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Münkler: Zum Mauerfall führte eher der Wunsch nach Wohlstand als fehlende Freiheit

Archivmeldung vom 08.11.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.11.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Rainer Sturm / pixelio.de
Bild: Rainer Sturm / pixelio.de

Mit unbequemen Analysen blickt der Politologe Herfried Münkler auf den 25. Jahrestag des Mauerfalls. In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag) wies der Erfolgsautor ("Der Große Krieg", "Die Deutschen und ihre Mythen") jetzt darauf hin, dass die Wende eher auf dem Streben nach Wohlstand als nach Freiheit beruhte. "Zum Zusammenbruch des Regimes der DDR hat geführt, dass das Freiheitsbegehren einer kleinen, fast avantgardistisch agierenden Gruppe und das Wohlstandsbegehren einer großen Mehrheit zusammengekommen sind", sagte der Professor der Berliner Humboldt-Universität.

Münkler weiter: "Aus der Sicht der herrschenden Eliten hat das Wohlstandsbegehren womöglich den größeren Druck entfaltet. Das Freiheitsbegehren wäre noch zu unterdrücken gewesen, aber die Eigenständigkeit der DDR wäre nur aufrecht zu halten gewesen, wenn das Regime der DDR den Wohlstand der Bevölkerung um 20 bis 30 Prozent gesenkt hätte. Das war einfach nicht durchzusetzen."

Münkler führte aus, dass viele Ostdeutsche "durch vierzig Jahre DDR und davor noch einmal zwölf Jahre Nationalsozialismus entwöhnt worden sind, Initiative und Verantwortung zu entwickeln". Dieser Effekt wirke bis heute, wenn er auch nachlasse. Eine weitere soziale Folge zeige sich durch die Abwanderung. Vor allem besser gebildete Frauen seien wegen beruflicher Perspektiven in den Westen gezogen. "Es ist eine andere Frage, ob sie im Süden und Südwesten Deutschlands glücklich geworden sind. In der Regel haben Sie dort nicht geheiratet und keine Kinder bekommen", hat Münkler beobachtet. Im Nordosten seien derweil "frustrierte junge Männer zurückgeblieben, die eine starke Neigung nach Rechts haben, teilweise zu fremdenfeindlichen und rassistischen Gruppierungen. Bei diesen Männern muss nicht von vornherein rechtsradikales Gedankengut vorhanden gewesen sein. Aber sie fühlen sich zurückgelassen und alleingelassen. Das ist auch nicht mehr reparabel", führte der Spezialist für politische Ideengeschichte aus.

Gleichwohl ist die innere Einheit Deutschlands für Münkler weitgehend gegeben. Das relativ geringe politische Interesse sieht er als nicht dramatisch an: "Die Wahlbeteiligung in den neuen Bundesländern liegt höher als in den USA." Und wenn der Umtauschkurs zwischen der Mark der DDR und der D-Mark wegen seiner Höhe auch zu einer folgenschweren Deindustrialisierung des Ostens geführt habe, sei "schwer zu sagen, wie das anders hätte organisiert werden können, ohne eine Völkerwanderung Richtung Westen auszulösen". Inzwischen hätten sich viele politische Maßnahmen nach der Wende als richtig herausgestellt. "Die unmittelbare Wirkung auf das Leben der Menschen war allerdings verheerend", schloss Münkler.

Münkler: Deutschland ist neue Zentralmacht Europas

Der Politologe und Erfolgsautor Herfried Münkler ("Der Große Krieg", "Die Deutschen und ihre Mythen") hat zu mehr Verständnis für die gegenwärtige russischen Politik aufgerufen. In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag) erklärte der Wissenschaftler mit Blick auf den 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs in diesem Jahr, "wenn wir uns daran erinnern, dass die Wiener Politik 1914 durch Niedergangsängste und die Berliner Politik durch Einkreisungsängste geprägt war und dass das zu heiklen Reaktionen geführt hat, dann müssten wir in der Lage sein zu begreifen, dass auch die russische Politik heute durch Niedergangs- und Einkreisungsängste geprägt ist." Vor diesem Hintergrund "können wir vielleicht ein wenig geschickter und flexibler gegenüber Putin und der politischen und militärischen Elite in Russland reagieren", sagte der Professor der Berliner Humboldt-Universität.

Der Spezialist für politische Ideengeschichte rechnet mit einer weiter erstarkenden Rolle der Bundesrepublik: "Die Deutschen sind mit ihrer zentralen Lage in der Mitte Europas politisch gefordert." Bundespräsident Joachim Gauck, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Ursula von der Leyen als Verteidigungsministerin hätten diesen Rollenwandel in diesem Frühjahr bei der Münchener Sicherheitspolitik lanciert. "Dieses Thema wird die deutsche Politik in den nächsten Jahren stark beschäftigen", sagte Münkler voraus. "Mit der Eurokrise ist sichtbar geworden, welch ungeheures Gewicht und damit welch große politische Macht Deutschland in der Mitte Europas hat." Dadurch habe sich die politische Geografie verändert. "Heute hat Deutschland die Aufgabe, das verfasste Europa zusammenzuhalten und zu verhindern, dass Nord- und Südeuropa auseinanderdriften. Die neue Aufgabe der Bundesrepublik ist die Integration. Damit ist Deutschland die neue Zentralmacht Europas."

Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung (ots)

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