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ROG: Mord an Journalist Hrant Dink nach zehn Jahren immer noch nicht aufgeklärt

Archivmeldung vom 18.01.2017

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.01.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Logo - Reporter ohne Grenzen e.V.
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Zehn Jahre nach der Ermordung des türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink fordert Reporter ohne Grenzen (ROG) die türkische Justiz auf, den Fall endlich lückenlos aufzuklären und alle Hintermänner zu verurteilen. Der Herausgeber der türkischen-armenischen Zeitung Agos wurde am 19. Januar 2007 in Istanbul erschossen. Zunächst wurden zwei Rechtsradikale als alleinige Täter zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, bis ein Gericht 2013 das Urteil kippte und eine gründliche Ermittlung auch gegen die mutmaßlichen Anstifter in die Wege leitete (http://t1p.de/9kw2). Mittlerweile stehen hochrangige Sicherheitsbeamte vor Gericht. Doch Dinks Familie wartet bis heute auf Gerechtigkeit.

"Von Beginn an gab es genug Hinweise, dass der Mord an Hrant Dink nicht die Tat einer kleinen Gruppe von Fanatikern war. Vieles deutete auf ein Mordkomplott hin, an dem auch Staatsbeamte beteiligt waren", sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Zehn Jahre nach der Ermordung Hrant Dinks muss die Justiz die Tat endlich lückenlos aufklären und die Drahtzieher verurteilen, und darf das Verfahren nicht für politische Zwecke missbrauchen."

Im Januar 2007 wurde Hrant Dink vor seinem Büro im Istanbuler Stadtteil Sisli erschossen. Der damals 53-Jährige hatte sich für die Versöhnung von Armeniern und Türken eingesetzt. Wegen seiner Artikel zum Massaker an den Armeniern war er immer wieder ins Visier der Justiz geraten. Im Jahr 2005 verurteilte ihn ein Gericht wegen "Beleidigung des Türkentums" zu einer Haftstrafe von sechs Monaten auf Bewährung (http://t1p.de/45ly).

Einen Tag nach dem Mord an Dink nahm die Polizei den damals 17-jährigen Rechtsradikalen Ogün Samast fest. Doch das Verfahren gegen den Schützen verlief schleppend und verzögerte sich (http://t1p.de/72x6). Bereits 2007 gab es Beweise, dass die Behörden insbesondere in der nordöstlichen Stadt Trabzon, wo Samast lebte, über die Pläne der Ermordung informiert waren. Dennoch weigerte sich die Justiz zunächst, die betroffenen Sicherheitskräfte strafrechtlich zu verfolgen (http://t1p.de/1wm1).

POLIZEI POSIERT MIT MÖRDER, BEWEISMATERIAL VERSCHWINDET

Ein paar Wochen nach der Ermordung strahlte der private Fernsehsender TGRT ein Video aus, auf dem Samast kurz nach seiner Verhaftung zu sehen ist. Er posiert mit einer türkischen Flagge für die "Erinnerungsfotos" lokaler Polizisten (http://t1p.de/ybr8). Die Anwältin der Familie gab damals zudem an, dass die Videobänder der Überwachungskamera einer Bank in der Nähe des Tatortes nach der Übergabe an die Polizei verschwunden waren (http://t1p.de/1wm1).

Im September 2010 stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenreche (EGMR) einstimmig die Mitverantwortung des türkischen Staates für die Ermordung Dinks fest (http://t1p.de/au64). Damit gaben die Richter in Straßburg der Klage von Rakel Dink, der Witwe des Ermordeten, statt und verurteilten den türkischen Staat zur Zahlung einer Entschädigungssumme an Dinks Familie. Laut EGMR hatte der türkische Staat die Europäische Menschenrechtskonvention verletzt, indem er versäumte, das Leben des Journalisten zu schützen, obwohl die staatlichen Organe - allen voran der Geheimdienst - über die Absichten der rechtsradikalen Täter aus erster Quelle informiert waren.

HOCHRANGIGE SICHERHEITSKRÄFTE VOR GERICHT

Im Juli 2011 verurteilte ein Jugendgericht in Istanbul Samast zu einer Haftstrafe von 22 Jahren und 10 Monaten (http://t1p.de/k1up). Ein halbes Jahr später verurteilte ein Gericht den Rechtsnationalen Yasin Hayal als Anstifter zu lebenslanger Haft.

Im Mai 2013 kippte der Kassationshof in der Türkei das Urteil, dass Samast im Auftrag eines einzigen Anstifters gehandelt haben soll und ebnete so den Weg für eine gründlichere Suche nach möglichen Hintermännern (http://t1p.de/9kw2). Im Januar 2015 nahm die Polizei die beiden türkischen Polizisten Özkan Mumcu und Muhittin Zenit fest. Weil sie den Mord an Dink trotz Informationen über einen drohenden Anschlag nicht verhindert und die Tat nicht ausreichend untersucht hatten, wurde ihnen "Fahrlässigkeit", "fahrlässige Tötung" und "Amtsmissbrauch" vorgeworfen. Es war das erste Mal, dass Staatsbedienstete wegen des Mordes gegen Dink angeklagt wurden (http://t1p.de/bxm1).

Im April 2016 begann ein Prozess gegen hochrangige Sicherheitsbeamte wegen möglicher Verbindungen zum Mord an Dink, darunter der ehemalige Polizeichef Istanbuls, Celalettin Cerrah (http://t1p.de/r38u). In dieser Woche finden nach Angaben der türkisch-armenischen Zeitung Agos, für die Dink gearbeitet hatte, weitere Anhörungen gegen hochrangige Beamte vor einem Gericht in Istanbul statt (http://t1p.de/fpqm).

Agos äußerte in einem Kommentar Ende 2014 die Befürchtung, die Regierung könne den Mord an Dink als "Waffe" gegen die Gülen-Bewegung nutzen (http://t1p.de/f2mg). Einige der Verdächtigen im Fall sollen angeblich eine Verbindung zur Gülen-Bewegung haben.

Auf der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit stand die Türkei bereits vor dem Putschversuch im Juli 2016 auf Platz 151 von 180 Staaten. Während des Ausnahmezustands, der vor einem halben Jahr verkündet wurde, hat die Repression gegen Journalisten ein nie gekanntes Ausmaß erreicht. Derzeit sitzen weit über 100 Journalisten in den Gefängnissen der Türkei. Weitere Infos zur Lage der Medien vor Ort finden Sie unter www.reporter-ohne-grenzen.de/türkei.

Quelle: Reporter ohne Grenzen e.V. (ots)

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