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Alles reine Glückssache?

Archivmeldung vom 25.04.2019

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 25.04.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Texas Hold’em-Pokertisch mit acht Spielern (dargestellt durch deren verdeckte Pocket cards) und den aufgedeckten Board cards
Texas Hold’em-Pokertisch mit acht Spielern (dargestellt durch deren verdeckte Pocket cards) und den aufgedeckten Board cards

Foto: Akkakk
Lizenz: GFDL
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Was die Wissenschaft über das Poker-Spiel sagt … und was daraus folgen kann.

Tisch bei der WSOP 2006
Tisch bei der WSOP 2006

Foto: Urheber
Lizenz: CC BY-SA 3.0
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Zu den vielen Fragen, an denen sich die Geister scheiden, gehört unter anderem auch die, ob Poker ein Glücksspiel ist oder nicht. Diese Information mag Vielen nur ein Schulterzucken abnötigen, so sie sich überhaupt zu einer Reaktion genötigt sehen. Ist das nicht etwa so interessant und wichtig, wie die Beantwortung der Frage, ob der vielzitierte Sack Reis in China beim Umfallen ein Geräusch produziert oder nicht?

Durchaus nicht. Denn davon, ob bei Poker eher die Geschicklichkeit der Spielenden oder das Glück den Ausgang eines Spiels entscheidet, hängt es ab, wie der Gesetzgeber sich zu diesem Spiel verhält. Das wiederum ist nicht allein wichtig für jene Menschen, die gern Poker spielen (in Deutschland geschätzte ein bis zwei Millionen) und besonders für die unter ihnen, die der Spielsucht verfallen sind. Es macht vor allem einen Unterschied für jene, die mit Spielangeboten ihr Geld verdienen. Geschätzte drei Milliarden amerikanische Dollar werden weltweit jährlich durch Online-Poker eingenommen. Selbst für jene Zyniker, für die Dinge erst ab einer Million Dollar interessant werden, gibt es also 3.000 gute Gründe, der Frage nachzugehen, was beim Pokern die Geschicke lenkt.

Forscher vom Institut für Recht an der Universität Hamburg haben genau das getan, allerdings nicht um dadurch reich zu werden, sondern um einen Betrag zur Klärung der Rechtslage zu leisten. Ingo Fiedler, der über Online-Poker promovierte, und Jan-Philipp Rock haben in einer empirischen Studie des Instituts anhand der beliebten NL (für ‚no limit‘, also mit unbegrenztem Einsatz) ‚Texas Hold’em‘-Variante des Kartenspiels erforscht, wie sehr die Spieler tatsächlich in der Lage sind, den Ausgang des Spiels zu beeinflussen.

Dazu wurden reale Spielsituationen beobachtet und ausgewertet. Der grundlegende Gedanke war, dass sich der Faktor ‚Zufall‘ (oder ‚Glück‘) nicht verändert, während sich die Geschicklichkeit der Spieler durch situatives Lernen weiterentwickelt. Das Ergebnis ihrer Studie ist zunächst überraschend: Fiedler und Rock kommen zu dem Schluss, die Geschicklichkeit der Spieler kann tatsächlich den Einfluss des Zufalls überwinden. Allerdings hängt dies von der Routine der Spieler und der Zusammensetzung der Poker-Runde ab.

Man kann das so übersetzen: Finden sich in einer Pokerrunde Menschen zusammen, deren individuelle Spielniveaus sich stark voneinander unterscheiden, kann der Beste (oder hier: der Geschickteste) gewinnen. Bringen alle Spieler ähnliche Voraussetzungen mit, hängt das Resultat eher vom Zufall ab.

Zumindest potenziell ist Poker damit kein Glücksspiel und diesem Gedanken folgend wäre sowohl seine Veranstaltung, wie auch die Werbung für solche Events nicht vom Verbot der entsprechenden Paragraphen des Strafgesetzbuches (§§ 284 und 285) betroffen.

Das bestätigt durchaus die gängige Rechtsprechung. So war, wie die ‚Welt‘ berichtete, zum Beispiel das Verwaltungsgericht in Leipzig in einem Rechtsstreit zur gleichen Auffassung wie die Hamburger Forscher gelangt.
Geklagt hatte ein pensionierter Mitarbeiter der Universität Leipzig, der als begeisterter Poker-Spieler ein öffentliches Turnier organisieren wollte und in seiner Ausschreibung die Erlaubnis zur Teilnahme Interessierter von der Zahlung eines Startgeldes abhängig machte. Stattfinden sollte das Ganze in der Lutherstadt Wittenberg, die ihm allerdings – unter Hinweis auf das Verbot öffentlichen Glücksspiels – die Genehmigung dafür verweigerte. Klagen vor dem zuständigen Verwaltungsgericht in Halle und vor dem Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt bestätigten die Auffassung der Kommune. Erst in dritter und letzter Instanz erhielt der Poker-Spieler und Turnier-Veranstalter recht: Weder wurde das Spiel als Glücksspiel angesehen, noch ein Zusammenhang zwischen der Zahlung des Startgelds und dem Ausgang des Turniers festgestellt.

Wichtig ist an dieser Stelle zu unterstreichen, dass es sich um ein Turnier handeln sollte. Entsprechend sollte nicht um Geld gespielt werden, sondern um eine Trophäe, so wie auch bei anderen Wettkämpfen im Bereich des Kartenspiels (etwa ‚Skat‘ oder ‚Rommee‘).

Doch auch ohne richtiges Geld als Einsatz ist Poker reizvoll, nicht zuletzt aufgrund seiner Vielfalt an Varianten des ‚Stud‘ und ‚Draw‘ und was sich sonst noch alles an den Spieltischen der Welt pokern lässt, denn das in der Hamburger Untersuchung betrachtete ‚Texas Hold’em‘ ist zwar eine der beliebtesten, jedoch trotzdem nur eine von vielen Formen.

Dabei weisen diese unterschiedliche Schwierigkeitsgrade auf. Eine ‚Poker-Karriere‘ endet nicht selten mit einer anderen Spielform als der an ihrem Beginn – und leider ebenfalls nicht selten mit Suchtverhalten. Gerade die Mischung aus Glück und Finesse ist es, was viele an dem Spiel so reizt, wobei die eigenen Fähigkeiten oft überschätzt werden.

Selbst jene, die der Versuchung widerstehen können, sich auf das Spiel um Geld einzulassen, investieren oft mehr und mehr ihrer Lebenszeit in Poker, um des Adrenalin-Kicks willen. Dass – abgesehen vom Bundesland Schleswig-Holstein – Online-Casinos in Deutschland verboten sind, ist sicher prinzipiell hilfreich, kann aber niemanden, der sich in den Kopf gesetzt hat, beim Poker ‚das große Geld‘ zu gewinnen, davon abhalten, genau das zu versuchen und damit das Risiko des Bankrotts einzugehen.

Es kann darüber gestritten werden, ob die Ergebnisse der Hamburger Studie in diesem Zusammenhang letztlich konstruktiv sind. Eine generelle Bestätigung für die spielerische Geschicklichkeit als Weg zum Sieg, selbst wenn sie mit den vorgenommenen Einschränkungen versehen ist, mag für einige motivierend wirken.

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