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Castros Erbe: Gleichheit schlägt Freiheit

Archivmeldung vom 10.05.2017

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.05.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Straßenzug in Havanna, aufgenommen bei einem  Forschungsaufenthalt von Dr. Larissa Borkowski.
Quelle: Dr. Larissa Borkowski (idw)
Straßenzug in Havanna, aufgenommen bei einem Forschungsaufenthalt von Dr. Larissa Borkowski. Quelle: Dr. Larissa Borkowski (idw)

Dr. Larissa Borkowski, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Politik, insbesondere europäisches und internationales Recht an der Universität Regensburg, hat am Beispiel Kubas untersucht, wie sich politische Maßnahmen zur Verwirklichung von gesellschaftlicher Gleichheit auswirken. Die Ergebnisse der Arbeit sind dabei nicht nur für Kubainteressierte relevant, sondern eröffnen grundsätzlich Perspektiven auf das Verhältnis von Freiheit und Gleichheit.

Kuba gilt einerseits als ein strukturschwaches Land mit gesellschaftlicher Ungleichheit und Armut, gleichzeitig ist das Land für seine fortschrittlichen Sozialsysteme, moderne Gesundheitsversorgung und einen hohen Bildungsgrad in der Bevölkerung bekannt. Warum dieser Befund letztlich kein Widerspruch ist, und was er mit dem Sozialismus zu tun hat, erklärt Dr. Larissa Borkowski in ihrer soeben erschienenen Publikation. Neben einer Bestandsaufnahme der kubanischen sozialistischen Politik hat sich die Wissenschaftlerin der Universität Regensburg vor allem mit zwei Forschungsfragen befasst: Was sind die prägenden Prinzipien sozialistischer gleichheitsorientierter Politik? Inwiefern unterscheidet sich sozialistische gleichheitsorientierte Politik von der gleichheitsorientierten Politik liberaler Demokratien wie z. B. Deutschland?

Ausgangspunkt für das Verständnis der kubanischen Politik ist die sozialwirtschaftliche Doppelstruktur in Wirtschaft und Daseinsvorsorge. Der kubanische Sozialstaat verteilt Güter wie Nahrung, Wohnraum oder Bildung direkt; die Löhne in den Staatsbetrieben, in denen viele Kubaner beschäftigt sind, sind deshalb sehr niedrig. Doch diese direkte Versorgung durch den Staat ist bei weitem nicht ausreichend. Es hat sich daher ein weiteres Versorgungssystem entwickelt, nur teilweise legal und häufig exorbitant teuer, gemessen an den staatlichen Löhnen. Auf diesen Märkten wirken ungedämpft kapitalistische Mechanismen, auf die der Staat kaum regulierend einwirken kann. Sie widersprechen der Funktionslogik der sozialistischen Wirtschaft. Die Konsequenzen dieses Problems sind dabei nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch.

Dr. Larissa Borkowski zeigt in ihrer Arbeit anhand zahlreicher Beispiele, dass das Gemeinwesen in Kuba darauf aufbaut, die Gleichheit an erste Stelle zu stellen, während z. B. wirtschaftliche Freiheitsrechte eingeschränkt werden. In der sozialistischen Logik ist dies auch konsequent: Regulierende Politiken schränken zwar Freiheiten ein, fördern und erhalten aber gesellschaftliche Gleichheit.

Dieses Ergebnis im Bezug auf Kuba, d. h. die Bereitschaft im kubanischen System, Freiheit einzuschränken um Gleichheit zu ermöglichen, fordert heraus zu einem Vergleich mit demokratischen Systemen und ihrer Ausgestaltung dieses Spannungsverhältnisses von Freiheit und Gleichheit.

Während in Kuba ein Primat der Gleichheit herrscht, für das große, auch individuell belastende Freiheitseinschränkungen in Kauf genommen werden, scheint in Deutschland das gegenteilige Phänomen zu wirken und im Zweifel die Freiheit über die Gleichheit zu triumphieren. Wirtschaftlicher Erfolg und ein leistungsfähiges Sozialsystem verwässern die Konsequenzen. Die Arbeit ist insofern ein empirischer Beleg am Beispiel Kubas für demokratietheoretische Analysen, wonach die vollkommene, harmonische Verbindung von Freiheit und Gleichheit nicht möglich ist. Gegenüber einem autoritären System wie Kuba hat eine Demokratie den großen Vorteil, dass Konflikte und Spannungen hier in einem geordneten, friedlichen Prozess immer wieder neu verhandelt werden können: „Kuba scheitert nicht nur an seinen inneren Widersprüchen, sondern an seinem Unvermögen, darauf zu reagieren“, folgert Dr. Larissa Borkowski.

Die Arbeit ist insofern nicht nur eine Bestandsaufnahme und Bewertung kubanischer gleichheitsorientierter Politik. Die Autorin zeigt auch die Relevanz der Studie für andere, nicht sozialistische Systeme. Das Forschungsergebnis sieht Dr. Borkowski als Appell, demokratische Strukturen zu nutzen und die Ausgestaltung des Spannungsverhältnisses von Freiheit und Gleichheit als Herausforderung anzunehmen.

Quelle: Universität Regensburg (idw)

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