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Schukalla: Förderung des tödlichen Erzes Uran ging immer zu Lasten der lokalen Bevölkerung

Archivmeldung vom 21.10.2019

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.10.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Fundort der Erzstufe von 1789 aus Pechblende bei Johanngeorgenstadt
Fundort der Erzstufe von 1789 aus Pechblende bei Johanngeorgenstadt

Foto: Urheber
Lizenz: CC BY-SA 2.0 de
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Wird Uran im Zuge der Renaissance der atomaren Abschreckung und im Kampf gegen den Klimawandel ein Comeback erleben? Patrick Schukalla: Ob das Uran ein Comeback erlebt, entscheidet sich vor allem an der Zukunft der zivilen Atomindustrie.

Lediglich mittelbar wird sich hier der erneute Rückgriff auf atomare Abschreckungsstrategien in der Sicherheitspolitik auswirken. Nicht zu erwarten ist ein forcierter Abbau von Uran zugunsten des Baus von Atombomben, vor allem, weil die USA, China und Russland über immense Vorräte angereicherten Urans verfügen. Der Kalte Krieg und die Aufrüstung der Atomarsenale brachte den ersten Aufschwung in Sachen Exploration und Abbau von Uran. Dennoch gibt es einen grundlegenden Zusammenhang zwischen der zivilen Nutzung der Kerntechnik und militärischen Atomprogrammen. Bestes Beispiel hierfür ist der im Südwesten Großbritanniens geplante Atommeiler-Neubau Hinkley Point C. Dieses Projekt ist mittlerweile ein Milliardengrab und macht weder energiepolitisch noch volkswirtschaftlich Sinn. Es zeichnet sich immer stärker ab, dass das eigentliche britische Interesse an dem Projekt die Erneuerung der eigenen Atom-U-Boot-Flotte ist. Und dafür braucht es den Erhalt der fachlichen Expertise und die Bereitstellung des Materials.

Ist es Zufall, dass die deutsche Uranerzbergbau GmBH aus Bonn zwischen 1978 und 1982 in Tansania nach Uran suchte oder steht die Uranindustrie in Afrika in der Kontinuität des Kolonialismus? Ein Zufall sieht anders aus, vielmehr schreibt die gesamte Geschichte des atomaren Zeitalters die Entwicklungslinien des kolonialen Zeitalters fort. Große Bergwerke in Afrika haben wir etwa in Namibia - größter Abnehmer ist Großbritannien. Niger spielt dieselbe Zuliefererrolle für seine einstige Kolonialmacht Frankreich. Der neokoloniale Aspekt von Françafrique ist hier überdeutlich. Tansania war zunächst eine deutsche Kolonie. Schon damals gab es eine intensive Ressourcenexploration. Sogar die ersten kleineren Uran-Vorkommen wurden damals gefunden, aber sie spielten noch keine große Rolle, weil die Kernspaltung erst später beherrscht wurde.

Erst die britischen Kolonialherren fahndeten dann intensiver und erfolgreich nach Uran in Tansania, um es für militärische Zwecke zu sichern und um es für den Aufbau einer zivilen Atomindustrie zu nutzen. Man griff damals auf andere Quellen zu, so dass die Vorkommen nie angekratzt wurden. In den 70er- und 80er-Jahren erinnerte sich dann die Bundesrepublik der ehemaligen Kolonie, als Versorgungssicherheit mit Uran ein Ziel deutscher Wirtschaftspolitik wurde. Großzügig bezuschusst aus Bonn wurde dann sehr ausgiebig nach Uran gesucht. Der Fall Tansania wirkt unspektakulär, weil es nie zu einem Bergbau kam. Dennoch ist er sehr geeignet, um die kolonialen Strukturen des Uranbergbaus in Afrika aufzuzeigen. Angesichts der Dramatik von Tschernobyl und Fukushima sowie der intergenerationellen Unverschämtheit einer ungelösten Endlagerfrage gerät die Sicherung der Uran- Vorkommen selten in die Bühnenmitte. Dabei ist sie ein tragender Teil dieser Industrie.

In die Bühnenmitte werden von ressourcenhungrigen Konzernen gerne die möglichen Profite für das Ursprungsland geschoben. Welche Erfahrungen hat Tansania in dieser Hinsicht mit der Ausbeutung der Goldvorkommen im eigenen Land gemacht? Der Goldabbau in Tansania ist das stärkste Beispiel für das ausbeuterische Wirken von Konzernen, die über die Schürfrechte für Bodenschätze verfügen. Vom Goldabbau blieben weder viele Steuern in Tansania hängen noch profitierte die lokale Bevölkerung von einer verbesserten Infrastruktur. Das ist noch heute ein großes Politikum in Tansania. Es kam zu Protesten, nachdem Sicherheitskräfte der Konzerne einheimische Bergleute vertrieben hatten, die die Bodenschätze rein manuell abbauten. Dabei war es auch zu Todesopfern gekommen. Der postkoloniale Staat Tansania hatte, auch aufgrund internationalen Drucks zur Deregulierung, nicht die Kraft, die Profite aus dem Gold-Abbau zugunsten der eigenen Bevölkerung einzusetzen.

In Tansania regiert seit Jahrzehnten die selbe Partei, die Presse ist weitgehend regierungshörig. Könnte es unter diesen Bedingungen irgendwelche Kontrolle der Uran-Konzerne geben? Tansania versuchte sich nach der Unabhängigkeit unter dem ersten Präsidenten Julius Nyerere an dem sehr ehrgeizigen Projekt eines afrikanischen Sozialismus. Der derzeitige Präsident, John Magufuli, beschwört zumindest rhetorisch wieder einen Ressourcennationalismus, also das Vorhaben, sich der eigenen Bodenschätze auch zu eigenem Nutzen - in diesem Fall einer Industrialisierung - zu bedienen. Die Kontrolle der Konzerne zum Schutz der eigenen Bürger dürfte hierbei zweitrangig sein.

Über Jahrzehnte waren der Kongo und Südafrika die wichtigsten Lieferanten des arfikanischen Kontinents, heute sind es Namibia und Niger. Haben die Länder vom Abbau profitiert oder nur ausländische Konzerne? In erster Linie die ehemaligen kolonialen Zentren. Sie profitierten von der gewonnenen Energie und davon, dass sie die Umweltkosten in die ehemaligen Kolonien auslagerten. Lokal haben sicherlich auch Eliten profitiert, auf keinen Fall aber die Arbeiter in den Bergwerken. Gerade aus Niger gibt es verheerende Berichte über erhöhte Krebsraten infolge der erhöhten Strahlenbelastung beim Abbau des Urans. Viele Menschen haben mit ihrer Gesundheit und ihrem Leben für den Profit ausländischer Konzerne bezahlt.

Was gibt es für ökologische Folgen in Namibia oder dem Niger? Um das zu verdeutlichen, müssen wir nicht nach Afrika blicken. Da reicht es, Sachsen und Thüringen ins Visier zu nehmen. Nach der Wende sind rund sieben Milliarden Euro in die Renaturierung der zerstörten Landschaften geflossen, die der Uranabbau in der Wismut hinterlassen hat - und das Ganze ist damit noch nicht abgeschlossen. Zu den großen Probleme im Uranbergbau zählen - neben dem radioaktiven Element Uran an sich - die Tailings genannten Rückstände. Sie entstehen, wenn das Uran aus dem Umgebungsgestein heraus gebrochen und ausgewaschen wird. Das geschieht zumeist mit Schwefelsäure. Der entstehende Schlamm wird in die Tailings, die Absatzbecken, gegossen. Aber er strahlt nicht nur, er ist auch noch hochtoxisch und sehr schwer zu binden. Uranbergbau verstrahlt und vergiftet die entsprechende Region. Die Aufarbeitung beziehungsweise Überdeckung der Rückstände kommt in den Kostenaufstellungen der Konzerne meist nicht vor. Sie werden in der Regel vergesellschaftet, müssen also von der Allgemeinheit getragen werden.

Sollte Deutschland aufgrund dieser eigenen Erfahrungen vom Abbau in anderen Ländern absehen? Ja, aber nicht nur das. Es sollte auch eine viel aktivere Rolle einnehmen beim Werben für einen wirklichen Atomausstieg. Zunächst sollte der eigene Ausstieg vollständig vollzogen werden, indem etwa auch die Atomanlagen in Gronau abgeschaltet werden. Zudem sollte das offensichtlich unsinnige Märchen von der Atomkraft als Klimaretterin widerlegt werden. Expertise beim Rückbau von Atomanlagen dürfte noch lange gefragt sein.

Leiden Länder mit Uranvorkommen unter einem zweifachen Ressourcenfluch?: So lange der Uranpreis im Keller ist, werden Vorkommen nicht abgebaut, es fließt kein Geld. Wird abgebaut, geht dies auf Kosten der Menschen der vor Ort. Das würde ich so nicht ausdrücken. Ein Anti-Atom-Aktivist aus Tansania hat mir auf die Frage, was die Abbaubestrebungen in seinem Land denn endgültig stoppen könnte, geantwortet: So zynisch es klingen mag, aber am besten für uns wäre ein zweites Fukushima. Natürlich wünscht auch er sich ein Ende der Uranbedrohung ohne derartige Verheerungen. Dieser GAU hat aber dafür gesorgt, dass die Nachfrage nach Uran eingebrochen ist. Beim Uran tritt der Ressourcenfluch erst ein, sobald Bergbau betrieben wird. Unterbleibt dieser, tritt an den Orten, an denen zuvor exploriert wurde - und die fortan in Unsicherheit gelebt haben -, eine Stabilisierung ein. Setzt Zentral-Tansania weiter auf Landwirtschaft statt auf Uranbergbau, wird die Ernährungssicherheit im Land gewährleistet.

Ab welchem Uran-Preis werden wieder begehrliche Blicke auf das tansanische Uran geworfen? Nach Fukushima ist der Abbau der explorierten Vorkommen in Tansania auf Eis gelegt worden. Die Unternehmen investieren nicht mehr, sichern lediglich ihre Bergrechte. Lediglich das Projekt am Mkuju River im Süden des Landes ist einige Schritte weiter - ausgerechnet im Weltnaturerbe Selous. Es gehört Rosatom, dem staatlichen Atomkonzern Russlands. Das könnte bei einem Preisanstieg aktiviert werden. Aber es gibt andere Vorkommen in Tansania mit fortgeschrittenen Explorationen, etwa in der zentral gelegenen Region Bahi. Sobald die Preise wieder ansteigen, werden die Spekulationen wieder starten. Im Süden Tansanias soll der Abbau etwa kostendeckend sein ab einem Preis von 50 Dollar pro Pfund Urankonzentrat, andere Quellen setzen aber einen Preis von 80 Dollar an, vieles ist hier Spekulation.

Zur Person

Patrick Schukalla studiert in Berlin, Frankfurt a.M. und Lyon, Fr.) Promovend der Humangeographie an der Goethe-Universität Frankfurt a.M. und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Zentrum Moderner Orient in Berlin in der Arbeitsgruppe Ressourcenpolitiken. Schukalla arbeitet zu den Uranbergbauplänen in Tansania. Er ist Mitautor des aktuellen "Uran Atlas" von Le Monde diplomatique, der Nuclear Free Future Foundation, der Rosa-Luxemburg-Stiftung und dem BUND.

Quelle: Landeszeitung Lüneburg (ots) von Joachim Zießler

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