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Wie erholt sich ein Tiefsee-Ökosystem von menschlichen Eingriffen?

Archivmeldung vom 24.11.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.11.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Manganknolle mit Bewuchs im Greifarm des ROV KIEL 6000.
Quelle: Foto: ROV-Team, GEOMAR (idw)
Manganknolle mit Bewuchs im Greifarm des ROV KIEL 6000. Quelle: Foto: ROV-Team, GEOMAR (idw)

Welche ökologischen Folgen hätte ein Abbau von Manganknollen in der Tiefsee? Wie wäre ein nachhaltiges Management dieser Tiefseeressourcen möglich? Diese Fragen sind während einer Reihe von Expeditionen mit dem neuen deutschen Forschungsschiff SONNE im Rahmen des vom BMBF unterstützten europäischen JPI Oceans Forschungsprojektes “Ecological Aspects of Deep-Sea Mining” im Pazifik untersucht worden. Wissenschaftler verschiedener deutscher und europäischer Einrichtungen haben insbesondere eine Region im östlichen äquatorialen Pazifik besucht, in der vor 26 Jahren in mehr als 4.000 Metern Wassertiefe ein Störungsexperiment durchgeführt worden war.

1989 wurde im Ostpazifik ein einzigartiges Experiment durchgeführt. Eine Gruppe deutscher Wissenschaftler pflügte ein etwa 11 km2 großes Gebiet am Meeresboden um, um Manganknollen zu entfernen, Sediment aufzuwirbeln und so die Auswirkungen eines möglichen Tiefseebergbaus auf das marine Ökosystem in der Tiefsee zu simulieren. Zwischen 1989 und 1996 kehrten die Forscher insgesamt viermal in das Störungsgebiet zurück, das DISCOL (Disturbance and Recolonization) Experimental Area benannt wurde. In diesem Jahr, fast drei Jahrzehnte später, haben Wissenschaftler aus Deutschland und mehreren europäischen Ländern erneut das Gebiet untersucht, um nachzuschauen, ob sich die Lebensgemeinschaften erholt haben. Unter Einsatz modernster Robotertechnologien ist die Verteilung und Funktion der Tiefseelebewesen in gestörten und ungestörten Bereichen untersucht worden. Mittlerweile sind alle Instrumente und Proben wieder in den Heimatinstitutionen, dem GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, dem Alfred-Wegener Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, dem MARUM, dem Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie und dem Senckenberg am Meer Institut, eingetroffen.

Mit Hilfe des autonomen Unterwasserfahrzeugs ABYSS vom GEOMAR wurden im Arbeitsgebiet hochauflösende Karten der Pflugspuren und Manganknollendichte sowie der Besiedlung durch Schlüsselarten gewonnen. Zusätzlich wurden biologische Proben genommen, um die Besiedlung der gestörten und ungestörten Manganknollenfelder abzuschätzen und Proben für taxonomische Bestimmungen zu gewinnen. Das ferngesteuerte Unterwasserfahrzeug ROV Kiel 6000 wurde für die gezielte Probenahme eingesetzt, um die Effekte auf Schlüsselfunktion des Ökosystems sowie geochemische Flüsse und bakterielle Aktivität und Verteilung in den umgepflügten Gebieten zu quantifizieren. Mit dem Roboter konnten auch Experimente zur Toxizität von metallischen Schlämmen mit typischen Tiefseeorganismen am Meeresboden durchgeführt werden. Zusätzlich wurde ein hochauflösendes Kamerasystem über den Tiefseeboden geschleppt, um auch kleine Lebewesen mit hoher Genauigkeit zu erfassen und zu zählen.

„Während der 23 Tauchgänge mit dem ROV Kiel 6000 konnten wir am Meeresboden Experimente durchführen und Tiefseeobservatorien absetzen“, erläutert Prof. Dr. Antje Boetius, vom Alfred-Wegener-Institut, die einen der Fahrtabschnitte leitete. „Unsere ersten Ergebnisse zeigen, dass das Entfernen der Manganknollen die Verteilung der Organismen am Meeresboden verändert hat“, so Prof. Boetius weiter. Viele Arten, wie zum Beispiel Schwämme, Korallen, Seelilien, wachsen an den Knollen fest, während andere Tiere sich wiederum an ihnen ansiedeln, ähnlich wie an Land Bäume mit Vögeln oder Insekten besiedelt sind. Die Wissenschaftler haben sowohl aus dem gestörten Gebiet wie auch aus unangetasteten Vergleichsregionen Tausende von Bilder vom Meeresboden sowie Hunderte von Proben für chemische und biologische Analysen gewonnen.

„Die geochemischen und mikrobiellen Analysen, die wir bereits an Bord durchgeführt haben, zeigen, dass sogar die bakterielle Aktivität in den Pflugspuren geringer als daneben in den ungestörten Bereichen ist. Das hat uns sehr überrascht“, erläutert Antje Boetius. „Hier sind weitere Untersuchungen in unseren Heimatlaboren notwendig.“

„Ein weiterer Einfluss des Tiefseebergbaus neben dem Entfernen der Knollen ist das Entstehen einer Sedimentwolke“, berichtet Dr. Matthias Haeckel vom GEOMAR. Tiefseesedimente können leicht aufgewirbelt werden und können so Schlammwolken bilden, die mit den Strömungen in der Tiefsee verdriften und so potentiell Organismen außerhalb des eigentlichen Abbaugebietes beeinflussen. Es ist bisher unbekannt, ob solche Sedimentwolken auch giftige Metalle transportieren und so von Organismen, wie zum Beispiel Korallen, aufgenommen werden, die Tiefwasser für die Aufnahme von Nährstoffen filtrieren. „Auch wenn wir noch viele Analysen von unseren sehr erfolgreichen Expeditionen durchführen werden, motiviert uns besonders, dass unsere Ergebnisse direkt in zukünftige Regelungen zum Schutz der Tiefseeumwelt einfließen, einschließlich der Planung von Schutzgebieten und der Verbesserung der Abbautechnologien zur Verringerung der Auswirkungen eines möglichen Abbaus“, so Dr. Haeckel abschließend. Das Thema Tiefseeressourcen, Tiefseebergbau und seine ökologischen Folgen ist eines der Themen, die vom BMBF in die G7-Gespräche der Wissenschaftsminister eingebracht wurden.

Quelle: GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (idw)

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