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Fischer kämpfen gegen Windräder - Wenn Klimaschutz Natur zerstört

Archivmeldung vom 17.10.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.10.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Anja Schmitt
Blick auf den Offshore-Windpark Riffgat nordwestlich der Insel Borkum (links die Umspannplattform) bei leichtem Nebel
Blick auf den Offshore-Windpark Riffgat nordwestlich der Insel Borkum (links die Umspannplattform) bei leichtem Nebel

Foto: Impériale
Lizenz: CC BY-SA 4.0
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Zwar erzeugen Offshore-Windparks saubere Energie, aber sie schädigen oder töten Meerestiere in großem Umkreis. Sie gefährden auch die traditionelle Fischerei. In einem Brief an das Europäische Parlament fordern Fischerverbände einen Baustopp. Sputnik hat dazu Fischerkapitän Dirk Kraak gefragt.

Weiter heißt es hierzu in einem Bericht von Valentin Raskatov auf der Webseite des russischen online Magazins "Sputnik": "„Wir fordern einen Baustopp und wollen, dass alle Fakten rund um die Windenergie auf dem Meer auf den Tisch kommen“, sagt Kapitän Kraak im Gespräch mit Sputnik. „Wir fühlen uns durch die Natur dazu verpflichtet, mit der wir Fischer „eins sind“ und mit der wir leben, wogegen die Umweltschützer und Regierungen diese Pflicht vernachlässigen und einseitig auf CO2-arme Stromerzeugung blicken, weil sie glauben, damit das Klimaproblem zu lösen. Aber die erwähnen nie die Konsequenzen, die diese Energiewende in einem Naturreservat für die Lebewesen haben kann, die dort leben, wie auch für die Menschen, die dort seit Jahrhunderten arbeiten und für gesunde Mahlzeiten sorgen.“

Das Land haben sie längst erobert, aber das größte Potential für die Umwandlung von Windenergie in Strom entfalten Windkraftanlagen draußen auf dem Meer. Wenn auch der Anteil der küstennahen (Offshore-) Windparks mit bislang zwölf Prozent gering im Vergleich zu Windrädern an Land ist, so legen sie doch eine rasante Entwicklung zu: Ihre Leistung in Europa soll sich nach Angaben der Internationalen Wirtschaftsforums Regenerative Energien (IWR) allein zwischen 2009 und 2019 fast verzehnfacht haben. Sie sei von etwa 2000 MW auf über 18.000 Megawatt gestiegen.

Dieser Trend sorgt aber nicht nur für einen immer höheren Anteil von erneuerbaren Energien am europäischen Strommix, sondern besorgt auch Fischer, die jetzt um ihre Existenzen fürchten sowie um die Lebewesen, auf die die Installation und der Betrieb der Anlagen negative Auswirkungen haben sollen. Damit diese Sorgen nicht übergangen werden, haben nun Fischereiverbände von insgesamt sechs EU-Staaten, darunter Deutschland und die Niederlande, einen Brief an das Europäische Parlament geschrieben, in dem sie die Entwicklung kritisieren und verlangen, dass geltende Richtlinien nicht aus CO2-Einspar-Gründen übergangen werden.

Dirk Kraak ist Kapitän eines der insgesamt 1300 Fischkutter, die die Verbände vertreten. Er schildert im Sputnik-Gespräch die Problematik aus Sicht der Fischer und Organisationen, die die Unterwasserwelt der Meere erforschen.

- Herr Kraak, warum protestieren Fischer gegen Offshore-Windparks? Inwiefern ist die traditionelle Fischerei bedroht?

Die Fischer sind nicht gegen treibhausgasarme Formen der Energie. Aber wir sind über die Art und die Geschwindigkeit des Übergangs zu erneuerbarer Offshore-Energie besorgt. Uns beunruhigen die Auswirkungen von Windrädern auf die Meeresumwelt und den Verlust traditioneller Fischgründe. Wir dürfen diese industrialisierten Gebiete nicht betreten. 380 Gigawatt an Energie sollen im Nordatlantik generiert werden, was eine Fläche von über 100.000 Quadratkilometer beansprucht (ungefähr wie Bayern und Brandenburg zusammen, Anm. d. Red.). Ferner fordern Umweltschützer, dass diese Industrialisierung durch Naturreservate ausgeglichen wird, die ebenfalls für die Fischerei gesperrt sein werden. Ein europäischer Grüner Deal veranschlagt 30 Prozent Natur, die für die Fischer gesperrt werden, und der Hunger nach erneuerbaren Energien verlangt weitere 25 Prozent. Dazu kommen Gebiete, die wir ohnehin nicht befahren dürfen, wie Schifffahrtswege, Militärübungsplätze, europäische Wirtschaftszonen, die Zwölf-Seemeilen-Zone und die Schollenschutzzone in der Nordsee. Ich hoffe, Sie verstehen unsere Sorgen als Grundfischer, die auf die Gesundheit der Fischbestände und Krustentiere am Seegrund angewiesen sind, die uns seit Jahrhunderten mit guter Nahrung und gutem Einkommen versorgt haben.

Wir werden also sowohl durch dieses Klimaabkommen von Umweltschützern, als auch durch die Regierungen und die Energiegiganten bedroht.

- Sie kritisieren ja auch die Auswirkungen der Anlagen auf das Ökosystem Meer. Welche negativen Auswirkungen von Offshore-Windparks können Sie da draußen beobachten?

Wenn die Pfähle der Windräder in den Grund gerammt werden, erzeugt das viel Lärm. Die Energie, die da freigesetzt wird, lässt sich mit 30.000 Glühbirnen à 100 Watt vergleichen, die gleichzeitig eingeschaltet werden. Das Resultat ist ein Lärmpegel von 220 Dezibel . (Zum Vergleich: Ein durchschnittliches Rockkonzert erreicht eine Wert von 145 Dezibel – Anm. d. Red.) Lebewesen in einer Umgebung von bis zu sechs Kilometern werden augenblicklich getötet oder ernsthaft verletzt. Außerhalb dieser Zone werden Fische und andere Tierarten von der Schockwelle in einem Radius von 60 Kilometern gestört. Wir können bereits sehen, wie sich die Wanderbewegungen verschiedener Fischarten ändern. Es gibt da deutliche Veränderungen, wenn ich mir meine Fänge anschaue.

Wenn sie erst einmal aufgestellt sind, verändern die Windturbinen die Lebensräume und Laichplätze verschiedener Fischarten. Sie sorgen für Sandablagerungen, die die Fische nicht mögen, insbesondere Plattfische. Darüber hinaus sorgen die Vibration der Flügel und der elektrische Fluss durch die Kabel im Seegrund für eine starke elektromagnetische Strahlung. Das stört den Orientierungssinn der Fische. Die Strahlung verscheucht sie aus ihren Lebensräumen. Die Suche der Fische nach Fressfeinden und Beutetieren wird durch das elektromagnetische Feld der Windturbinen beeinträchtigt.

- Wie hat sich die Lage auf dem Meer aus Ihrer Sicht verändert? Welche Entwicklungen beobachten Sie? Sind Sie besorgt über die Zukunft?

Derzeit befinden sich die Fischerbestände in der Nordsee noch in einem hervorragenden Zustand. Nahezu 80 Prozent aller kommerziellen Fischarten entsprechen dem höchsten Nachhaltigkeitsstandard des „Maximum Sustainable Yield“. Wir sehen einen Anstieg der Biomasse und einen Rückgang der Fischsterblichkeit, da durch eine geringere Fischerflotte weniger Druck auf die Bestände ausgeübt wird. Diese Information stammt vom ICES (Anm. d. Red.: ICES ist der internationale Rat für Meeresforschung, eine zwischenstaatliche Organisation, die hauptsächlich den Nordatlantik sowie die Nord- und Ostsee erforscht und ihren Hauptsitz in Dänemark hat). Die Fischbestände befinden sich im Gleichgewicht, aber dieses Gleichgewicht ist durch all die genannten Probleme bedroht.

- In Ihrem Protestschreiben an das Europäische Parlament bemängeln Sie auch, dass beim Bau von Windparks europäische Standards nicht eingehalten werden. Welche Standards sind das?

Fischer wissen, dass großangelegte menschliche Aktivitäten im Meeresökosystem verheerende Folgen haben können. Genau deswegen wurden unterschiedlichste Abkommen zum Schutz der Meeresumwelt getroffen, vor allem OSPAR und ESPOO; eine Reihe von Regeln wurde aufgestellt, die auch für den Zubau von erneuerbaren Energien gelten. Diese besagen zum Beispiel, dass neue menschliche Aktivitäten in der Nordsee keine zusätzlichen negativen Auswirkungen auf das Ökosystem haben dürfen, dass man insbesondere andere Nutzer, in unserem Fall die Fischer, respektieren soll. Das Prinzip der Vorbeugung muss respektiert und es müssen grenzüberschreitende Untersuchungen durchgeführt werden. Diese besagen zum Beispiel, dass neue menschliche Aktivitäten in der Nordsee keine zusätzlichen negativen Auswirkungen auf das Ökosystem haben dürfen, dass man insbesondere andere Nutzer, in unserem Fall die Fischer, respektieren soll. Das Prinzip der Vorbeugung muss respektiert und grenzüberschreitende Untersuchungen durchgeführt werden. Die Auswirkungen von Offshore-Windparks auf Flora und Fauna, eine Umweltfolgenabschätzung sind deshalb von höchster Priorität bei der Bestimmung von Windarealen und für die Vergabe von Baugenehmigungen.

- Und wie werden diese Regeln ignoriert?

Nach dem ESPOO-Abkommen muss jedes Land verlässliche Untersuchungen durchführen und sich einen guten Überblick über das Ökosystem des Areals verschaffen. Danach muss grenzübergreifend geforscht werden und eine volle und bestätigte Umweltfolgenabschätzung verfügbar gemacht werden. In den Niederlanden macht das die Regierung selbst – der Metzger prüft sein eigenes Fleisch –, und eine Reihe von Vereinbarungen werden über Bord geworfen, um den Bauprozess zu beschleunigen.

Fischer verschiedener europäischer Mitgliedsstaaten sind ernsthaft um ihre Zukunft besorgt. Die Meere und ihre Ökosysteme sind bedroht. In unserem Brief an das Europäische Parlament schildern wir Fischer die gegenwärtigen dramatischen Entwicklungen in der Meeresumwelt infolge von Windenergie-Projekten. Wir hoffen, dass die Mitglieder des Europäischen Parlaments unsere Sorgen teilen und dass sie den Brief gründlich untersuchen.

Es ist Zeit zu handeln, bevor es zu spät ist. Wir zählen auf die Mitglieder des Parlaments, die es in der Hand haben, die Zerstörung der Meere, der Fischbestände, der Ökosysteme der Meere und der Existenzen der Fischer aufzuhalten."

Quelle: Sputnik (Deutschland)

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