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Neue ITX-Spitzenwerte in Karton-Säften

Archivmeldung vom 08.02.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.02.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Deutsche Umwelthilfe findet immer höhere Belastungen mit der Druckchemikalie ITX in Fruchtsäften und Wellnessdrinks - Verbraucherschutzminister Seehofer bleibt untätig - Tetra Pak und Elopak stehlen sich aus der Verantwortung.

Die Belastungen von Frucht- und Gemüsesäften in Kartonverpackungen mit der Druckchemikalie Isopropylthioxanton (ITX) erreichen erheblich höhere Werte als bisher befürchtet. Das geht aus einer dritten Serie der von der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) veranlassten Untersuchungen hervor. Als Spitzenkontamination wurde jetzt ein Wert von 447 Mikrogramm pro Kilogramm (µg/kg) in einem beim SB-Warenhaus Kaufland vertriebenen Aloe-Vera-Drink im 0,75 l Karton (Verpackung: Elopak) gemessen. Ein bei Metro verkaufter Karton-Orangensaft "hohes C" in der 0,2 l "Kinderpackung" wies eine Belastung von 247 µg/kg und ein "Gemüsesaft Tomate TIP TOLL IM PREIS" der Handelskette Real im 1-l-Karton enthielt 59 µg ITX/kg Saft (Verpackung in beiden Fällen: Tetra Pak). Damit liegen die Spitzenbelastungen um einen Faktor von fast neun über dem Grenzwert von 50 µg/kg, dessen Überschreitung bei der Zulassung von Verpackungen normalerweise umfangreiche Toxizitätsuntersuchungen auslöst. Insgesamt 11 von 25 in den vergangenen Tagen im Auftrag der DUH untersuchte Karton-Säfte enthielten die Chemikalie ITX, die im Druckprozess zur raschen Trocknung der Farben auf der Verpackung eingesetzt wird.

"Wenn Druckchemikalien in Rekordkonzentrationen in Karton-Säften und so genannten Wellness-Drinks auftauchen, ist das ein Fall für den Verbraucherschutzminister. Horst Seehofer muss endlich handeln", forderte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch bei der Vorstellung der aktuellen Untersuchungsergebnisse. Schwere Vorwürfe erhob Resch gegen die Verpackungshersteller Elopak und Tetra Pak. Beide Unternehmen seien über die ITX-Kontaminationen schon monatelang informiert gewesen, bevor diese im November 2005 erstmals in Italien öffentlich bekannt wurden. Elopak habe besorgte Fruchtsaftabfüller "mit abwiegelnden Schreiben hinters Licht geführt". Gegenüber seinen Industriekunden habe das Unternehmen sogar geleugnet, dass ITX überhaupt in Fruchtsäfte gelange. Tetra Pak habe die Aussagen der Europäischen Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) verfälscht zitiert und als "Persilschein für eine angebliche Unbedenklichkeit von ITX" uminterpretiert. Den hatte die EU-Behörde aus Mangel an toxikologischen Studien ausdrücklich nicht ausgestellt, sondern im Gegenteil auf die fehlenden toxikologischen Tests hingewiesen.

Als "dreisten Versuch der Verpackungshersteller, sich aus der Verantwortung zu stehlen" bezeichnete Resch die der DUH aus Kreisen der Abfüller bekannt gewordene Praxis der Firmen Tetra Pak und Elopak, der Fruchtsaftindustrie nicht nur den entstandenen Schaden unverkäuflicher, ITX-belasteter Säfte nicht ersetzen zu wollen. Vielmehr säßen viele Abfüller darüber hinaus auf vollen Lagern ITX-haltiger Kartonagen. Statt diese zurückzunehmen und durch ITX-freie Ware zu ersetzen, verlangten die Verpackungshersteller die volle Bezahlung von der Fruchtsaftindustrie georderter einwandfreier Ersatzware. Resch: "Diese Praxis stellt nicht nur das Verursacherprinzip auf den Kopf. Es wächst auch die Gefahr, dass viele der unter ökonomischen Druck geratenen Getränkeabfüller ihre ITX-haltigen Kartons in den kommenden Wochen und Monaten aus ökonomischen Zwängen heraus in der Hoffnung aufbrauchen, dass diese unentdeckt bleiben." Von den verantwortlichen Unternehmen Tetra Pak und Elopak verlangte der DUH-Geschäftsführer, ITX-haltige Rohkartonage vollständig zurückzurufen und die Abfüller zu entschädigen.

Verbraucherschutzminister Seehofer forderte Resch auf, "angesichts der immer brisanteren ITX-Messergebnisse, sein monatelanges Phlegma in dieser Sache aufzugeben und wie die Behörden in Italien oder Kroatien zu erkennen, dass es seine Aufgabe ist, die Verbraucher und Verbraucherinnen zu schützen und nicht mächtige Verpackungsunternehmen." Alles andere grenze an "Kumpanei des Ministers mit den Verpackungsherstellern zulasten der Abfüller." Solange Seehofer untätig bleibe, hätten die an diesem Chemieskandal unschuldigen Fruchtsaftabfüller kaum Chancen, sich den entstandenen Schaden von Tetra Pak, Elopak oder ihren Versicherungen ersetzen zu lassen.

Die Leiterin Verbraucherschutz und Recht der DUH, Cornelia Ziehm, forderte Seehofer erneut auf, eine vollständige Liste ITX-belasteter Produkte zu veröffentlichen, statt sich weiter wegzuducken. Ziehm erinnerte den Minister an den nicht einmal 100 Tage alten Koalitionsvertrag. Darin hatte die Große Koalition unter der Überschrift "Lebenswertes Deutschland" vollmundig versprochen: "Die Verbraucher müssen so informiert sein, dass sie selbstständig entscheiden und auswählen können. Wir stehen zum Leitbild der mündigen Verbraucher als eigenverantwortlich handelnde Konsumenten und Marktteilnehmer."

Ziehm: "Das bleibt pure Lyrik, solange dem eigenverantwortlichen Konsumenten die grundlegenden Informationen vorenthalten bleiben. Vorsorgender Gesundheits- und Verbraucherschutz sieht anders aus." Ziehm warf Seehofer vor, die Erkenntnisse der europäischen und deutschen Behörden zur Überwachung der Lebensmittelsicherheit nur selektiv weiterzugeben. So habe das wissenschaftliche Gremium der EFSA am 7. Dezember 2005 erklärt, dass über genotoxische Untersuchungen hinaus keine weiteren Toxizitätsdaten zu ITX vorlägen. Während die Wissenschaftler eine andere Druckchemikalie (EHDAB) vom Verdacht der Giftigkeit freisprachen ("weder genotoxisch noch teratogen"), hieß es an gleicher Stelle zu ITX: "Angesichts fehlender Toxizitätsdaten sind keine weiteren Aussagen zur Unbedenklichkeit möglich." Praktisch gleichlautend hatte sich auch das Seehofer unterstellte Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) geäußert ("Für eine vollständige gesundheitliche Bewertung liegen dem Institut nicht genug Daten vor"), ohne dass sich diese Ambivalenz bis heute in den Verlautbarungen des BMELV niedergeschlagen hätte.

Eva Leonhardt, Projektleiterin Kreislaufwirtschaft der DUH, erinnerte an die grundlegende Regelungslücke, die die ITX-Misere erst möglich gemacht habe. Weil es für die auf Getränkekartons aufgebrachten Druckchemikalien bisher keinerlei Vorschriften oder Grenzwerte gebe, fühle sich niemand verantwortlich. Leonhardt: "Die Katze beißt sich in den Schwanz: Ohne gesetzliche Regelung werden ITX und andere Druckchemikalien nicht ausreichend untersucht. Daraus ziehen die Verantwortlichen den Schluss: Ohne Untersuchung keine Gesundheitsgefährdung, ohne Gesundheitsgefährdung kein Handlungsbedarf und keine Notwendigkeit für gesetzliche Regelungen. Der Dumme ist der Verbraucher, der nicht wissen kann, ob er mit dem Wellness-Drink in einer Kartonverpackung auch noch einen kostenlosen Chemiecocktail als Beigabe zu sich nimmt."

Quelle: Pressemitteilung Deutsche Umwelthilfe e.V.

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