über den oberen Bereich irgendetwas in petto. Im Gegenteil - manche Studien sind gedeckelt, das heißt nach oben fragt man nicht weiter ab. Und: Wir haben eine Neidkultur."

Ein weiteres Problem bei der Erfassung großer Vermögen sei deren genaue Bewertung - etwa von Grundstücken, Immobilien oder Geldanlagen -, weil diese "mit großen Variationen behaftet" seien. Zudem sei die Auskunftsbereitschaft der Betroffenen gering; mit der Sicherung ihrer Anonymität wollten sie Neid-Diskussionen aus dem Weg gehen.

Wohlfahrtsverband wirft Arbeitsministerin Andrea Nahles vor, den Armutsbegriff "klein zu raspeln"

Der Geschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes (DPWV), Dr. Ulrich Schneider, wirft der für den "Reichtums- und Armutsbericht" zuständigen Ministerin Andrea Nahles vor, den Armutsbegriff zu eng zu fassen. Gegenüber dem SWR sagte Schneider: "Das Ziel dieser Aktion ist klar: Sie will den Armutsbegriff klein raspeln. [...] Wir können uns darauf einstellen, dass Frau Nahles weiter versuchen wird, den Armutsbegriff auf tatsächliches Elend zu reduzieren, so dass das Thema verschwindet. Wir können aber auch versprechen, es wird nicht gelingen, weil wir, der Paritätische und andere Wohlfahrtsverbände und viele Wissenschaftler, sehr lautstark dagegenhalten werden."

In der SWR Dokumentation "Leif trifft: Das arme Deutschland" am 16. März 2016, 20:15 Uhr im SWR Fernsehen, sagte Schneider: "Die Politik weiß sehr gut: Wenn sie wirklich Armut bekämpfen wollte, müsste sie in Deutschland tatsächlich umverteilen. Sie müsste den Reichen nehmen. Sie müsste die Erbschaftssteuer erhöhen. Sie müsste die Vermögenssteuer einführen. Sie müsste die Spitzensätze in der Einkommenssteuer erhöhen. Sie müsste einer Klientel wehtun, die ja offensichtlich sehr wichtig ist. Das will sie nicht und deswegen leugnet sie Armut, deswegen schreibt sie Armut klein."

Quelle: SWR - Südwestrundfunk (ots)

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