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Kritische Richter und Staatsanwälte: Ausgrenzung im Namen des Herrn

Freigeschaltet am 20.09.2025 um 18:00 durch Sanjo Babić
Bild: Screenshot Internetseite: "https://netzwerkkrista.de/2025/09/19/ausgrenzung-im-namen-des-herrn/" / Eigenes Werk
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„AfD-Verbot selber machen!“ lautet eine Parole linksradikaler Aktivisten und angesichts der Tatsache, dass ein Parteiverbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (derzeit) nicht in Sichtweite ist und seine Erfolgsaussichten von den Fachleuten mehrheitlich negativ beurteilt werden, greift die Idee, die AfD unabhängig davon aus Politik und Gesellschaft ausschließen zu können, auch unter ihren Gegnern aus der radikalisierten politischen Mitte um sich. Dies schreibt Matthias Guericke vom Netzwerk Kritische Richter und Staatsanwälte n.e.V. (KRiStA)

Guericke weiter: "Der Ausschluss des AfD-Kandidaten Jochen Paul von der Oberbürgermeisterwahl in Ludwigshafen durch den dortigen Wahlausschuss auf der Grundlage eines von der amtierenden Oberbürgermeisterin beim Verfassungsschutz bestellten Papiers ist nur ein Beispiel dafür .

„AfD-Verbot selber machen!“ denkt sich auch die Evangelische Kirche 2, die in der AfD das personifizierte Böse erkannt haben will:

„Wer die AfD wählt, unterstützt eine Partei, die das christliche Menschenbild mit Füßen tritt, programmatisch mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gegen das Gebot der Nächstenliebe verstößt und mit ihren Hetzparolen den Geist der Gemeinschaft vergiftet. Diese Partei will uns die Mitmenschlichkeit, unseren Nächsten die Menschenwürde und Gott die Ehre entreißen.“ 3

Das ist die Tonlage, die hier angeschlagen wird, nicht nur von den evangelisch-lutherischen Bischöfen. Hier gibt es nur noch Schwarz und Weiß, Gut und Böse. Es ist ein geradezu manichäisches Denken, in das die Kirche sich im Umgang mit der AfD selbst hineingetrieben hat.

Kein Platz für AfD-Mitglieder im kirchlichen Ehrenamt

In der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), die vor allem das Gebiet von Thüringen und Sachsen-Anhalt umfasst, finden im Herbst dieses Jahres Gemeindekirchenratswahlen statt. Für die Kirchenleitung und eine Mehrheit der Landessynode, des Kirchenparlaments, scheint der Gedanke, es könnte ein Mitglied der AfD in einen Gemeindekirchenrat gewählt werden, unerträglich, weshalb frühzeitig überlegt wurde, wie das verhindert werden könnte. Auch die Wiederwahl von Mitgliedern des Gemeindekirchenrates wie Jörg Peter 4, die seit Jahr und Tag ihren ehrenamtlichen Dienst in der Gemeinde tun, sollte unmöglich gemacht werden. Da der Wähler nicht selten anders entscheidet, als von Seite der Regierenden (hier: der Kirchenleitung) erwünscht, ist es natürlich das Sicherste, wenn AfD-Mitglieder gar nicht erst zur Kandidatur zugelassen werden. Was im staatlichen Bereich – unstreitig – rechtlich unzulässig ist: der Ausschluss von Wahlen und Ämtern allein aufgrund der Mitgliedschaft in einer vom Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungsfeindlich erklärten Partei, 5 sollte in der Kirche möglich gemacht werden. Ein Fall für die Juristen in der Kirchenleitung.

Ausgangspunkt der Überlegungen musste dabei § 6 Abs. 2 Satz 2 des Gemeindekirchenratsgesetzes der EKM (GKR-G) sein:

„Wählbar ist nicht, wer seine Pflichten als Gemeindeglied erheblich verletzt, sich kirchenfeindlich betätigt oder sich im Widerspruch zur Heiligen Schrift, dem christlichen Glauben oder der Kirche verhält.“

Von Mitgliedschaft in der falschen Partei ist da allerdings nicht die Rede. Bereits 2012 wurde in einer von der Kirchenleitung erlassenen Ausführungsverordnung zum Gemeindekirchenratsgesetz (GKR-GAV) zu § 6 Abs. 2 GKR-G folgende Erläuterung gegeben, mit der man der Sache schon näher kam:

„Als kirchenfeindlich gilt unter anderem die Betätigung in Organisationen, die verfassungsfeindliche, extremistische, antisemitische oder fremdenfeindliche Positionen vertreten.“

Das ist insofern etwas überraschend, als „kirchenfeindliche Betätigung“ hier nicht mehr ein intentional gegen die Kirche gerichtetes Handeln voraussetzt. Die Betätigung in Organisationen, die zwar nicht erklärtermaßen der Kirche gegenüber feindlich gesinnt sind, aber gegenüber Dritten, mit denen sich die Kirche solidarisch erklärt (Juden, Fremde) bzw. identifiziert (der Verfassungsstaat der Bundesrepublik) soll stattdessen nach dem Prinzip „Die Feinde unserer Freunde sind auch unsere Feinde“ ausreichen. Ein Kirchenfeind ist danach auch derjenige, der von der Kirche zum Feind erklärt wird.

Ist das rechtlich zulässig? Die Frage ist vor allem deshalb berechtigt, weil die „Definition“ von Kirchenfeindschaft in einer vom Landeskirchenrat, d. h. der Exekutive, erlassenen Ausführungsverordnung gegeben wird, und diese den Rahmen des von der Landessynode (= Legislative) erlassenen Gesetzes, des Gemeindekirchenratsgesetzes, einhalten muss. Eine Ausführungsverordnung darf keine im Widerspruch zum Gesetz stehenden Regelungen enthalten und sie darf auch nicht das Gesetz um zusätzliche Regelungen erweitern, die vom Gesetzgeber nicht intendiert waren. Ob mit der Feinddefinition in § 6 GKG-GAV die sog. Wortlautgrenze, wie Juristen sagen, bereits überschritten ist, soll hier aber einmal dahingestellt bleiben – an anderer, entscheidender Stelle wird die Sache ohnehin deutlicher.

Für die gute Sache am Gesetz herumschrauben

Der Kirchenleitung erschien in ihrem Kampf gegen die AfD aber auch die bisherige Regelung ungenügend. Mit Verordnung vom 02.02.2024, die am 01.01.2025 in Kraft treten sollte, wurde § 6 Abs. 2 Nr. 3 GKR-GAV geändert und lautete danach wie folgt:

„Als kirchenfeindlich gilt auch, wer die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht respektierende, extremistische, antisemitische, fremdenfeindliche oder sonst menschenverachtende Positionen vertritt oder sich in entsprechenden Organisationen betätigt. Der Gemeindekirchenrat kann von den Kandidaten verlangen, dass sie hierzu eine Erklärung entsprechend einem vom Landeskirchenamt bereitgestellten Muster abgeben.“

Was die Kirchenleitung sich dabei gedacht hat, mangelnden Respekt gegenüber der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zur Kirchenfeindschaft zu erklären, muss man sich fragen, zumal dies weitergehende Fragen aufwirft: Wenn es kirchenfeindlich ist, die freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht zu respektieren, war dann die Kirche im Kaiserreich selbst kirchenfeindlich – als es zwar die freiheitlich-demokratische Grundordnung noch nicht gab, aber sehr wohl die Idee der Volkssouveränität, die eine ihrer Säulen ist – weil sie sich nicht für Demokratie und Volkssouveränität einsetzte? Oder ist das alles historisch relativ, so dass im Kaiserreich als kirchenfeindlich gelten konnte, wer die Monarchie nicht respektierte, heute dagegen, wer die freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht respektiert, so dass kirchenfeindlich also immer derjenige wäre, der die aktuell gültige Staatsform nicht bejaht?

Dass die Identifizierung der Kirche mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung fragwürdig ist, wurde immerhin auf der Frühjahrstagung der Synode 2024 bemerkt, sodass § 6 Abs. 2 Nr. 3 GKR-GAV mit Verordnung vom 30.08.2024 schon wieder geändert wurde, noch bevor die Neufassung in Kraft treten konnte. Jetzt lautet er:

„Als kirchenfeindlich gilt auch, wer die in Artikel 2 der Kirchenverfassung EKM festgelegten Grundsätze nicht anerkennt, extremistische, antisemitische, fremdenfeindliche oder sonst menschenverachtende Positionen vertritt oder sich in entsprechenden Organisationen betätigt. Der Gemeindekirchenrat kann von den Kandidaten verlangen, dass sie hierzu eine Erklärung entsprechend einem vom Landeskirchenamt bereitgestellten Muster abgeben.“

Der Kandidat soll versichern, dass er ein Mensch ist

Das Problem, das darin besteht, dass AfD-Mitglieder in der Regel davon überzeugt sind, dass die AfD keine extremistische, antisemitische, fremdenfeindliche, menschenverachtende Partei ist, weshalb aus ihrer Sicht § 6 GKR-GAV einer Kandidatur nicht entgegenstünde, war damit allerdings nicht gelöst. Dieses Problem sollte durch die den Kandidaten abzufordernde Erklärung behoben werden, womit wir am Zielpunkt der juristischen Arbeit am kircheninternen AfD-Verbot angekommen sind. Das „vom Landeskirchenamt bereitgestellte Muster“ F03b bzw. F04b beinhaltet folgende Erklärung:

„Aufgrund von § 6 Absatz 2 Gemeindekirchenratsgesetz mit Ausführungsverordnung gebe ich darüber hinaus folgende Erklärung ab: Ich versichere, dass ich die Werte des christlichen Glaubens achte und mich für deren Verwirklichung einsetze. Ich stehe ein für das christliche Menschenbild, das alle Menschen als gleichwertige Geschöpfe Gottes ansieht. Daraus leitet sich die Menschenwürde ab. Deshalb vertrete ich keine ausgrenzenden oder menschenverachtenden Positionen und wahre die Verfassung der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland. Ich versichere insbesondere, keiner Partei oder Organisation anzugehören, die vom Verfassungsschutz auf dem Gebiet der EKM als extremistisch eingestuft wird.“

Es setzt schon ein sehr spezielles Verständnis von Menschenwürde 6 voraus, dass die Kirchenleitung es nicht als entwürdigend betrachtet, von den Kandidaten für den Gemeindekirchenrat die Erklärung zu verlangen, dass sie keine menschenverachtenden Positionen vertreten. Wenn das Einfordern einer solchen Erklärung angemessen sein soll, warum dann nicht auch die Versicherung, dass man noch nie den Ehepartner oder die eigenen Kinder geschlagen hat? Wäre das nicht auch eine wichtige Voraussetzung für das Amt? Und um bei der Ausgrenzung der AfD-Mitglieder nicht selbst außen vorbleiben zu müssen, muss auch versichert werden, dass man keine „ausgrenzenden Positionen“ vertritt. Ausgrenzung – das gibt es nur bei den Anderen. Wenn die Kirche ausgrenzt, ist das eine gute Sache und dann ist es natürlich auch kein Ausgrenzen, sondern z. B. Verteidigung von Menschlichkeit und Demokratie.

Da wundert es dann auch nicht mehr, dass der Verfassungsschutz entscheiden soll, welcher Partei man angehören darf, um wählbar zu sein. 7 Das ist nicht nur aus prinzipiellen Gründen einer Kirche unwürdig. Angesichts dessen, was inzwischen zu den Gutachten des Verfassungsschutzes zur AfD bekannt geworden ist, ob zu dem geleakten 1100-seitigen Gutachten des Bundesamtes, mit dem die Einstufung der AfD-Bundespartei als „gesichert rechtsextrem“ begründet werden soll, oder zu den Gutachten der Landesämter zu den AfD-Landesverbänden, ist es doppelt blamabel. Diese Gutachten offenbaren neben methodischen und juristischen Mängeln zum Teil ein Verständnis von Meinungsfreiheit, das kaum noch auf dem Boden des Grundgesetzes steht und überschreiten bei ihren Feststellungen und Bewertungen nicht selten die Grenze der Lächerlichkeit, sodass jeder kritische Beobachter darüber nur erschrecken kann. 8 Bei der Kirchenleitung der EKM ist von dieser Kritik aber offensichtlich noch nichts angekommen. 9

Verordnung kontra Gesetz I

Auch bei der Kandidatenerklärung stellt sich die Frage, ob der Landeskirchenrat eine solche Regelung in der Ausführungsverordnung überhaupt treffen durfte. Was für eine Erklärung ein Bewerber um eine Kandidatur abzugeben hat, ist nämlich bereits in § 11 Abs. 1 GKR-G geregelt. Dieser lautet:

„Der Gemeindekirchenrat fordert die Gemeindeglieder auf, Kandidatenvorschläge einzureichen. Der einzelne Vorschlag muss enthalten:

  1. Name, Alter und Wohnanschrift des vorgeschlagenen Gemeindegliedes,
  2. eine Aussage zur Wählbarkeit nach § 6 Absatz 2,
  3. eine schriftliche Erklärung des vorgeschlagenen Gemeindegliedes, dass es bereit ist, zur Wahl zu kandidieren,
  4. bei vorgeschlagenen Gemeindemitgliedern, die am Wahltag das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, die Zustimmung der Sorgeberechtigten,
  5. die Unterschriften von mindestens fünf wahlberechtigten Gemeindegliedern.“

Die Aussage zur Wählbarkeit (Nr. 2) ist dabei nicht von dem potentiellen Kandidaten zu tätigen, sondern von denjenigen, die ihn vorschlagen (s. Nr. 5) und der Gesetzgeber dürfte dabei vor allem § 6 Abs. 2 Satz 1 im Blick gehabt haben, in dem u. a. geregelt ist, dass der Kandidat seit mindestens sechs Monaten der Kirchengemeinde angehören und zum Abendmahl zugelassen sein muss, also positive Wählbarkeitsvoraussetzungen, weniger § 6 Abs. 2 Satz 2 GKR-G, der die Ausschlusstatbestände („Unwählbarkeit“) enthält. Der Vorgeschlagene selbst muss dagegen nur die Erklärung abgeben, dass er zur Kandidatur bereit ist (Nr. 3). Sonst nichts! Das ist im Unterschied zu der Erklärung in dem von der Kirchenleitung bereitgestellten Muster eine respektvolle Regelung.

Die Regelung des § 11 Abs. 1 GKR-G – und darauf kommt es entscheidend an – ist abschließend, denn es soll mit ihr gerade geregelt werden, was ein ordnungsgemäßer Wahlvorschlag alles enthalten muss. Der Landeskirchenrat kann daher nicht in einer Verordnung weitergehende Anforderungen stellen. Das ist aber mit der Einfügung des Satzes, dass dem Kandidaten eine Erklärung nach dem vom Landeskirchenamt bereitgestellten Muster abverlangt werden kann, erfolgt! Ein Gesetz ist kein bloßer Vorschlag der Legislative, der von der Exekutive nach ihrem Belieben um- und ausgebaut werden könnte. Da die betreffende Regelung in § 6 GKR-GAV nicht mit § 11 Abs. 1 GKR-G zu vereinbaren ist, ist sie rechtswidrig und damit nichtig. 10 Beim Versuch, rechtswirksam ein AfD-Verbot “selber zu machen”, scheitert die Kirchenleitung am eigenen Recht.

Hinzu kommt noch Folgendes: Da es in die Entscheidung des einzelnen Gemeindekirchenrats gestellt wird, ob er die Erklärung von den Kandidaten verlangt oder nicht, sind die Voraussetzungen für die Wählbarkeit in der EKM nicht mehr gleich. Wo die Erklärung nicht verlangt wird, kann auch derjenige kandidieren, der nicht bereit ist, sie abzugeben. Wo sie verlangt wird, ist ihm die Kandidatur versperrt. Welche abstrakten Kriterien für die Wählbarkeit erfüllt sein müssen, muss aber, weil es eine so wesentliche Frage ist, für das Gebiet der Landeskirche einheitlich durch Kirchengesetz geregelt werden und kann nicht in die Verfügung der Gemeindekirchenräte gestellt werden.

Verordnung kontra Gesetz II

Es gibt noch einen weiteren, geradezu phänomenalen Verstoß gegen Regelungen des Gemeindekirchenratsgesetzes in der Ausführungsverordnung. Mit der Verordnung vom 02.02.2024 zur Änderung der Ausführungsverordnung wurde in § 6 Abs. 2 GKR-GAV unter Nr. 4 folgende Regelung eingefügt:

„Die Feststellung, dass ein Gemeindeglied gemäß Nummer 3 nicht wählbar ist, trifft der Kreiskirchenrat von Amts wegen oder auf Antrag der Kirchengemeinde durch Beschluss. (…) Gegen die Entscheidung des Kreiskirchenrates ist innerhalb von zwei Wochen Beschwerde beim Landeskirchenamt zulässig. (…)“

Die unangenehme Aufgabe, einem als Kandidaten vorgeschlagenen Gemeindemitglied mitzuteilen, dass es aus politischen Gründen nicht als wählbar betrachtet wird, wollte der Landeskirchenrat damit bewusst nicht dem Gemeindekirchenrat vor Ort zumuten und hat sie stattdessen der höheren Hierarchieebene, dem Kreiskirchenrat, übertragen. 11 Allerdings ist diese Frage, ebenso wie die der Beschwerdeeinlegung, bereits im GKR-G geregelt, nur nicht in § 6.

§ 11 Abs. 2 GKR-G:
„Der Gemeindekirchenrat überprüft die Wählbarkeit der Vorgeschlagenen. Ist ein Vorgeschlagener nicht wählbar, so teilt der Gemeindekirchenrat dies dem Erstunterzeichner des Wahlvorschlags und dem Betroffenen unter Angabe der Gründe mit Rechtsmittelbelehrung schriftlich mit.“

Und § 14 GKR-G:
„(1) Gegen Entscheidungen des Gemeindekirchenrates in Wahlangelegenheiten steht den unmittelbar Betroffenen die Beschwerde an den Kreiskirchenrat zu.
(2) Gegen Entscheidungen des Kreiskirchenrates ist weitere Beschwerde an das Landeskirchenamt zulässig. Dieses entscheidet endgültig.
(3) Die Beschwerdefrist in Wahlangelegenheiten beträgt eine Woche nach Eingang der schriftlichen Entscheidung oder öffentlichen Bekanntgabe.
(4) Die Beschwerden nach Absatz 1 und 2 haben keine aufschiebende Wirkung.

Nach dem GKR-Gesetz entscheidet also der Gemeindekirchenrat, Beschwerde dagegen ist binnen einer Woche an den Kreiskirchenrat zu richten, weitere Beschwerde an das Landeskirchenamt. Nach der GKR-Ausführungsverordnung entscheidet der Kreiskirchenrat, Beschwerde dagegen ist binnen zwei Wochen an das Landeskirchenamt zu richten. Der Landeskirchenrat hat in seinem Eifer offensichtlich vergessen, erst einmal das eigene Gesetz zu lesen.

Folgen für die Gültigkeit der Wahl

Dies alles kann Folgen für die Gültigkeit der Wahl haben. Nicht nur könnten Kandidaten, die sich geweigert haben, die entsprechende Erklärung zu unterzeichnen, erfolgreich gegen ihren Ausschluss von der Wahl vorgehen. Die Wahl könnte auch von den übrigen Gemeindemitgliedern angefochten werden:

„Gegen das Wahlergebnis kann binnen einer Woche nach seiner Bekanntmachung von jedem wahlberechtigten Gemeindeglied Beschwerde eingelegt werden. Es kann dabei nur geltend gemacht werden, dass in der Vorbereitung und Durchführung der Wahl gegen Bestimmungen der kirchlichen Ordnung verstoßen wurde.“ (§ 22 Abs. 1 GKR-G)

Die Kirchengesetze sind Teil der kirchlichen Ordnung, Verstöße gegen § 11 Abs. 1 und Abs. 2 GKR-G sind damit Verstöße gegen die kirchliche Ordnung. Überall dort, wo der Gemeindekirchenrat die Abgabe der betreffenden Erklärung von den Kandidaten verlangt hat, könnte die Wahl erfolgreich anfechtbar sein. Denn auch, wenn alle Kandidaten die Erklärung abgegeben haben und deshalb niemand von der Wahl ausgeschlossen wurde, bleibt fraglich, ob nicht potentielle Kandidaten durch die Verpflichtung zur Abgabe der Erklärung von einer Kandidatur abgehalten wurden. Ebenso könnte eine Wahl überall dort erfolgreich anfechtbar sein, wo das Kreiskirchenamt anstelle des Gemeindekirchenrates die Unwählbarkeit eines Kandidaten durch Beschluss festgestellt oder der Landeskirchenrat anstelle des dafür gesetzlich zuständigen Kreiskirchenrates eine dagegen erhobene Beschwerde abgewiesen hat.

Der Selbstverrat der Kirche

Es bleibt die Frage, wie ein solches innerkirchliches AfD-Verbot von einem kirchlich-theologischen Standpunkt aus zu bewerten ist. Ist der Ausschluss von AfD-Mitgliedern qua Parteimitgliedschaft aus den Gemeindekirchenräten vereinbar mit dem, was die Evangelische Kirche predigt und lehrt? – Um diese Frage zu beantworten, muss man kein Christ sein, es reicht, den Kernbestand der christlichen Lehre zu kennen.

Um die Antwort vorwegzunehmen: Die Kirche verrät sich mit dem bedingungslosen Ausschluss von AfD-Mitgliedern vom Ehrenamt selbst und zwar unabhängig von der Frage, ob die AfD-Bundespartei oder bestimmte Landesverbände als rechtsextrem zu beurteilen sind oder nicht, weshalb diese Frage hier auch nicht diskutiert werden muss. 12

Der entscheidende Punkt ist dabei, dass mit dem generellen Ausschluss von AfD-Mitgliedern aus den Gemeindekirchenräten Menschen nicht mehr aufgrund ihres eigenen Denkens und Handelns beurteilt werden, sondern allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe. Die Mitgliedschaft in der AfD genügt der Kirchenleitung, um den einzelnen Menschen zu verurteilen und auszugrenzen. Man kann es drehen oder wenden wie man will, aber das ist im Kern unchristlich. Die Kirche verkündet, dass jeder Mensch als Individuum von Gott geliebt wird. Dann muss aber auch jeder Mensch von der Kirche als Individuum ernst genommen werden. Nur wer den einzelnen Menschen ansieht, kann sagen, ob zu erwarten ist, dass er (oder sie) die Pflichten eines Gemeindekirchenratsmitglieds erfüllen wird oder nicht. Die Kirchenleitung weigert sich, den einzelnen Menschen anzusehen. Wer Mitglied in der AfD ist, soll allein deshalb ausgeschlossen sein, obwohl keine Kirchenleitung ausschließen kann, dass es in der AfD Menschen gibt, die nicht weniger gute Christen sind als die Mitglieder anderer Parteien. Die „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“, die die lutherischen Bischöfe in ihrer Presseerklärung vom März 2024 der AfD vorwerfen , wird damit von der Kirche selbst praktiziert. Jesus sagt: „Es ist egal, ob Du Zöllner bist oder nicht, ich will heute Gast in Deinem Haus sein“, 13 die Kirche sagt: „Du bist für uns ein Zöllner und mit Zöllnern wollen wir nichts zu tun haben.“

Es ist zu vermuten, dass die Kirchenleitung ahnt, dass sie dem einzelnen AfD-Mitglied mit der Ausgrenzung qua Parteimitgliedschaft Unrecht tut. Es ist zu vermuten, dass sie ahnt, dass solche Feinderklärungen etwas Unchristliches sind und der Kirche ein hässliches Gesicht geben. Es scheint aber, dass das unterschwellige schlechte Gewissen nur zur Folge hat, dass der Kampf gegen die AfD mit noch größerer Erbitterung geführt wird. Die AfD muss dämonisiert werden, um die pauschale Ausgrenzung der einzelnen Mitglieder zu rechtfertigen. 14

Was die Kirche antreibt

Vielleicht ist die Frage nach den Gründen gar nicht so interessant, weshalb sie hier auch nur kurz angerissen werden soll.

Der Kampf gegen die AfD hat eine sinnstiftende Funktion für eine verunsicherte Kirche. Den – angeblich – bedrohlichen Gegner vor Augen, spürt die Kirche eine Kraft und Entschiedenheit, die sie sonst oft schmerzlich bei sich selbst vermisst. Lakonisch mit Volker Pispers gesagt: Ist der Feind bekannt, hat der Tag Struktur.

Hinzu kommt, dass dieser Kampf – scheinbar jedenfalls – der Kirche eine gesellschaftliche Relevanz vermittelt, die ansonsten in einer säkularen, zunehmend areligiösen Gesellschaft mehr und mehr in Frage steht. Die Kirche wird zum Bündnispartner für Parteien, Medien und NGOs, die sich den „Kampf gegen rechts“ auf die Fahnen geschrieben haben, und ist damit Teil eines größeren Wir.

Und schließlich ist da noch das eigene schwierige Erbe: Was die Großväter – nicht alle, es gab auch die Bekennende Kirche! – im Nationalsozialismus versäumt haben, soll jetzt an der AfD „wiedergutgemacht“ werden. „Nie wieder ist jetzt“, denken auch die AfD-Feinde in der Kirche, ohne sich ernsthaft darüber Rechenschaft abzulegen, ob solche historischen Parallelen gegeben sind.

Fazit

Die Kirche beklagt Ausgrenzung und Diskriminierung, grenzt aber selbst Gemeindemitglieder aus, die Mitglied in der – in ihren Augen – falschen Partei sind. Sie beklagt Menschenverachtung in Politik und Gesellschaft und gibt alle Mitglieder dieser Partei und ihre Wähler der Verachtung preis. 15 Sie beklagt die Spaltung der Gesellschaft und treibt sie selbst voran.Sie erklärt sich zur Verteidigerin der Demokratie und beschädigt gleichzeitig die demokratischen Strukturen in der Kirche. Anstatt jedem Menschen unvoreingenommen und offen zu begegnen, erklärt sie Gemeindemitglieder, die sich in bester Absicht ehrenamtlich in der Kirche engagieren wollen, zu ihren Feinden und behandelt sie auch so. So verrät die Kirche sich selbst und ihre Botschaft. Ob es noch Hoffnung gibt, dass sie ihren Irrweg erkennt?

Endnoten

Quelle: Netzwerk Kritische Richter und Staatsanwälte n.e.V. (KRiStA)

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