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Umweltverbände klagen gegen Europas größtes Steinkohlekraftwerk an der Elbe

Archivmeldung vom 19.12.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.12.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Deutsche Umwelthilfe e.V.
Deutsche Umwelthilfe e.V.

Die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) und der Landesverband Schleswig-Holstein des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) haben heute beim Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein Klage gegen den Genehmigungsbescheid für das geplante Kohlekraft in Brunsbüttel eingereicht. Mit der Klage greifen die Umweltorganisationen die immissionsschutzrechtliche Grundlage für Europas größtes Steinkohlekraftwerk (1.820 MW) der kommunalen Beteiligungsgesellschaft SüdWestStrom (SWS) an.

"Neue Steinkohleblöcke belasten nicht nur die Anwohner, das Klima und die Natur über 40 oder 50 Jahre. Sie können angesichts des rasanten Ausbaus der Erneuerbaren Energien und der deshalb schrumpfenden Auslastung konventioneller Kraftwerke auch nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden", so DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake. Er erinnerte daran, dass auch die Bundesnetzagentur inzwischen damit rechnet, dass der Anteil der Erneuerbaren Energien in den nächsten 10 Jahren auf 40 bis 50 Prozent steigen wird. Diese hätten "Vorfahrt" in den Netzen. Investitionen in neue Steinkohlekraftwerke seien auch nach Einschätzung der Netzagentur heute nicht mehr attraktiv.

Baake forderte SüdWestStrom auf, die Kraftwerkspläne endgültig aufzugeben "bevor es für die beteiligten Stadtwerke richtig teuer wird". Erst kürzlich hatte Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Bündnis90/Die Grünen), der das Vorhaben lange Zeit befürwortete, das faktische Aus für das umstrittene Großprojekt verkündet. "Wer heute noch Milliarden in konventionelle Kohlekraftwerke an der Nordseeküste investiert, hat nicht verstanden, was die Energiewende bedeutet", kritisiert Baake. Neben vorrangigen Investitionen in Energieeinsparung und Effizienzsteigerung brauche Deutschland als Ergänzung zur fluktuierenden Einspeisung von Wind- und Sonnenenergie zusätzliche, leicht regelbare Gaskraftwerke. Darüber hinaus müsse die Kapazität von Pumpspeicherkraftwerken ausgebaut, neue Konzepte zur Stromspeicherung beschleunigt entwickelt, sowie die Realisierung regionaler Energiekonzepte und eine Glättung der Verbrauchsspitzen auf Seiten der Stromabnehmer technologisch vorangetrieben werden.

Die Verbandsklage stützt sich auf ein ganzes Bündel von Fehlern und Mängeln in der Ende Februar erlassenen immissionsschutzrechtlichen Teilgenehmigung des Landesamtes für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Schleswig-Holstein. BUND-Geschäftsführer Hans-Jörg Lüth nannte die Teilgenehmigung "in mehreren Punkten rechtsfehlerhaft", weshalb die Klage gute Erfolgsaussichten habe. So verstießen die mit der Inbetriebnahme der beiden Kohleblöcke verbundenen zusätzlichen Emissionen von Quecksilber in die Atmosphäre und in die Elbe gegen europäisches Recht. Die neue Oberflächengewässerverordnung gibt strenge Quecksilber-Grenzwerte für Fische, Muscheln und andere Wasserlebewesen vor, die in der Elbe bereits heute um ein Vielfaches überschritten werden. Die Verbände hatten schon im Juni 2010 in einem umfangreichen Rechtsgutachten nachgewiesen, dass die Grenzwerte zwingend einzuhalten seien und insbesondere kein zusätzliches Quecksilber in die Elbe eingetragen werden dürfe. Der Kraftwerksbetrieb würde außerdem zu Belastungen mit weiteren giftigen Schwermetallen wie Arsen, Cadmium und Blei, sowie zur Überschreitung von Lärm- und Feinstaub-Grenzwerten führen und so die Gesundheit von Anwohnern gefährden.

Naturschutzrechtlich besonders relevant sind nach Überzeugung der Kläger die Auswirkungen auf eine seltene Fischart, den Schnäpel (Coregonus oxyrhynchus). DUH und BUND haben gemeinsam mit Elbfischern nachgewiesen, dass sich dieser Fisch in der Elbe wieder angesiedelt hat, nachdem er lange Zeit in Deutschland als ausgestorben galt. Die Landesbehörden haben mittlerweile eingestanden, dass sie dies nicht widerlegen können. Der Schnäpel ist in die höchste europarechtliche Schutzkategorie (prioritäre Art nach der FFH-Richtlinie) eingestuft. Schon eine mögliche Beeinträchtigung dieser Fischart steht demnach der Genehmigungsfähigkeit des Kraftwerks entgegen.

Darüber hinaus würden die mit dem Kraftwerksbetrieb unvermeidlich erhöhten Stickstoffbelastungen in benachbarten FFH-Gebieten nach Überzeugung von DUH und BUND empfindliche Pflanzengesellschaften, die unter dem Schutz des EU-Naturschutzrechts stehen, zerstören. Auch seltene Zugvögel und Fledermäuse würden durch den Bau des Kraftwerks beeinträchtigt. Die vielfältigen negativen Rückwirkungen auf Flora und Fauna machten den Kraftwerksbau von vornherein rechtlich unzulässig, erklärten DUH und BUND.

"Die Genehmigungsbehörden in Schleswig-Holstein wollen offensichtlich noch vor den Landtagswahlen Fakten schaffen und laufen sehenden Auges in ein Datteln II", sagt Lüth, mit Blick auf das 2009 gerichtlich gestoppte Kohlegroßkraftwerk in Nordrhein-Westfalen. "Wer heute noch Kohlegroßkraftwerke plant, die unsere Umwelt und die Gesundheit über ein halbes Jahrhundert mit Millionen Tonnen Kohlendioxid und einem Cocktail anderer Schad- und Giftstoffe schädigen, handelt unverantwortlich und wird auf den entschiedenen Widerstand von Anwohnern und Klimaschützern stoßen".

In dem Klageverfahren werden DUH und BUND von dem Berliner Fachanwalt Peter Kremer vertreten, der bereits die Normenkontrollklage gegen den Bebauungsplan der Stadt Brunsbüttel für das Kraftwerk führt und das benachbarte Kraftwerksprojekt von GDF SUEZ Ende 2010 zu Fall brachte. Mit einer Entscheidung des Gerichts wird frühestens in einem Jahr gerechnet.

Quelle: Deutsche Umwelthilfe e.V. (ots)

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