Putin-Gegner Jaschin lehnt Polizeischutz ab
Der lange Arm Putins reicht möglicherweise bis in die Community der russischen Oppositionellen in Deutschland. Wie Kreml-Kritiker Ilja Jaschin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte, habe er erst kürzlich einen "seltsamen Vorfall" erlebt. "Ich saß mit einem Freund in einem Café in Berlin.
Plötzlich merkte ich, wie ein Mann am Nebentisch sein Handy zückte und
anfing, mich zu filmen. Ich bin mir sicher: Dieser Mann war kein
normaler Café-Besucher, sondern hat uns ausspioniert."
Jaschin
war in Russland für kritische Äußerungen über den Ukraine-Krieg zu einer
achteinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Im August kam er bei
einem Gefangenenaustausch frei und lebt inzwischen im Exil in Berlin -
allerdings nicht unbehelligt: "Ich weiß mittlerweile sehr gut, wie
russische Agenten oder Polizisten aussehen", so der 41-Jährige. "Ich
hatte oft mit ihnen zu tun." In dem Berliner Café habe er schließlich
seinerseits Fotos von dem Unbekannten gemacht und sie der Polizei
geschickt.
Trotzdem versuche er, nicht über die Gefahr durch
Spione und Agenten nachzudenken. Nach seiner Ankunft hatte er ein
Gespräch mit der deutschen Polizei gehabt. "Es ging darum, dass sie sich
um meine Sicherheit und mein Auftreten in der Öffentlichkeit sorgen."
Das könne er verstehen, so der Oppositionelle. "Es wäre für den
deutschen Staat ein Problem, wenn ich plötzlich erschossen auf der
Straße liegen würde." Polizeischutz lehne er aber dennoch ab, so
Jaschin. "Ich hatte nicht mal in Moskau Bodyguards, warum sollte ich
dann hier welche haben?"
Jaschin beklagte darüber hinaus die
Zustände in seinem Heimatland: "Putin hat mein Volk als Geisel
genommen", sagte er den Funke-Zeitungen. "Die meisten Leute haben Angst
davor, sich gegen ihn und sein Regime zu stellen." Jaschin bezeichnete
dies als "Stockholm-Syndrom". Kritikern werde durch die
Propaganda-Maschinerie das Gefühl vermittelt, mit ihrer Meinung isoliert
zu sein.
Jaschin, der 2022 wegen seiner offenen Kritik am Krieg
gegen die Ukraine zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden war,
erneuerte seine Forderung an den Westen, Kiew nach Kräften zu helfen.
"Sowohl der Westen als auch die russische Opposition sollten alles dafür
tun, um die Ukraine zu retten", sagte er. "Es darf keine Illusion
darüber geben, dass Putin sich mit der Ukraine zufriedengeben würde."
Quelle: dts Nachrichtenagentur