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Die Suche nach dem echten Schiller-Schädel ist beendet

Archivmeldung vom 18.11.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.11.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Friedrich Schiller (1759–1805), Ölgemälde von Ludovike Simanowiz 1793/94
Friedrich Schiller (1759–1805), Ölgemälde von Ludovike Simanowiz 1793/94

Seit Mai vorigen Jahres steht fest, dass keiner der Schädel, die bisher Schiller zugeschrieben wurden, der "echte" Schiller ist. Zu diesem Ergebnis kamen Forscher wie Prof. Ursula Wittwer-Backofen vom Institut für Anthropologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.

In Kooperation mit dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) und der Stiftung Weimarer Klassik untersuchte die Anthropologin Schädel, die in der Fürstengruft in Weimar gefunden wurden. Ebenfalls an dem Projekt beteiligt war die Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universität Freiburg mit Dr. Marc Christian Metzger. Der Schädel von Schiller wurde offensichtlich vertauscht mit einem Schädel, der ähnliche morphologische Züge und ein vergleichbares Gebiss aufwies. Nur einem ausgewiesenen Schädelexperten, der zudem Zugang zum Kassengewölbe in Weimar hatte, trauten die Anthropologen einen solchen Coup zu.

Die Frage stellte sich, wo der echte Schädel hingekommen sei und ob es Spuren gäbe, die zu ihm hinführten. Die Spurensuche war Thema des Folgeprojektes "Schillers Schädel-Schicksal" des Mitteldeutschen Rundfunks, das vergangenen Sonntagabend ausgestrahlt wurde. Ausgehend von den großen Schädelsammlern des 19. Jahrhunderts, geriet vor allem ein Schädelgelehrter ins Visier der Wissenschaftler. Der Anatom August von Froriep hatte nicht nur Zugang zum Kassengewölbe, er war es, der im Jahre 1826, 21 Jahre nach Schillers Tod, aufgerufen war, die Echtheit des Schädels festzustellen. Er identifizierte einen Schädel als Schillers Schädel, den Goethe im gleichen Jahr aus dem Kassengewölbe holte. Die Anthropologen fügten alle Puzzelsteine zusammen und kamen zu dem Schluss, dass der Austausch schon vor der Echtheitsbestimmung erfolgt sein musste. Alle Abgüsse, vermutlich auch die Totenmaske Schillers, beruhen auf dem falschen Schädel. Mit kriminalistischem Spürsinn kam Prof. Wittwer-Backofen mit Froriep einem Schädelexperten auf die Spur, der die nötigen Kenntnisse besaß, Zugang zum Gewölbe hatte, Schillers Gebiss kannte und vor allem ein Motiv hatte. Als Schüler des berühmten Schädelsammlers Franz Joseph Gall wusste er, wie begehrt zu jener Zeit der Schädel eines Prominenten war und wie sehr seine eigene Sammlung an Wert gewinnen würde. "Die Anatomen haben zu jener Zeit Schädel wie Briefmarken gesammelt", sagt Wittwer Backofen.

Für Verblüffung sorgte, dass der falsche Schädel das gleiche Schwermetallmuster aufwies wie es Schillers echter Schädel aufgrund der blei- und arsenhaltigen Tapete in seinem Arbeitszimmer wohl gezeigt hätte. Der Anatom Froriep hatte in eine Tuchhändlerfamilie eingeheiratet und die Arbeiter waren aufgrund der Produktionsbedingungen mit Schwermetallen belastet. Möglicherweise hatte er sogar einem toten Arbeiter die Totenmaske abgenommen, den Schädel abgetrennt, in das Kassengewölbe geschafft und dafür Schillers Schädel entwendet.

Frorieps Sammlung gelangte durch seinen Enkel an die Tübinger Universität, wo sich noch etwa 200 der ursprünglich 1.500 Schädel umfassenden Sammlung befinden. Die Freiburger Anthropologen analysierten tagelang aufgrund der Morphologie und anhand des Gebisses die Reste der Sammlung mit Unterstützung des Tübinger Anthropologen Dr. Alfred Czarnetzki und des Kurators Dr. Michael Francken und wählten zwei Schädel für die DNA-Analyse aus. Beide stimmten nicht mit Schillers Gencode überein, so dass fest steht: In der Tübinger Sammlung ist der Schädel nicht mehr. Er kann als Tauschobjekt in andere Sammlungen dieser Zeit gewandert oder verloren gegangen sein. "Damit ist die Suche jetzt offiziell beendet", sagt Wittwer-Backofen. Der Aufwand stehe in keinem Verhältnis mehr zu einem möglichen Ergebnis. Die Spur des vermutlich spektakulärsten Schädelraubes des 19. Jahrhunderts führt ins Nichts.

Quelle: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau

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