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Esa-Chef stellt Müll-Mission vor

Archivmeldung vom 23.12.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.12.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Anja Schmitt
Die Übergangszone zwischen der Erdatmosphäre und dem Weltraum, mit der Mondsichel im Hintergrund. (Symbolbild)
Die Übergangszone zwischen der Erdatmosphäre und dem Weltraum, mit der Mondsichel im Hintergrund. (Symbolbild)

Lizenz: Public domain
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Das Weltall hat ein Schrottproblem: Kaputte Satelliten und unzählige Techniksplitter gefährden das Satellitennetz und die Internationale Weltraumstation. Zusammen mit dem Startup „Clearspace-1“ will die Europäische Weltraumagentur (Esa) dort oben 2025 zum ersten Mal aufräumen. SNA-News hat mit Esa-Chef, Jan Wörner, über dieses Vorhaben gesprochen.

„SNA News“ fragt daraufhin nach: "- Herr Wörner, „Clearspace-1“ soll Weltraumschrott beseitigen. Damit wir uns das vorstellen können: Um was für eine Technologie handelt es sich bei „Clearspace-1“ und was soll sie genau mit Weltraumschrott machen?

Es fliegen schon jetzt Tausende von größeren Weltraumschrottbrocken um die Erde: ausgediente Satelliten, ausgebrannte Oberstufen und so weiter. Wenn wir kleinere Teile dazunehmen, dann geht der Schrott sogar in die Millionen, aber es geht zunächst um die großen Teile. Wir müssen den Weltraum saubermachen. Deshalb haben wir vor zweieinhalb Jahren eine Liste erstellt von allen Teilen, die der Esa im Weltraum gehören. Dann haben wir die Industrie angefragt, dass sie uns einen Preis nennen soll dafür, dass sie ein Teil dort oben einfängt und zum Verglühen bringt. Das gab eine längere Diskussion mit verschiedenen Industrien und gewonnen hat am Ende ein kleines Startup aus der Schweiz.


- Und was will dieses Unternehmen jetzt machen?

Die haben sich für einen „Vespa“ von der Vega-Rakete entschieden. Die Vega-Rakete bringt zwei Satelliten in den Weltraum und die beiden Satelliten haben dazwischen einen Adapter. Dieser Adapter heißt „Vespa“. Wenn die Satelliten freigegeben werden, bleibt dieser Adapter im Weltall. Diese Firma hat vorgeschlagen, dass sie genau einen solchen Adapter entsorgt. Dafür startet sie einen Roboter mit einer Rakete. Der Roboter fliegt da hin, er hat Arme, mit denen er dieses Teil umfasst und dann bremst er ab, sodass er mit dem Adapter gemeinsam in der Atmosphäre verglüht.

- Also ist der Roboter nur einmal benutzbar?

Bei dieser speziellen Mission wird dieser Roboter nur einmal ein Teil einfangen und dann mit dem Teil untergehen. Das ist natürlich für die Zukunft nicht die richtige Lösung, aber es ist ein wichtiger Schritt, um die ganzen Technologien auszuprobieren. Die Zukunft wäre die, dass Teile eingefangen, abgebremst, dann freigelassen werden und der Roboter wieder beschleunigt, um das nächste einzufangen. Aber das ist dann Stufe Zwei. Und wir sind bereits einen Schritt weiter gegangen als alles, was bisher überlegt wurde. Bisher wollte man einen Demonstrator fliegen. Man wollte fliegen und ein Stück Weltraumschrott mitbringen, den dann selber wieder einfangen und entsorgen. Da habe ich gesagt: Nein, ich möchte, dass schon bei der ersten Mission weniger Weltraumschrott hinterher da ist als vorher. Deshalb wird dieser Weltraumadapter entfernt.

- Weltraumschrott umfasst ja alle möglichen Größen. Welche Objekte würde man denn so beseitigen können?

Mit dieser Mission sollten mindestens Teile eingefangen werden, die mindestens 100 Kilogramm Masse haben. Das sind die größeren Teile, aber es geht das ja bis hin zu Tonnen. Ich denke, in der Zukunft wird man noch zusätzliche Systeme entwickeln, um kleinere Teile einzufangen, was durchaus schwierig ist. Da gibt es jetzt Überlegungen, auch aus Russland, wie man das in Zukunft machen könnte.

- Gibt es schon Überlegungen, wie solche ständig arbeitenden Roboter aussehen müssten und würde es dann eine Flotte geben im Weltall?

Ja, aber das ist nicht mehr Aufgabe der Esa. Wir finanzieren gegenwärtig die Entwicklung durch diese Firma und die kann dann daraus einen Business-Case machen, indem sie in Zukunft so etwas anbietet. Aber das ist dann wirklich eine Wirtschaftlichkeitsaufgabe des Unternehmens. Es ist nur wichtig, dass damit angefangen wird und deshalb hat die Esa diese spezielle Mission gestartet.

- Können Sie es einschätzen, wie viele solcher Roboter einen Unterschied oben bewirken würden?

Jedes Schrottteil, das weggebracht wird, ist ein gutes Schrottteil. Jedes Mal kann man eigentlich laut Applaus klatschen. Es sind tatsächlich Tausende da. Wenn man sie alle runterholen will, sollte man Systeme haben, die mehr runterbringen können – zehn Stück oder so. Und selbst dann ist es immer noch viel Arbeit. Das ist ein Markt, der zu erschließen ist Aufgabe für Unternehmen.

- Dann kommen natürlich weitere Raketenstarts hinzu?

Die Raketendichte würde wachsen, aber das wäre kein einzelner Start, sondern nach derzeitigem Stand könnte der Roboter mit einem anderen Satelliten fliegen. Da gibt es verschiedene Überlegungen, man muss sehen, was die kostengünstigste Variante sein wird. Aber Schritt Eins ist es, das zunächst zu machen.

- Falls ich das richtig verstehe, wird Clearspace-1 dann später der internationalen Raumfahrtgemeinschaft zur Verfügung stehen?

So ist das bei der Esa immer. Unsere Technologie steht immer den jeweiligen Unternehmen zur Verfügung. Diesmal ist es allerdings nicht so, dass die Esa selber entwickelt, sondern die Firma entwickelt und hat uns einen Preis angegeben, damit sie dieses Teil herunterholt, deshalb ist das ein Prototyp. Nicht nur das Einfangen ist ein Prototyp, sondern auch dass wir einen Service einkaufen bei der Firma, dass sie ein Esa-Teil entsorgt.

- Welche Gefahren drohen denn gegenwärtig durch Weltraumschrott der ISS oder den Satelliten im Weltall?

Wir haben im Moment circa 3000 bis 4000 Satelliten, die nicht mehr funktionieren im All. Mit denen gibt es manchmal schwierige Situationen. Es gab einmal einen Zusammenstoß zwischen einem russischen Kosmos- und einem amerikanischen Iridium-Satelliten. Der Zusammenstoß hat viele Bruchstücke erzeugt. Wir müssen dauernd Ausweichmanöver mit unseren Satelliten fliegen, wenn ein großer Brocken entgegenkommt. Insofern ist das Ganze auch eine Absicherung der Infrastruktur Weltraum.

Weltraum ist heute nicht mehr eine Spielwiese, sondern Infrastruktur für Erdbeobachtung, für Telekommunikation, für Navigation.

Deshalb muss er auch saubergehalten werden. Es ist unsere Umwelt. Es ist nicht nur die Umwelt auf der Erde, sondern die Umwelt um die Erde, die uns Sorgen macht.

-Neben solchen Aufräumarbeiten stellt sich bei den anwachsenden Raketenstarts und Satelliten im Weltall die Frage: Sollte man auch das Einbringen solcher Technologien in den Erdorbit strenger international regeln und vielleicht irgendwelche Steuern auf Weltraumschrott oder Ähnliches einführen?

Ich habe eine klare Vorstellung dazu. Ich denke, in Zukunft muss bei jedem Satellitenstart eine der folgenden Bedingungen eingehalten werden. Entweder hat ein Satellit, der in den Weltraum gebracht wird, ein unabhängiges System an Bord, das im Falle, dass der Satellit nicht mehr funktioniert, diesen zum Absturz bringt. Selbstzerstörung können Sie es nennen. Der Satellit hat einen kleinen Antrieb an Bord und wenn er nicht mehr funktioniert, dann greift dieses System, bremst den Satelliten ab, sodass er verglüht. Alternativ bringt man den Satelliten hoch und hat einen Vertrag mit einer Firma wie Clearspace, dass die Firma den Satelliten herunterholt, wenn er nicht mehr funktioniert. Die dritte Möglichkeit wäre, dass jemand, der einen Satelliten abschießt, ein Pfand an eine Raumfahrtagentur bezahlt. Wenn der Satellit nicht mehr funktioniert und nicht von alleine runterkommt, dann greift dieser Pfand und dann wird die Esa mit diesem Pfand eine Mission starten, um den Weltraumschrott zu entsorgen."

Quelle: SNA News (Deutschland)

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