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Prof. Klaus-Jürgen Bruder: "Ohne Medizin, Psychiatrie und Psychologie ist Krieg nicht durchführbar"

Archivmeldung vom 13.02.2023

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 13.02.2023 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić
Deutsche Verwundete in einem Lazarett an der Ostfront, 1915 Bild: www.globallookpress.com / Scherl
Deutsche Verwundete in einem Lazarett an der Ostfront, 1915 Bild: www.globallookpress.com / Scherl

Die Kooperation zwischen Bundeswehr und Psychotherapeuten wird seit einigen Jahren stetig ausgebaut. Seit dem Bundeswehr-Einsatz in Jugoslawien sind Psychologen bei der Truppe immer gefragter. Neben Psychotherapien für kriegsgeschädigte Soldaten beraten Psychologen bei der Führung der Truppe und forschen über Angstreduzierung und Emotionskontrolle. Dies berichtet Felicitas Rabe im Magazin "RT DE".

Weiter berichtet Rabe auf RT DE: "Zusammenfassung des Interviews von Gunther Sosna mit Prof. Klaus-Jürgen Bruder und der Psychoanalytikerin Dr. Almuth Bruder-Bezzel:

Unter dem Titel "Soldatinnen und Soldaten – Dienst, Einsatz und Belastungen" fand am Dienstag eine Kooperationsveranstaltung zwischen der Psychotherapeutenkammer Berlin und der Bundeswehr statt. Im Vorfeld hatte die Neue Gesellschaft für Psychologie (NGfP) diese organisierte Zusammenarbeit zwischen der Institution der Psychotherapeuten und dem deutschen Militär kritisiert. Damit würde das Neutralitätsgebot und der demokratische Anspruch der Therapeutenkammer verletzt, hieß es in der Protestnote vom 30. Januar.

Der NGfP-Vorsitzende Prof. Dr. Klaus-Jürgen Bruder sowie die Psychoanalytikerin Dr. Almuth Bruder-Bezzel erläuterten ihre Kritik in einem von dem Journalisten Gunther Sosna geführten ausführlichen Interview, welches auf dem Online-Portal des Fachmagazins Neue Debatte veröffentlicht wurde.

Das Militär sei nicht nur ständig auf der Suche nach Mitteln, um einen vermeintlichen oder tatsächlichen Feind bei Bedarf zu schädigen oder zu vernichten, hieß es in dem Beitrag, es würde auch kontinuierlich nach Möglichkeiten gesucht, die Angst der eigenen Soldaten vor Verletzungen, dem Tod, den Kriegsgräueln und dem Geschrei der Opfer zu beherrschen. Die Psychologie würde gebraucht, um Menschen – seien es Soldaten oder Zivilisten – so auf einen Krieg vorzubereiten, dass sie den Zustand totaler Gewalt emotionslos annehmen könnten. Es ginge auch darum, zu lernen, Angst als Normalzustand zu akzeptieren.

Grundsätzlich wirkten sich das Durchleben von Ängsten, das ungezügelte Ausleben von Aggressionen, Verletzungen und die Erwartung von Gewalt sowie tatsächliche Gewalterfahrungen immer auf die Psyche aus, stellte Bruder-Bezzel dazu fest. In der Militärpsychiatrie und -psychologie teile man die Aufgaben für die Psychiater und Psychologen bei einem Kriegseinsatz in drei Schritte ein: Prävention, Einsatz-Durchführung und Nachbereitung – auf all diesen Ebenen seien Psychologen tätig. Außerdem gehöre beim Militär die psychologische Vorbereitung, also etwa das Einschwören auf den Feind durch Kriegspropaganda zum Aufgabenbereich der Psychologie.

Ob Erlebnisse zu einem Trauma, einer sogenannten posttraumatischen Belastung führten, hänge von verschiedenen Faktoren ab. Die posttraumatische Belastungsstörung – der Interviewer Sosna nannte sie "Irre durch Krieg" – sei bei Soldaten sogar eine anerkannte Berufskrankheit.

Bruder wies während des Gesprächs noch einmal darauf hin, dass in Deutschland das Soldatentum nicht immer so freiwillig sei, wie viele annähmen. Im Ernstfall würde man eingezogen. Dies habe Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, erst kürzlich betont: "Grundsätzlich gilt das Ende der Dienstpflicht ausschließlich in Friedenszeiten", zitierte der Psychologieprofessor die FDP-Politikerin.

Dazu kämen indirekte Zwangslagen, zum Beispiel durch berufliche Aussichtslosigkeiten. Mit manipulativer Werbung würde man für die Bundeswehr rekrutieren. Die Bundeswehr "arbeitet ja gerade ausdrücklich nicht mit dramatisierenden Bildern".

Die Bundeswehr arbeite "mit dem Versprechen auf Abenteuer und heroischer Männlichkeit sowie dem Gefühl, Verantwortung zu übernehmen für Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit".

Also wüssten diese "Freiwilligen" gar nicht wirklich, was auf sie zukomme. Bruder bezweifelte, dass sich die Bewerber bei tatsächlicher Kenntnis der Aufgaben und ohne diese Manipulationen darauf einließen, Soldaten zu werden: "Sicher gehen sie davon aus, dass alles nicht so schlimm wird."

Die Kooperationsveranstaltung zwischen der Bundeswehr und der Psychotherapeutenkammer ist als offizielle Fortbildung für Psychologen anerkannt. Teilnehmenden Psychologen stehen deshalb die für die Berufsausübung notwendigen Fortbildungspunkte zu. Sosna wollte von den Psychologen wissen, warum die NGfP eine Kooperationsveranstaltung zwischen der Bundeswehr und der Psychotherapeutenkammer Berlin grundsätzlich ablehne.

Die Kooperation zwischen der Bundeswehr und der Psychotherapeutenkammer bestehe bereits seit etwa 10 Jahren, so Bruder. Am 16. September 2013 sei eine Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung und der Bundespsychotherapeutenkammer in Kraft getreten, nach der zivile Psychotherapeuten in Privatpraxen Soldaten unter Aufsicht der Bundeswehr behandeln dürften. Schon auf ihrer Jahrestagung im Jahr 2014, habe die NGfP gegen diese Kooperation Stellung bezogen.

Bei der Veranstaltung am 7. Februar in Berlin handle es sich laut Prof. Bruder um eine "Werbeveranstaltung", die Psychologen und Psychotherapeuten mit den Aufgaben, der Organisation und den Besonderheiten der Bundeswehr bekannt machen solle: "Einsatzsituationen in aktuellen Einsatzgebieten", mit Aufgaben der "Truppenpsychologinnen im Einsatz", "mit Soldatinnen und Soldaten auf Patrouille, auf Wache, im Feldlager". Schließlich ginge es um die Bedingungen und Voraussetzungen für den Einsatz von Psychotherapeuten generell. Die Referenten seien ausschließlich Angehörige der Bundeswehr, vom Oberstarzt oder Korvettenkapitän bis zum Brigadegeneral, und zum Teil mit Psychologiediplom.

Bruder-Bezzel fügte hinzu, dass bereits mit Gründung der Bundeswehr im Jahr 1955 als Nachfolge des sogenannten wehrpsychologischen Dienstes der Nazizeit ein "psychologischer Dienst der Bundeswehr eingerichtet" worden sei. Dieser Dienst sei mit der Zeit immer weiter ausgebaut und mit neuen Aufgaben betraut worden.

Einen besonderen Schub habe es beim psychologischen Dienst vermutlich im Zusammenhang mit dem Jugoslawienkrieg gegeben, so Bruder-Bezzel. Dabei hatten Angehörige der Bundeswehr erstmalig wieder an Kriegshandlungen teilgenommen. Dann habe sicher auch der Afghanistan-Einsatz zur Aufgabenerweiterung geführt. Zu den Aufgaben der mittlerweile 280 Mitarbeitern des psychologischen Dienstes in gut bezahlten Beamtenpositionen gehörten unter anderem Führungsberatung, Vor- und Nachbereitung von Auslandseinsätzen, Personalauswahl sowie Unterricht und Trainings zu psychologischen Themen.

Ohne Medizin, Psychiatrie und Psychologie sei Krieg nicht durchführbar, stellte Bruder fest. "Wir als gesellschaftskritische Psychologen kritisieren diese Kooperation daher natürlich grundlegend, weil sie die Bundeswehr unterstützt." Die Kooperation befördere indirekt das Kriegsgeschehen

"was zur Militarisierung sowohl der Psychologie als auch der Zivilgesellschaft beiträgt. Und das kann nicht im Interesse einer Gesellschaft sein, die durch die Erfahrungen von zwei Weltkriegen geprägt wurde."

Nach Auffassung von Bruder-Bezzel sei ein geschlossener Widerspruch aller Psychologen und Psychotherapeuten gegen die Kooperation zwischen Bundeswehr und Psychotherapeuten-Organisation deshalb ausgeblieben, weil eine solche Kooperation die Fachrichtung Psychologie stärke, in ihrer Bedeutung hervorhebe und ökonomische Absicherung biete. Es gebe Forschungsgelder und Betätigungsfelder für Therapeuten in freier Praxis.

Selbstverständlich benötigten traumatisierte Soldaten eine psychotherapeutische Behandlung, betonte Bruder-Bezzel, diese Behandlung müsse aber unabhängig bleiben. Weder das Bundesverteidigungsministerium noch die Truppe dürften Behandlungsmethode und -ziele vorgeben, so die Psychoanalytikerin.

"Es kann schließlich nicht die Aufgabe von Psychologen sein, Reaktionen von Soldaten auf Kriegshandlungen – wie Entsetzen, Abscheu und Angst vor erneutem Erleben und so weiter – wegzutherapieren, um sie für den nächsten Einsatz fit zu machen."

Der Therapeut müsse außerdem dafür sorgen, und das gehöre zu seiner Pflicht, dass Dritte mit anderen Interessen keinen Einfluss auf die Therapie nehmen könnten. Daher lehne die NGfP psychotherapeutische Behandlungen unter der Regie der Bundeswehr ab, ebenso wie von der Truppe organisierte Fortbildungen.

Bruder machte an dieser Stelle darauf aufmerksam, dass Psychotherapien für Soldaten aktuell von Bundeswehrärzten genehmigt werden müssten. Es wäre fatal, wenn die Behandlung von Soldaten im Interesse des Militärs bei zivilen Psychotherapien zur Normalität werde. Kritische und emanzipatorische Ansätze der Psychologie würden dadurch zerstört."

Quelle: RT DE

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