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Anpassung durch Veränderung: Beutefang zwischen zwei Welten

Archivmeldung vom 27.11.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 27.11.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Der Bergmolch "Ichthyosaura alpestris (Salamandridae)" jagt zu Wasser und zu Lande - mit unterschied
Quelle: Egon Heiss (idw)
Der Bergmolch "Ichthyosaura alpestris (Salamandridae)" jagt zu Wasser und zu Lande - mit unterschied Quelle: Egon Heiss (idw)

Bei Wirbeltieren unterscheiden sich Nahrungsaufnahme-Strategien zwischen land- und wasserbewohnenden Formen fundamental. Mit diesem Problem sind amphibisch lebende Tiere konfrontiert, die Nahrungsquellen aus beiden Welten – Land und Wasser – erschließen wollen. Eine Forschergruppe um Egon Heiss vom Department für Integrative Zoologie der Universität Wien veröffentlichte jetzt eine Studie über das Beutefang-Verhalten des Bergmolches, der dieses Problem mit Bravour meistert und das möglicherweise Einblicke in die frühe Evolution der Landwirbeltiere erlaubt.

Um potenzielle Beute überlisten zu können, muss ein Beutefangmechanismus schnell und koordiniert ablaufen. Aquatische Jäger saugen in der Regel ihre Beute blitzschnell ein, indem sie durch eine schnelle Volumenerweiterung des Mund-Rachenraumes einen Druckabfall erzeugen, der seinerseits durch einen schnellen Wassereinstrom über das geöffnete Maul ausgeglichen wird.

An Land allerdings würde das Saugschnappen wegen der geringen Dichte und Viskosität von Luft nicht funktionieren. Demzufolge mussten Wirbeltiere im Laufe ihrer terrestrischen Evolution auf Alternativen zurückgreifen. Während die ersten Landwirbeltiere ihre Beute noch mit ihren kräftigen Kiefern erbeuteten, gewann in weiterer Folge bei Amphibien und Reptilien ein neues Organ, die bewegliche Zunge, an Bedeutung. Energetisch vorteilhaft wird nicht der gesamte Körper zum Beutetier hin beschleunigt, sondern lediglich die Zunge aus dem Mund herausgeschleudert, um ein Beuteobjekt zu ergreifen und in den Mund zu ziehen.

Die Mechanismen des Saugschnappens und des Ergreifens der Beute mit der Zunge sind hocheffiziente Anpassungen an die Nahrungsaufnahme im jeweiligen Medium, beruhen aber auf spezielle strukturelle und funktionelle Anpassungen des gesamten Nahrungsaufnahme-Systems. Diese Mechanismen schließen sich daher gegenseitig aus, und amphibisch lebende Tiere können entweder die eine- oder andere Nahrungsaufnahme-Strategie verfolgen, aber nicht beide. Theoretisch.

"Dieses starre Dogma muss neu überdacht werden", erklärt der Zoologe Egon Heiss von der Universität Wien. In Kooperation mit Wissenschaftern der Universitäten Antwerpen und Gent untersuchte Heiss das Beutefangverhalten beim Bergmolch, einem Amphibium, das sich durch eine spezielle Lebensweise, dem "multiphasischen Lebenszyklus", auszeichnet.

Der multiphasische Lebenszyklus des Bergmolches

Bergmolche sind quirlige kleine Vertreter der Familie der Salamander und können bei Bergwanderungen in fast ganz Europa von Frühjahr bis Sommer in Pfützen und Teichen beobachtet werden. Im Spätsommer und Herbst hingegen sucht man sie dort vergebens. Der Grund dafür: Der Bergmolch verlässt gegen Spätsommer seine Laichgewässer und wandert in die nahe gelegenen Wälder und Wiesen ab, um von nun an ein terrestrisches Leben zu führen. Im kommenden Frühjahr allerdings sucht der Bergmolch wieder seine Laichgewässer auf, was seinen multiphasischen Lebenszyklus, ein saisonbedingter Wechsel zwischen einer aquatischen und einer terrestrischen Lebensphase, schließt.

Beutefang zwischen zwei Welten

Um die Dynamik des Beutefangmechanismus und den Einfluss des multiphasischen Lebenszyklus zu analysieren, filmte Egon Heiss Bergmolche im Labor bei der Nahrungsaufnahme mit einer High-Speed Kamera. Zunächst wurden sie in ihrer aquatischen Phase unter Wasser beobachtet, wobei die Tiere wie erwartet einen stereotypen Saugschnappmechanismus verwendet haben, um die Beute – eine Fliegenmade – blitzschnell einzusaugen. Als die Bergmolche allerdings Wochen später in die terrestrische Phase wechselten und an Land gingen, veränderte sich auch ihr Beutefangverhalten fundamental, und die Molche verwendeten plötzlich ihre Zunge, die aus dem Mund geschleudert wurde, um eine Fliegenmade zu fangen. "Das erstaunte uns sehr, da bisher angenommen wurde, dass sich die Mechanismen des Saugschnappens und Zungenschleuderns gegenseitig ausschließen", so Heiss.

Aber wie schnell können Bergmolche zwischen den zwei verschiedenen Beutefangmechanismen wechseln? Um diese Frage zu beantworten, wurden die Tiere zusätzlich in ihrer aquatischen Phase an Land gefüttert und in ihrer terrestrischen Phase auch unter Wasser. Überraschenderweise lernten die Tiere sofort, dass ein Zungenschleuder-Mechanismus unter Wasser ineffizient ist und alle Bergmolche verwendeten ohne Zögern denselben Saugschnappmechanismus wie in der aquatischen Phase, obwohl sie sich in der terrestrischen Phase befanden.

Interessanterweise konnten die Molche umgekehrt nicht sofort in den Zungenschleuder-Modus schalten, wenn sie in ihrer aquatischen Phase an Land gefüttert wurden und verwendeten ihre Kiefer um die Beute zu schnappen mit einem Bewegungsprofil, das irgendwo zwischen dem Zungenschleuder- und dem Saugschnappmechanismus liegt.

Diese Erkenntnisse legen den Schluss nahe, dass der aquatische Beutefangmechanismus, also das Saugschnappen, für die Molche ursprünglich ist und dass der Zungenschleuder-Mechanismus sekundär entstanden ist. Für diese Theorie spricht auch, dass bei einer genaueren Analyse der Zungenschleuder-Bewegungsdynamik ersichtlich wird, dass sich die einzelnen Bewegungsmuster vom aquatischen Saugschnapp-Bewegungsmuster ableiten lassen.

Eine stufenweise Veränderung eines ursprünglichen aquatischen Bewegungsmusters könnte aber nicht nur die schnellen Wasser-Land-Übergänge der Molche erklären, sondern u.U. auch ein grundlegendes Muster von stufenweisen Veränderungen erkennen lassen, welches den frühen Landwirbeltieren vor ca. 400 Millionen Jahren erlaubte, neue terrestrische Nahrungsquellen zu erschließen und damit das Land als neuen Lebensraum zu besiedeln.

Quelle: Universität Wien (idw)

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