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So arbeitet der WHO-Hub im Herzen Berlins: Bessere Daten für die globale Gesundheit

Archivmeldung vom 19.02.2022

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.02.2022 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Anja Schmitt
Visualisierung des geplanten WHO-Hub in Berlin
Visualisierung des geplanten WHO-Hub in Berlin

Bild: © World Health Organisation - WHO

Die Welt war auf die Covid-19-Pandemie nur mäßig vorbereitet und hat Glück im Unglück gehabt. Damit die Menschheit in Zukunft schneller reagieren kann, nimmt in Berlin ein WHO-Hub die Arbeit auf, in dem Gesundheitsdaten aus aller Welt verarbeitet werden. Aber wie genau arbeitet dieser Hub? SNA hat mit einer WHO-Mitarbeiterin gesprochen.

Weiter ist auf deren deutschen Webseite dazu folgendes geschrieben: "Die Sterblichkeit bei SARS-CoV-2 ist, verglichen mit anderen bekannten Erregern mit Pandemie-Potenzial, relativ niedrig. Während die Todesfälle bei Covid-19 sich gegenwärtig in einem Bereich unter drei Prozent der nachgewiesenen Infektionen bewegen*, wird etwa das Potenzial der Vogelgrippe, je nach Stamm, von der Weltgesundheitsorganisation(WHO) auf 30-60 Prozent geschätzt**. Die Tödlichkeit des von Fledermäusen übertragenen Nipah-Virus gibt die Organisation sogar mit 40 bis 75 Prozent an. Glücklicherweise scheint es in der Übertragung von Mensch zu Mensch bislang nicht so erfolgreich zu sein. Grundsätzlich gibt es eine ganze Reihe bekannter Erreger, die am Anfang der nächsten Pandemie stehen könnten, und gewiss noch mehr unbekannte.

Es reicht also ein Blick auf die verfügbaren Daten, um zu dem Schluss zu kommen, dass weitere Epidemien und Pandemien wahrscheinlich und im Grunde auch zu erwarten sind. Um der nächsten Notlage vorbereiteter zu begegnen, braucht es aus Sicht der WHO eine stärkere Datenanalyse und eine verbesserte Kommunikation zwischen Ländern. Zu diesem Zweck wurde im Herbst 2021 der „WHO Hub for Pandemic and Epidemic Intelligence“ in Berlin eröffnet. Dieser Knotenpunkt für Sammlung und Verarbeitung von Gesundheitsdaten soll nichts anderes als ein Frühwarnzentrum für Epidemien und Pandemien sein, das mit neusten Technologien aus der Datenverarbeitung arbeiten und die Ergebnisse mit der Öffentlichkeit teilen soll.

Der Hub wird derzeit am Moritzplatz im hippen Berliner Stadtteil Kreuzberg gebaut. Nach Fertigstellung sollen darin über 100 Mitarbeiter der WHO und aus anderen Organisationen aus der ganzen Welt ihrer Tätigkeit nachgehen. Auch jetzt ist schon eine kleine Hub-Gruppe aktiv. Mit einer der Mitarbeiterinnen, Mirjam Jenny, hat SNA über die künftige Arbeit des Hubs gesprochen.

SNA: Frau Jenny, wieso hat die WHO Berlin zum Standort für den Hub gewählt?

WHO: Eigentlich war es eher Deutschland, das sich für den Hub entschieden hat. Die Beziehung war generell gut zwischen Angela Merkel und Tedros (Anm.d.Red.: Tedros Adhanom Ghebreyesus, gegenwärtiger Chef der WHO). Außerdem hat Deutschland generell seine Rolle im Gesundheitswesen im letzten Jahrzehnt stark verändert. Es hat sich zu einem zentralen Akteur im Bereich der globalen Gesundheit entwickelt.

SNA: Kommen wir zum Hub selbst. Seine Hauptaufgabe ist es, die Datenlage rund um Pandemien und Epidemien zu verbessern. Welche Daten werden dort denn gesammelt, aus welchen Quellen? Und mit wem wird da die WHO zusammenarbeiten, mit den nationalen Gesundheitsinstituten etwa?

WHO: Nationale Gesundheitsinstitute werden definitiv eine große Rolle spielen. Diese sind international über die Internationale Vereinigung nationaler Gesundheitsinstitute (IANPHI) vernetzt, mit der auch wir in Kontakt stehen. Es wird im Hub aber nicht nur um gewöhnliche Gesundheitsdaten und Daten aus dem öffentlichen Gesundheitswesen wie Fallzahlen, Symptome, eventuell auch Erbgutanalysen von Erregern gehen. Sondern es geht um bessere Daten, vielleicht auch zu klimatischen Veränderungen, Bewegungsprofile von Reisenden und Tiertransporte, Daten zu Kontakten von Tier und Mensch, Daten von Menschen, die ihre Wahrnehmung betreffen und ihr Verhalten, wie viele Kontakte haben sie, wie ist ihre Risikowahrnehmung, solche Dinge. Aber bei all dem dürfen wir nicht vergessen: Die Daten zu verknüpfen wird viel mehr die Aufgabe des Hubs sein, als sie zu sammeln, und es wird auch viel politische Arbeit zu leisten sein, um Regionen und Länder überhaupt erst dazu zu bewegen, ihre Daten zu teilen. Das wird genauso im Mittelpunkt unserer Arbeit stehen wie der Umgang mit den Daten selbst.

SNA: Stellen wir uns mal vor, wir haben ein Szenario wie in Wuhan, plötzlich treten Fälle einer Erkrankung auf. Was würde sich an Berichten über solche Vorfälle und deren Analyse ändern, wenn wir jetzt ein solches Hub haben?

WHO: Die Geschwindigkeit dürfte steigen. Berichte, Datenaustausch, Wissensaustausch – das alles wird schneller. Außerdem geht es bei dem Vorhaben darum, ein Vertrauensnetzwerk aufzubauen. In diesem etabliert man dann vertrauensvolle Beziehungen noch vor jeglicher Pandemie und muss die nicht erst inmitten einer Krise aufbauen, was sehr schwierig ist. Dieses Vertrauen sorgt dann wieder für einen schnelleren Datenfluss, mehr öffentliche Daten, transparentere Prozesse.

SNA: Das wäre dann die politische Arbeit, von der Sie vorhin gesprochen haben?

WHO: Ja. Zudem können die Regeln für Berichte vereinfacht werden, weil es da viel Bürokratie gibt, auch wenn es um etwas so Einfaches geht wie Berichte über Fallzahlen an die WHO oder zwischen verschiedenen Ländern.

SNA: Angenommen, ein Land möchte in dieses Vertrauensnetzwerk, will aber vorher wissen, ob seine Daten bei der WHO auch sicher sind. Wie garantiert der Hub, dass er nicht gehackt wird oder die Daten korrekt behandelt werden? Wie steht es also um Sicherheit und Datenschutz?

WHO: Die WHO wird natürlich keine personenbezogenen Patientendaten haben oder dergleichen. Viele Daten werden sowieso öffentlich zugänglich und transparent aufbereitet sein. In gewisser Weise wird es da also nichts zu hacken geben, weil ja alles öffentlich sein wird. Das Bild des Hubs als eines riesigen Datenzentrums trifft das Vorhaben nicht. Es wird eher eine Hilfsinstanz sein für Länder zum Datenaustausch und diese Daten miteinander sinnvoll verknüpfen. Es wird kein gigantisches Datenzentrum, das jemand hacken wollen würde.

SNA: Werden neben nationalen Gesundheitsinstituten auch spezielle Forscher und Forschungseinrichtungen eine Rolle spielen?

WHO: Sicher. In Deutschland ist das bereits der Fall, aber es werden auch viele Gespräche mit internationalen Organisationen geführt. Das Ziel ist es sogar, internationale Forscher für eine gewisse Zeit für gemeinsame Projekte in den Hub zu holen, die danach wieder in ihre Institute zurückkehren. Dadurch verbindet man die hellsten Köpfe und wichtigsten Ideen zu einem Netzwerk.

SNA: Gibt es ein Beispiel-Szenario, in dem ein Land den Hub braucht, um Gesundheitsdaten über ein anderes Land zu erhalten?

WHO: Ein praktisches Beispiel fehlt mir gerade, aber ich weiß, dass zwischen Ländern fast nie Daten ausgetauscht werden. Manchmal hat das etwas mit fehlender Infrastruktur zu tun, aber oft genug mit fehlendem Vertrauen. Die Idee wäre etwa: Wenn jeder Daten mit der WHO teilt und sie über diese verfügbar macht, dann teilen automatisch mehr Länder. Vielleicht gibt es durch die politische Arbeit auch mehr direkten Austausch zwischen Ländern.

SNA: Es gibt in der Wissenschaft die kontroverse Frage nach dem Ursprung des Coronavirus. Die einen sagen, es sei per Zoonose*** auf einem Wuhaner Markt von einem Tier auf Menschen übergesprungen, während andere auf das Institut für Virologie in der Stadt verweisen, in dem länger an SARS-ähnlichen Coronaviren geforscht wurde. Sie haben von Umweltdaten gesprochen und von Tier-Mensch-Kontakten. Auf Zoonosen wird der Hub also ein Auge werfen. Werden Sie auch versuchen, mehr auf Labors zu blicken, in denen zoonotische Erreger erforscht werden?

WHO: Das hängt auch von den jeweiligen Forschungsprojekten sowie von den Forschungskooperationen ab, die wir entwickeln werden. Ich vermute aber, dass der Fokus mehr auf Tieren liegen wird, von denen Erreger auf Menschen überspringen können und weniger auf Labore, obwohl diese in der Theorie übersichtlicher sind. Vielleicht sollte man sich die übliche Arbeit der WHO mit Gesundheitsnotfällen vor Augen führen: Jeden Monat kommen aus aller Welt unzählige Warnungen über mögliche öffentliche Gefahren rein. Neue Syndrome, neue Erreger, solche Dinge. Und die Analytiker bei der WHO tun eigentlich den ganzen Tag nichts anderes, als herauszufinden, ob darunter eine größere Bedrohung ist oder nicht. Das wird sicher auch weiter das zentrale Anliegen bleiben. Ich rede jetzt natürlich von der Arbeit, wenn etwas schon mit Menschen passiert ist. Da geht es nicht mehr um die Beobachtung von Tieren und Laboren. Prinzipiell könnte es natürlich auch dazu Forschungsprojekte geben.

SNA: Der Hub in Berlin könnte nicht der letzte sein. Ich habe etwas von mindestens einem Hub pro Kontinent in Zukunft gelesen. Gibt es da schon eine Vorstellung, wie dieses Netz aus Knotenpunkten am Ende aussehen soll? Wie viele Hubs wird man haben und wie viele brauchen wir?

WHO: Schwer zu sagen. Das hängt davon ab, wie sich dieser Hub entwickelt, wie unsere Zusammenarbeit mit Partnern sich gestaltet, wie unsere politische Arbeit läuft. Es werden natürlich auch Hubs von anderen Organisationen in anderen Ländern gebaut, die nicht von der WHO sind, aber wichtig sind wie das „Pandemic Prevention Center“ in den USA oder der „Global Pandemic Radar“ in Großbritannien. Mit diesen Organisationen gibt es bereits eine enge Kooperation. Ein weiteres Ziel ist es auch, den globalen Süden zu stärken und auch dafür zu sorgen, dass der analytische Blick aufs Gesundheitswesen auch zu gerechteren Entwicklungen zum Beispiel in Afrika führt. Außerdem ist Afrika natürlich ein Kontinent mit besonders vielen Krankheitsausbrüchen. Ein Hub in Afrika wäre also wünschenswert, aber im Grunde wären sie auch in anderen Regionen von Vorteil.

Anmerkungen:

* Es handelt sich um die sogenannte Case-Fatality ratio, was zu Deutsch das Verhältnis von Fällen und fatalen Ausgängen bedeutet. Dabei wird die Zahl der Todesfälle durch die Zahl nachgewiesener Infektionen geteilt und mit 100 multipliziert. So erhält man eine Prozentangabe. Diese Angaben hängen natürlich direkt von den Testkapazitäten ab, denn je weniger Infektionen nachgewiesen werden können, desto stärker fallen Todesfälle ins Gewicht, desto höher ist also auch die Case-Fatality ratio.

** Diese erste Einschätzung dürfte zu hoch sein. Es gibt Schätzungen, dass die reale Tödlichkeit zwischen 14 und 33 Prozent liegen dürfte.

*** Zoonose beschreibt die Übertragung von Krankheitserregern vom Tier auf den Menschen."

Quelle: SNA News (Deutschland)

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