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Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff hält Mindestlohn um etwa acht Euro für erforderlich

Archivmeldung vom 15.11.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.11.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Rainer Aschenbrenner  / pixelio.de
Bild: Rainer Aschenbrenner / pixelio.de

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hält einen Mindestlohn zwischen sieben und acht Euro für unerlässlich. "Es muss ein Existenz sichernder Lohn entstehen", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung" mit Blick auf den Mindestlohn-Beschluss des CDU-Parteitages. "Dabei muss der Abstand zu Hartz IV gegeben sein. Das bedeutet: Um aus der Grundsicherung heraus zu kommen, müsste der Mindestlohn für einen allein stehenden Arbeitnehmer irgendwo zwischen sieben und acht Euro liegen. Ein allein verdienender Arbeitnehmer mit Partner und zwei Kindern müsste sogar über zwölf Euro Mindestlohn bekommen, um seine Familie ernähren zu können. Doch das ist ökonomisch unrealistisch. Das fordert nicht einmal die Linkspartei."

Haseloff fügte hinzu: "Einen nach Ost und West differenzierten Mindestlohn darf es nicht geben. Dafür gibt es keine Rechtfertigung mehr."

Verdi-Chef Bsirske rügt Mindestlohnbeschluss als unzureichend

Der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, hält den Mindestlohn-Beschluss des CDU-Parteitages für unzureichend. "Wenn man sich den Punkt anschaut, von dem die CDU kommt, dann ist das ein Schritt nach vorne", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung". "Allerdings ist mit diesem Beschluss ganz sicher noch nicht der Durchbruch erreicht zu einem gesetzlichen Mindestlohn auf dem Niveau unserer westeuropäischen Nachbarländer erreicht - so wie wir ihn meiner Ansicht nach brauchen. Dort liegt der Mindestlohn im Schnitt bei 8,50 Euro. Und das ist offensichtlich nicht das, was sich Teile des Parteitages vorstellen können. Differenzierungen führen im Übrigen nur zu Unübersichtlichkeit, Intransparenz und schwerer Kontrollierbarkeit. Das bringt uns nicht wirklich voran." Bsirske fügte hinzu: "Wir haben schon jetzt elf oder zwölf verschiedene Branchen-Mindestlöhne. Da kommen jetzt nochmal viele, viele drauf. Wer soll da noch den Überblick behalten?"

Arbeitsmarktforscher für einheitliche Lohnuntergrenze

Der Arbeitsmarktforscher Joachim Möller plädiert entgegen dem Beschluss des CDU-Parteitags für eine einheitliche Lohnuntergrenze. "Wenn der Mindestlohn aber sehr stark nach Branchen und Regionen differenziert würde, wäre dies aus meiner Sicht intransparent", sagte der Direktor des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der "Stuttgarter Zeitung". "Ein Flickenteppich wäre nicht hilfreich." Demzufolge müsse eine solche allgemeine Untergrenze "mit sehr viel Augenmaß" festgelegt werden. Ab einer gewissen Höhe wäre ein Mindestlohn beschäftigungsschädlich. Die Wissenschaft könnte helfen, zu sagen, wo dieser Spielraum ende. "Wenn man die rote Linie aber nicht überschreitet, sehe ich beim Mindestlohn nur Vorteile", sagte der IAB-Chef. Dann verhindere der Mindestlohn Auswüchse nach unten bei der Bezahlung und könne in einem gewissen Umfang sogar Beschäftigung fördern, weil die Attraktivität von Jobs steige, offene Stellen schneller besetzt würden sowie die Fluktuation reduziert werde.

Die von den Gewerkschaften angestrebten 8,50 Euro pro Stunde hält Möller als allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn "für eher zu hoch". "Ich würde tendenziell ein Niveau wählen wie bei der Zeitarbeit und wäre für einen moderaten Einstieg zwischen 6,90 und 7,80 Euro", sagte er. "Dieses Niveau wäre ungefährlich für die Beschäftigung."

Der Arbeitsmarktforscher empfiehlt zudem Großbritannien als Vorbild: "Die Briten machen das sehr gut", sagte er. Dort sei die Lohnkommission unabhängig und funktioniere nach dem Konsensprinzip. Beteiligt seien die Tarifpartner und die Wissenschaft plus einem Vorsitzenden, der in der Pattsituation den Ausschlag gebe. "Die Entscheidungen müssen einstimmig getroffen werden, und die Mitglieder dürfen nicht einfach Sprachrohre ihrer Interessensverbände sein, damit nicht von außen Zündstoff hineingetragen wird", sagte Möller. "Dann wird sich auch die ökonomische Vernunft durchsetzen."

IG Metall kritisiert CDU-Beschluss zum Mindestlohn

Der zweite Vorsitzende der IG-Metall, Detlef Wetzel, kritisiert den CDU-Beschluss zur Einführung von Lohnuntergrenzen scharf. "Das ist ein Placebo-Instrument, genau wie die CDU alles was dieses Thema angeht im Sinne von Placebo organisiert: Als Tiger gestartet, als Bettvorleger gelandet", so Wetzel am Montagabend in der SWR-Talkshow "2+Leif". Das Vorhaben der CDU die Lohnuntergrenzen durch die Tarifparteien festlegen zu lassen sieht Wetzel als "Unsinn". "Wir haben das doch schon bei den Lohnuntergrenzenkommissionen und den Allgemeinverbindlichkeitskommisionen erlebt. Da sitzen die Gewerkschaften und sagen 8,50 Euro. Die Arbeitgeber sagen 5,50 Euro. Und dann? Soll da gewürfelt werden? Wer entscheidet was letztendlich passiert?" Wetzel bezweifelt die Wirksamkeit des CDU-Beschlusses: Dieser "faule Kompromiss" werde keinen Fortschritt bringen für die Menschen. Auch weiterhin würden ganz viele Menschen in Deutschland von ihrer Arbeit nicht leben können.

Wirtschaftsexperten gegen branchen- und regionenspezifische Mindestlöhne

Der CDU-Kompromiss zum Mindestlohn vor dem Parteitag in Leipzig stößt bei Ökonomen auf heftige Kritik: Wirtschaftsexperten lehnen branchen- und regionenspezifische Mindestlöhne ab. "Wenn der Mindestlohn ein politisches Instrument ist, dann machen branchen- und regionenspezifische Unterschiede keinen Sinn," sagte der Chef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, im Gespräch mit "Handelsblatt-Online".

Hüther ist erklärter Gegner des derzeit diskutierten Mindestlohns. "Alle vorliegenden empirischen Studien ermitteln bei der diskutierten Höhe von rund 8 Euro pro Stunde deutliche Beschäftigungsverluste, und zwar je nach Modell zwischen 300.000 und 1,1 Mill. Arbeitsplätzen," so Hüther weiter. Sollte ein Mindestlohn dennoch politisch gewollt sein, müsste dieser laut Hüther jedoch einen einheitlichen Standard haben und mit dem Arbeitslosengeld II verbunden werden. Der Mindestlohn würde dann derzeit bei 5,50 Euro für Alleinstehende liegen.

Auch Holger Bonin, Leiter des Forschungsbereichs Arbeitsmärkte am Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), hält eine branchenspezifische Regelung für problematisch. "Was ein menschenwürdiger Lohn ist, hängt nicht von der Branche oder dem Ausbildungsniveau eines Arbeiters ab," sagte Holger Bonin gegenüber "Handelsblatt-Online". Entscheidend sei der Bedarf des Arbeiters zum Leben.

Wie Hüther lehnt auch Bonin einen Mindestlohn ab. Falls es dennoch zu einer gesetzlichen Regelung kommen sollte, spricht auch er sich für eine einheitliche Regelung aus. Dieser einheitliche Mindestlohn solle dann von einer Kommission aus Wirtschafts- und Sozialexperten festgelegt werden. Politiker und Tarifparteien hätten in einem solchen Gremium nichts zu suchen. "Sie wären in ihren Entscheidung nicht neutral," so Bonin. Die Politiker würden sich von wahltaktischen Motiven leiten lassen. Bei den Tarifparteien bestünde hingegen die Gefahr, dass sie Entscheidung zu Lasten Dritter träfen.

Clement: Mindestlohn gefährdet Erfolge auf dem Arbeitsmarkt

Der frühere Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement hat die Vorschläge für einen einheitlichen Mindestlohn als Gefahr für Erfolge auf dem Arbeitsmarkt scharf kritisiert. In einem Gastbeitrag für das "Handelsblatt" fordert Clement "Vorfahrt für die Tarifhoheit". "Wer über den Rand unserer stereotypen Debatten hinaus blickt, der kann erkennen, dass in den meisten Ländern mit gesetzlichen Lohn- und Mindestlohnregelungen eine besonders hohe Jugendarbeitslosigkeit grassiert. Deutschland steht auch in diesem Vergleich recht gut da. Alles Zufall?", fragt der FDP-Anhänger. Hierzulande gebe es eine Gesprächs- und Tarifkultur zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die international fast ohnegleichen sei. Deutschland brauche keineswegs "mehr Staat" in den Unternehmen, weder in Gestalt von Quotenregelungen noch gar von gesetzlichen Lohnvorgaben.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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