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Die Zahl rechtswidriger Hartz-IV-Sanktionen steigt

Archivmeldung vom 11.07.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.07.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Gerd Altmann / pixelio.de
Bild: Gerd Altmann / pixelio.de

Immer mehr Widersprüche gegen verhängte Sanktionen bei Hartz IV haben Erfolg, weil die Zwangsmaßnahmen entweder ganz oder teilweise rechtswidrig sind. Das ergibt sich aus einer statistischen Aufstellung der Bundesregierung, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland vorliegt, dem mehr als 30 Tageszeitungen angehören. 2014 ist danach die Quote der erfolgreichen Widersprüche bei Jobcentern von zuletzt 36,5 auf 37,4 Prozent, in absoluten Zahlen auf 56 716, gestiegen.

Die Bundesregierung räumt ein, dass im Jahr 2014 die Gerichte 41,1 Prozent der eingereichten Klagen gegen Sanktionen (6.370) teilweise oder ganz stattgegeben haben. Die Vorsitzende der Partei Die Linke, Katja Kipping, sagte dazu dem RedaktionsNetzwerk Deutschland, Sanktionen verletzten grundsätzlich das Grundrecht auf ein Existenzminimum. "Es ist darüber hinaus besonders skandalös, wenn in diesem grundrechtlichen Bereich auch noch massenhaft fehlerhaft und rechtswidrig das Existenzminimum gekürzt wird." Scheinbar sei der Sanktionswillkür "Tür und Tor geöffnet". Sanktionen bei Hartz IV und den anderen Grundsicherungen "gehören deshalb sofort und restlos abgeschafft", forderte Kipping.

Insgesamt wurden 2014 bei 4.387.178 erwerbsfähigen Leistungsbeziehern 1.001.103 neue Sanktionen festgestellt. Knapp 17 Prozent der Leistungsbezieher waren 25 oder jünger. Fast drei Viertel aller Sanktionen (73,8 Prozent), bei steigender Tendenz, wurden wegen Meldeversäumnissen verhängt. Leicht zurückgegangen sind die Maßnahmen aufgrund der Weigerung zur Arbeitsaufnahme oder zur Fortführung von Maßnahmen (118.614). Knapp elf Prozent (103.967) der Leistungsbezieher weigerten sich, Pflichten bei der Eingliederung, zum Beispiel Bewerbungen, zu erfüllen.

Derzeit liegt der Hartz-IV-Regelsatz für Alleinstehende bei monatlich 399 Euro. Sofern Leistungsbezieher Auflagen der Jobcenter ablehnen, können gegen sie Sanktionen verhängt werden. Berechtigte bis zum Alter von 25 Jahren unterliegen verschärften finanziellen Zwangsmaßnahmen. Rund 1,5 Milliarden Euro haben Hartz-IV-Bezieher in den vergangenen sieben Jahren wegen Sanktionen eingebüßt. 2014 bekamen die Betroffenen im Schnitt 107 Euro weniger - die Sanktionen machten 182 Millionen Euro aus. Beim ersten unentschuldigt versäumten Termin wird der Regelsatz um zehn Prozent gekürzt. Lehnt ein Langzeitarbeitsloser eine zumutbare Arbeit ab, kann das Jobcenter den Regelsatz für drei Monate um 30 Prozent, im Wiederholungsfall um 60 Prozent kürzen, notfalls auch komplett streichen. Fachleute halten das bisherige Sanktionsregime für zu verwaltungsaufwendig und fehleranfällig.

Im Bundesarbeitsministerium gibt es Überlegungen, wonach die Jobcenter bei ausbleibenden Pflichterfüllungen den Hartz-IV-Satz pauschal um 50 oder 100 Euro pro Monat mindern könnten. Strittig ist, ob die verschärften Sanktionen für Jugendliche generell gestrichen werden, aus Gleichheitsgründen, oder ob sie nur "vernünftig" entschärft werden sollen. Rechte und Pflichten sollen künftig "für alle Leistungsberechtigten in gleicher Weise" gelten, heißt es in einem vorliegenden Positionspapier des Arbeitsministeriums. "Wir peilen an, eine Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente und Rechtsvereinfachungen für Langzeitarbeitslose im Herbst auf den Weg zu bringen", kündigte der sozialpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Karl Schiewerling, an.

Die SPD-Sozialexpertin Katja Mast sagte, man müsse "die Sinnhaftigkeit der Sanktionen bei Geldern für die Unterkunft infrage stellen". Statt Menschen in Arbeit zu bringen, drohe bei der Kürzung von Mietkostenzuschüssen Obdachlosigkeit und eine weitere Entfernung vom Arbeitsmarkt. Sozialverbände beklagen, dass gerade viele junge Menschen wegen Sanktionen gar nicht mehr im Jobcenter vorstellig werden und sich stattdessen auf eigene Faust durchschlagen - notfalls kriminell. Rund 20.000 junge Menschen sollen nach Schätzungen aus der Betreuung von Jobcenter oder Jugendamt herausgefallen sein.

Quelle: Redaktionsnetzwerk Deutschland (ots)

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