Forsa-Umfrage zeigt: 68 Prozent der Deutschen würden freie Arztwahl gegen schnellere Termine tauschen
Eine repräsentative forsa-Umfrage unter 8.583 Befragten im Auftrag des AOK-Bundesverbandes zeigt, wie groß der Problemdruck in der Bevölkerung bei der Verfügbarkeit von Facharztterminen ist: 68 Prozent der Deutschen würden die freie Facharztwahl gegen einen schnelleren Termin beim Facharzt tauschen, der nach einem Besuch des Hausarztes vermittelt wird.
Nur 29 Prozent der Befragten sprechen sich für die weiterhin freie Facharztwahl aus, auch dann, wenn diese mit längeren Wartezeiten verbunden wäre.
Die forsa-Umfrage zielt auf die Erhebung eines Stimmungsbildes in der Bevölkerung zum Primärversorgungssystem, das von der AOK-Gemeinschaft befürwortet wird und als Ziel im Koalitionsvertrag der neuen Regierung formuliert wurde. In diesem System würden die Hausarztpraxen in den meisten Fällen als erste Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten fungieren, um diese zielgerichtet und effizient durch das System zu leiten.
Ein weiterer Bestandteil des Primärversorgungsansatzes, welcher der Umfrage zufolge auf breite Zustimmung in der Bevölkerung stößt, ist das Vorhaben, anderen Gesundheitsberufen mehr Aufgaben in der Gesundheitsversorgung zu übertragen. Laut forsa-Umfrage finden dies 68 Prozent der Befragten sehr gut oder eher gut. Die AOK-Vorstandsvorsitzende Dr. Carola Reimann sagt: "Diese Ergebnisse sollten der neuen Regierung Mut machen, das Primärversorgungssystem durch echte Strukturreformen konsequent umzusetzen. Damit könnten einige der drängendsten Probleme in der ambulanten Versorgung gelöst werden."
Als Ergebnis würde ein Primärversorgungssystem Reimann zufolge für mehr Patientenorientierung und einen besseren Zugang sorgen. "Außerdem würde es dabei helfen, die zahlreichen doppelten oder überflüssigen Untersuchungen zu stoppen, die angespannte Situation bei der Terminvergabe an GKV-Versicherte in den Griff zu bekommen, und es würde insgesamt zu einem effizienteren Einsatz von Beitragsmitteln führen, zu dem die Politik dringend wieder zurückfinden muss."
Mehrheit der GKV-Versicherten hat Diskriminierung bei Terminvergabe erlebt
Besonderen Handlungsbedarf sieht die AOK-Gemeinschaft auch beim Thema Diskriminierung von GKV-Versicherten bei der Terminvergabe. So gaben im Rahmen der forsa-Umfrage 56 Prozent der GKV-Versicherten an, schon einmal erlebt zu haben, bei der Terminvergabe gegenüber Privatversicherten benachteiligt worden zu sein. Die Mehrheit davon hat dies mit 43 Prozent bei der telefonischen Terminvergabe erlebt, gefolgt von 28 Prozent bei der Online-Terminvergabe.
17 Prozent der gesetzlich krankenversicherten Befragten haben zudem angegeben, nur deswegen schon einmal zeitnah einen Arzttermin bekommen zu haben, weil sie zusätzlich oder alternativ eine Selbstzahler- oder IGEL-Leistung gebucht haben. Reimann: "Das verstößt ganz klar gegen alle Spielregeln und darf so nicht mehr stattfinden. Mit der Reform der ambulanten Versorgung muss die neue Regierung auch die Probleme bei der Terminvergabe an GKV-Versicherte in den Griff bekommen." Es könne nicht sein, dass sich für die GKV-Versicherten die Beitragsspirale immer weiter nach oben drehe, gleichzeitig aber Termine bevorzugt an Privatversicherte vergeben oder Terminkapazitäten, die für gesetzlich Krankenversicherte vorgesehen sind, an vermeintlich freiwillige Zuzahlungen gebunden werden.
Ziel müsse es laut Reimann sein, dass GKV-Versicherte, die eine dringliche oder komplexere medizinische Versorgung benötigen, diese auch sicher und rechtzeitig erhalten. Um sicherzustellen, dass sich die Terminvergabe künftig ausschließlich an medizinischem Behandlungsbedarf und Dringlichkeit orientiert, spricht sich die AOK-Gemeinschaft flankierend zur Primärversorgung für ein verbindliches, standardisiertes Ersteinschätzungsverfahren aus sowie für den Ausbau der Terminvermittlungsstellen der Kassenärztlichen Vereinigungen und eine verpflichtende Terminmeldung freier Termine durch Vertragsärzte. Dadurch, so Reimann, könne mehr Transparenz hinsichtlich freier Kapazitäten erreichen werden.
AOK-Positionen zur Primärversorgung: Die AOK-Gemeinschaft sieht in der Etablierung der Primärversorgung ein Transformationsprojekt, das in der kollektiven Regelversorgung umgesetzt werden sollte. Demnach sollten auf Bundesebene Mindeststandards vereinbart, auf regionaler Ebene aber Spielräume für die regional Verantwortlichen aufgrund der schon jetzt sehr unterschiedlichen Versorgungslagen eingeplant werden. Die Hausarztzentrierte Versorgung muss nach den Vorstellungen der AOK ein freiwilliges Angebot werden, mit dem die Vertragspartner ergänzende oder auch ersetzende Versorgungsangebote entwickeln können.
Datenbasis: Die Umfrage wurde von forsa in Kombination von telefonischer Befragung und Online-Erhebung unter 8.583 Befragten zwischen dem 27. März bis zum 7. April 2025 durchgeführt.
Quelle: AOK-Bundesverband (ots)