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Hoffnung für Abgemahnte - OLG Köln entschärft Vermutungswirkung in Filesharing-Verfahren

Archivmeldung vom 30.03.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.03.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Rechtsanwalt Christian Solmecke von der Kölner Kanzlei WILDE BEUGE SOLMECKE weist auf einen richtungsweisenden Beschluss des OLG Köln vom 24. März 2011 (Az. 6 W 42/11) hin. Der Beschluss stellt die bisherige Rechtsprechung des Landgerichts Köln in Filesharing-Verfahren in Frage und gibt Hoffnung für Abgemahnte.

Bis dato hatten es Abgemahnte im Gerichtsbezirk Köln schwer. Das Landgericht Köln galt insofern als "sichere Bank" für Rechteinhaber in Filesharing-Verfahren.

Prozesskostenhilfeanträge wurden zahlreich mangels Erfolgsaussicht zurückgewiesen. Dabei verwies die Urheberrechtskammer des Landgerichts Köln immer wieder auf die "Vermutungswirkung" zu Lasten von Anschlussinhabern hin. Das Gericht unterstellte in der Regel die Ermittlungsergebnisse der IP-Adresse als richtig und bejahte eine Störerhaftung, wenn der Anschlussinhaber seinen Anschluss u.a. Familienangehörigen oder Dritten zu Verfügung gestellt hatte. Bemühungen, die Vermutungswirkung zu entkräften, wies das Gericht meist mit der Begründung ab, es handle sich um "pauschales Bestreiten ins Blaue hinein". Das Bestreiten der fehlerfreien Ermittlung der IP-Adresse wurde in der Regel mit den Worten "Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit der Auskunft begründen könnten, sind weder ersichtlich noch hinreichend substantiiert vorgetragen" kommentiert.

Diesem Umgang mit Filesharing-Verfahren hat das Oberlandesgericht nun einen Riegel vorgeschoben. Denn der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln nahm im Rahmen einer sofortigen Beschwerde gegen einen ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss der 28. Kammer des Landgerichts Köln (28 O 482/10) ausführlich Stellung zur Vermutungswirkung sowie zur Störerhaftung. Im Ergebnis hob es den PKH-Beschluss des LG Köln auf und wies die Angelegenheit zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Köln zurück - und zwar mit der Maßgabe, dass Prozesskostenhilfe nicht wegen fehlender Erfolgsaussicht der Verteidigung gegen die Klage versagt werden dürfe.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin nahm die Beklagte auf Unterlassung, Schadensersatz und Zahlung von Abmahnkosten in Anspruch. Sie behauptete, die Beklagte habe Verwertungsrechte an einem Computerspiel der Klägerin verletzt, in dem das Computerspiel über die IP-Adresse der Beklagten öffentlich zugänglich gemacht worden sei. Dies habe die Ermittlung eines Antipiracy-Unternehmens ergeben. Im Rahmen eines Anordnungsverfahrens gemäß § 101 Abs. 9 UrhG sei die ermittelte IP-Adresse schließlich der Beklagten zugeordnet worden.

Die Beklagte hingegen bestritt, Filesharing betrieben zu haben. Sie wies insofern darauf hin, dass auch ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann den Internetanschluss habe mit nutzen können. Zudem bestritt sie die Ermittlung und Zuordnung der IP-Adresse mit Nichtwissen.

Die seitens der Beklagten beantragte Prozesskostenhilfe wies das Landgericht Köln mangels Erfolgsaussicht der Verteidigung ab. Gegen diesen Beschluss legte die Beklagte erfolgreich sofortige Beschwerde ein.

Das Oberlandesgericht Köln erließ einen für Filesharing-Verfahren wegweisenden Beschluss. Zunächst weist das Oberlandesgericht im Rahmen des Beschlusses darauf hin, dass der Klageantrag der Klägerin auf Unterlassung zu unbestimmt sei. Die Klägerin hatte sinngemäß beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, das Computerspiel ohne Zustimmung der Klägerin im Internet der Öffentlichkeit zugänglich zu machen bzw. Dritten dieses zu ermöglichen. Der Antrag umfasst insofern also sowohl die Variante der Täter- als auch der Störerhaftung. Nach Ansicht des 6. Zivilsenats ist der Antrag in dieser Form zu unbestimmt. Der Antrag müsse sich vielmehr, wenn die Beklagte als Störerin in Anspruch genommen werde, drauf beschränken, es zu unterlassen, außenstehenden Dritten die Rechtsverletzung zu ermöglichen. Es handle sich schließlich bei der Täter- und Störerhaftung um zwei verschiedene Streitgegenstände, die letztendlich nur in Form von Haupt- und Hilfsantrag zulässig wären.

Entgegen der 28. Zivilkammer des Landgerichts kommt der 6. Senat des Oberlandesgerichts ferner zu dem Ergebnis, dass eine Täterschaft der Beklagten aufgrund der ermittelten IP-Adresse und der Anschlussinhaberschaft der Beklagten gerade nicht bewiesen sei.

Das Oberlandesgericht lässt es im Hinblick auf die Vermutungswirkung zu Lasten des Anschlussinhabers genügen, dass "die ernsthafte Möglichkeit eines von der Lebenserfahrung, auf die die Vermutung begründet ist, abweichenden Geschehensablauf feststeht".

Unstreitig habe der verstorbene Ehemann der Beklagten ebenfalls Zugriff auf den Internetanschluss des Beklagten gehabt. Das Gericht bejahte insofern die ernsthafte Möglichkeit, dass auch der Ehemann Filesharing habe betreiben können. Insofern könne ein entsprechender Prozesskostenhilfeantrag nicht mangels Erfolgsaussichten verweigert werden. Schließlich könne eine Schadensersatzpflicht der Beklagten als vermeintliche Täterin gerade nicht unterstellt werden.

Doch auch im Hinblick auf die sog. Störerhaftung ist der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln wegweisend.

So hatte das Landgericht Köln - wie in zahlreichen anderen Fällen ebenfalls - das Bestreiten der Ordnungsgemäßheit der IP-Adressermittlung als unbeachtlich angesehen.

Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts korrigiert diese Rechtsauffassung und macht deutlich, dass ein Bestreiten mit Nichtwissen gemäß § 138 Abs. 4 ZPO zulässig sei. Es bedürfe insofern keines Vortrags konkreter Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Ermittlungen seitens der Beklagten. Auch das Ergebnis des Anordnungsverfahrens gemäß § 101 Abs. 9 UrhG lasse keinen anderen Schluss zu. Dies insbesondere, da der angebliche Verletzer an dem Verfahren vor Erlass der Gestattungsanordnung nicht beteiligt sei.

Das Oberlandesgericht stellt ferner klar, dass der Beklagten Prozesskostenhilfe auch dann nicht versagt werden könne, wenn die Rechtsverletzung tatsächlich über den Anschluss der Beklagten begangen worden sei. In Übereinstimmung zur bisherigen Rechtsprechung des Landgerichts Köln bejaht das Oberlandesgericht grundsätzlich Aufklärungs- und Belehrungspflichten auch gegenüber volljährigen Hausgenossen. Allerdings sei umstritten, ob diese Pflichten auch gegenüber dem jeweiligen Ehegatten gelten. Schließlich sei häufig nur ein Ehegatte Vertragspartner des Telefondienstvertrags, obwohl beide den Anschluss als gemeinsamen Anschluss nutzen würden. Möglicherweise stünde dann der Annahme einer gegenseitigen Kontrollpflicht des Ehegatten die Vorschrift des § 1357 BGB zuwider. Gemäß § 1357 BGB ist jeder Ehegatte berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen.

Auch das Thema der Deckelung der Abmahnkosten gemäß § 97 a Abs. 2 UrhG findet in dem Beschluss Erwähnung. Das Oberlandesgericht weist ausdrücklich darauf hin, dass unabhängig von der Haftung dem Grunde nach höchstrichterlich nicht entschieden sei, ob unter Umständen die Deckelung des § 97 a Abs. 2 UrhG auf € 100,00 greife. Auch insofern könne der Beklagten Prozesskostenhilfe nicht versagt werden.

Rechtsanwalt Christian Solmecke kommentiert: "Dieser Beschluss ist tatsächlich wegweisend. Bisher hatten Abgemahnte - jedenfalls bei Verfahren vor dem Landgericht Köln - kaum Erfolgsaussichten. Denn den Betroffenen ist es in der Regel aus tatsächlichen Gründen nicht möglich, nachzuweisen, wer zum Teil vor Jahren den Internetanschluss missbraucht haben könnte. Der Nachweis, dass es sich nicht um die IP-Adresse des Abgemahnten handelt, war gänzlich unmöglich, da sämtliche Ermittlungsergebnisse als korrekt unterstellt wurden. Bisherige Verteidigungsbemühungen, beispielsweise die Einreichung eines amtsgerichtlichen Sachverständigengutachtens, das die fehlerfreie Ermittlung der IP-Adresse angreift, liefen insofern ins Leere. Gründe, die die Kanzlei WILDE BEUGE SOLMECKE dazu veranlasst haben, zum einen gegen ablehnende Prozesskostenhilfebeschlüsse vorzugehen sowie zum anderen in einigen Verfahren Befangenheitsanträge gegen die 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln zu stellen."

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln gibt abgemahnten Anschlussinhabern insofern Hoffnung und entspricht der bisherigen Argumentation der Kanzlei WILDE BEUGE SOLMECKE. Es bleibt zu hoffen, dass das Oberlandesgericht in Zukunft auch im Hinblick auf die Haftung des Anschlussinhabers aus Aufsichtspflichtverletzung gegenüber minderjährigen Kindern Stellung nimmt. Denn auch hier vertritt das Landgericht Köln eine sehr restriktive Rechtsauffassung, sodass der Anschlussinhaber derzeit nahezu immer für die Rechtsverletzung der eigenen Kinder haftet- und zwar unabhängig von Alter und Einsichtsfähigkeit des minderjährigen Kindes.

Quelle: Rechtsanwalt Christian Solmecke

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