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„Verein Deutsche Sprache“: „Schluss mit dem Gender-Unfug!“

Archivmeldung vom 11.03.2019

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.03.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Claudia Hautumm / pixelio.de
Bild: Claudia Hautumm / pixelio.de

Die Einen feiern sie als wichtigen Schritt zur Geschlechtergerechtigkeit, die Anderen sprechen von „Gender-Gaga“: In unserer Sprache hat sich eine Fülle von Formen gebildet, die den weiblichen Teil der Bevölkerung sowie Transgender bewusst miteinbeziehen sollen. Professor Walter Krämer vom Verein Deutsche Sprache hat dafür wenig Verständnis.

Auf der Internetseite des „Verein Deutsche Sprache“ ist ein Aufruf unter dem Titel „Schluss mit dem Gender-Unfug!“ erschienen. Die Verfasser Monika Maron, Wolf Schneider, Walter Krämer und Josef Kraus wenden sich damit an die Öffentlichkeit, weil sie „Sorge um die zunehmenden, durch das Bestreben nach mehr Geschlechtergerechtigkeit motivierten zerstörerischen Eingriffe in die deutsche Sprache“ haben. Der Aufruf hat 100 Erstunterzeichner, darunter namhafte Autoren, Journalisten, Sprach- und Sozialwissenschaftler, Historiker und Psychologen.  Sputnik sprach mit einem der Verfasser, Professor Walter Krämer.

Zusammen mit vier Gleichgesinnten haben Sie sich mit einem Aufruf an die Öffentlichkeit gewandt. Dieser trägt den Titel „Schluss mit dem Gender-Unfug!“ und kritisiert die Umwandlung der deutschen Sprache im Namen der Geschlechtergerechtigkeit. Woran genau stören Sie sich?

Ich will erstmal vorausschicken: Ich habe überhaupt nichts dagegen, dass die Gleichberechtigung der Geschlechter auch sprachlich sichtbar gemacht wird. Jahrtausende lang sind Frauen unterdrücktworden, was sich auch in der Sprache niedergeschlagen hat. Etwa bei Wörtern wie „brüderlich“, „Fachmann“, „jedermann“. Dass man das ändert, ist vollkommen legitim, und da habe ich auch kein Bauchweh. Das Bauchweh fängt da an, wo die Leute vergessen, dass es einen Unterschied gibt zwischen Genus und Sexus. Genus ist einfach eine Möglichkeit, Hauptwörter in Schubladen einzuteilen. Im Deutschen haben wir drei, im Französischen und Spanischen zwei, im Englischen nur eine Schublade, wo alle Hauptwörter landen. Die Schublade, in der die Männer landen, hat den Artikel „der“. Die Schublade, in der die Frauen landen, den Artikel „die“. Es ist aber ein historischer Irrtum, dass alle Wörter, die in der Schublade mit den Männern landen, als männlich bezeichnet werden. Das kam zustande, weil man irgendwann das Wort „Genus“ mit „grammatischem Geschlecht“ übersetzt hat. Das war eine vollkommen falsche Übersetzung und die hat den ganzen Unfug in die Welt gesetzt.

Nun gibt es ja eine Vielzahl von Varianten, angefangen bei der Nennung beider Geschlechter, über Binnen-„I“, Pluralformen wie „die Studierenden“ oder auch „Studex“ und bis hin zu Gendersternchen, wobei die Zahl der Sternchen auch variiert. Wenn man da nun ganz sicher gehen will, gibt es sowas wie eine anerkannt richtige Form?

Früher war der Duden unsere Instanz, die sagte, was erlaubt ist und was offiziell nicht als richtig zählt. Da ist zum Beispiel das Gendersternchen zurzeit noch nicht richtig. Wer das benutzt, schreibt kein korrektes Deutsch. Aber wie gesagt, Duden war früher die Instanz. Heute unterstützt der Duden auch allen möglichen Unfug, wie ich finde. Ob der Duden nun das Binnen-„I“ unterstützt, weiß ich nicht, ist aber auch egal, denn der Duden hat seine Wirkung als Sprachinstanz schon lange eingebüßt.

Was macht es mit unserer Sprache?

Nun, das macht sie erstmal umständlich und länger. Der „Bürger- und Bürgerinnenmeister“ ist doch ein lächerliches Wort, wenn wir ehrlich sind. Wenn Sie heute Amtstexte lesen, Friedhofsordnungen oder Benutzungsordnungen für Sportstätten und dergleichen, dann sind sie doppelt so lang wie früher, weil zwanghaft und fast schon pathologisch darauf geachtet wird, dass Frauen immer mitgenannt werden. Dabei wird vergessen, dass Frauen bei sehr vielen Wörtern, vor denen „der“ steht, immer mitgenannt sind. „Der Mensch“: Damit sind natürlich Männer und Frauen gemeint. Oder „der Arzt“. In jeder Werbung kommt doch am Schluss der Hinweis „Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“. Wenn mein Arzt nun eine Frau ist, darf ich sie dann nicht fragen? „Der Arzt“ steht stellvertretend für Männer und Frauen, die diesen Beruf ausüben. In ein paar Jahren wird es auch so sein, dass Schulkinder fragen werden: Darf auch ein Mann Bundeskanzler werden? Denn für Kinder unter zehn ist das mit Frauen verbunden. Und so wie der Beruf des Bundeskanzlers ein Frauenberuf ist, wird demnächst auch der Beruf des Arztes ein Frauenberuf sein. Die Mehrzahl der Medizinstudenten ist heute weiblich. Und es hat auch den Erfolg der Frauen nicht behindert, dass es etwa heißt „der Bundeskanzler“. Im Grundgesetz kommt zwölf- oder dreizehnmal das Wort „Bundeskanzler“ vor, kein einziges Mal „Bundeskanzlerin“. Hat das Frau Merkel geschadet?

Hat denn die Genderanpassung der Sprache zu mehr Gerechtigkeit geführt oder wenigstens zu mehr Bewusstsein für Ungleichheit?

Dass Ungleichheit immer noch existiert, darauf kann man durchaus hinweisen. Es gibt zum Beispiel jedes Jahr den Equal Pay Day. Dass Frauen für die gleiche Arbeit noch immer schlechter bezahlt werden als Männer – das sind die Skandale, um die man sich mal kümmern sollte. Dass die Leute in der Sprache immer noch Genus und Sexus verwechseln, ist kein Skandal. Dass man sich darüber so aufregt, ist ärgerlich und lenkt von den eigentlichen Problemen ab.

Vor kurzem hat eine ehemalige Schülerin von mir, die gerade Deutsch lernt, sich darüber aufgeregt, dass im Deutschen das „Mädchen“ sächlich ist. Sie verstand nicht, weshalb das bei aller Geschlechtersensibilität so ist, und ich konnte es ihr auch nicht erklären. Setzen wir an den falschen Stellen an?

Da haben Sie mich auf etwas hingewiesen, was mir bisher nicht so klargeworden ist. Es gibt ja einen Fall, wo in der Tat schon vor langer Zeit die Freunde der sprachlichen Gleichberechtigung zu Recht zugeschlagen haben – das war die Elimination des „Fräuleins“ aus unserem Wortschatz. Das Wort kann in der Tat als Diskriminierung der Frauen gesehen werden.

Lassen Sie uns einen Blick über den Tellerrand werfen. Verschiedene Sprach- und Kulturräume gehen unterschiedlich mit Geschlechtern um. Im Russischen gibt es gar keine Artikel, die Wörter haben aber sehr wohl ein Geschlecht. Dennoch wird bei Berufsbezeichnungen üblicherweise die männliche Form verwendet. Das ist aber keinesfalls diskriminierend, sondern eher umgekehrt. Wenn dann mal jemand die weibliche Form benutzt, beispielsweise „Kassiererin“, klingt das herabsetzend. Wäre so ein Modell besser als das, was wir im Deutschen haben?

Das ist ja historisch entstanden, weil in der Tat früher die hochwertigen Berufe von Männern ausgeübt wurden. Die Putzfrauen waren aber Frauen und keine Männer. Dass das die Bedeutung von Wörtern, die mit dem Artikel „der“ versehen sind, färbt, ist natürlich klar. Der Bäcker, der Schmied, der Taxifahrer. Das sind alles Berufe, die lange Zeit hauptsächlich von Männern ausgeübt worden sind, und wenn das Wort fällt, denkt jeder sofort an einen Mann. Aber das ändert sich nicht dadurch, dass wir zwangsweise sagen „die Taxifahrerin“ oder „die Bäckerin“, sondern dadurch, dass die Bäcker tatsächlich Frauen sind, wie bei den Ärzten. Dass Wörter mit dem Artikel „der“ automatisch Männer meinen müssen, ist der fundamentale Fehler all der Leute, die diese Geschlechterdiskussion jetzt so vehement aus Sicht der Frauen führen.

Abschließend ein Blick in die Zukunft. Ich habe vor kurzem die Einschätzung von Sprachwissenschaftlern gelesen, dass  die falschen und vereinfachenden Ausdrücke aus der Umgangssprache mittelfristig in die Hochsprache eingehen werden. Für Sprachpuristen eine verstörende Aussicht … Wird es auch im Fall der Gendersprache so sein, was glauben Sie?

Es ist ja die Duden-Strategie, dass, wenn hinreichend oft ein Wort, eine Wortwendung oder eine Variante vorkommt, sie dann als „normal“ klassifiziert wird und ab dann zum Standardwortschatz des Deutschen gehört. Etwa das Wort „Flieger“. „Ich habe einen Flieger von Berlin nach Köln genommen“. Das hätte man vor zwanzig Jahren nicht gesagt, aber heute zählt es als gutes, korrektes Deutsch. Das ist eine Entwicklung, die ich nicht begrüße. Dass es keine Instanzen gibt, wie in Frankreich die Académie française, die auch Vorschläge machen, wie man es gut machen könnte. Der Duden ist nur jemand, der am Wegesrand sitzt und notiert, was denn alles gesagt wird. Er macht keine Vorschläge, wie man es schöner und besser machen könnte.

Das bedeutet ja auch in der Konsequenz, dass unsere Grammatik ganz stark vereinfacht werden wird. Wenn man irgendwann nicht mehr zwischen Adjektiv und Adverb unterscheidet, oder zwischen Genitiv und Dativ …

Stimmt. Es ist heute schon so, dass das „e“ beim Dativ gestorben ist. „Ich gehe zu meinem Freunde“ – das hat schon vor fünfzig Jahren aufgehört, zu existieren. Das Abraspeln der Kasusendungen ist schon größtenteils passiert, und wenn es so weitergeht, wird es dazu führen, dass man die Fälle irgendwann nicht mehr unterscheiden kann. Das ist eine Verarmung, weil dann die Ausdrucksmöglichkeiten weniger werden.

Das komplette Interview mit Professor Walter Krämer zum Nachhören:

Quelle: Sputnik (Deutschland)

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