Gerichtlicher Durchsuchungsbeschluss muss Mindestmaß an Darlegungsanforderungen erfüllen
Archivmeldung vom 10.10.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIm Zusammenhang mit der Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei hat sich die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts erneut zu den Darlegungsanforderungen an einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss geäußert. Die Beschwerdeführer verteidigten einen Mandanten in einem Strafverfahren vor einer großen Strafkammer des Landgerichts.
Der Kammer gehörte ein Richter an, der den Mandanten in einem früheren Verfahren verteidigt hatte. Der Mandant lehnte den Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab, unter anderem weil ihm in dem früheren Verfahren gravierende Fehler unterlaufen seien. In der Folgezeit leitete die Staatsanwaltschaft gegen die Beschwerdeführer ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der versuchten Nötigung ein. Das Amtsgericht ordnete die Durchsuchung der Kanzleiräume der Beschwerdeführer an. Die bisherigen Ermittlungen hätten Anhaltspunkte ergeben, dass die Beschwerdeführer durch Recherchen im persönlichen Lebensbereich und in Bezug auf die frühere Anwaltstätigkeit des Richters auf diesen Druck ausüben wollten, damit er sich selbst für befangen erkläre. Das Landgericht verwarf die Beschwerde unter Hinweis darauf, dass eine dritte Person dem Richter in einem Anruf nahe gelegt habe, sich aus dem Strafverfahren gegen den Mandanten der Beschwerdeführer zurückzuziehen, weil sonst kompromittierende Veröffentlichungen über das Privatleben des Richters drohten. Die gegen die Durchsuchungsanordnung gerichtete Verfassungsbeschwerde war erfolgreich. Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass die Beschlüsse des Amtsgerichts und des Landgerichts die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung verletzen.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: In
einem Durchsuchungsbeschluss muss der Ermittlungsrichter ein dem Beschuldigten
angelastetes Verhalten schildern, das die Voraussetzungen eines Strafgesetzes
erfüllt. Die Schilderung braucht nicht so vollständig zu sein wie die
Sachverhaltsdarstellung in einer Anklage oder einem Urteil. Es müssen aber ein
Verhalten oder sonstige Umstände geschildert werden, die alle wesentlichen
Merkmale des Straftatbestandes erfüllen. Nur wenn der zur Kontrolle des
Eingriffs berufene Richter sich den in Frage kommenden Straftatbestand
vergegenwärtigt, kann die Verhältnismäßigkeit vollständig geprüft werden, weil
die Zumutbarkeit des Eingriffs auch von der Schwere der vorgeworfenen Tat
abhängt. Der Vorwurf einer versuchten Nötigung verlangt - in Abgrenzung zur
straflosen Vorbereitungshandlung - ein unmittelbares Ansetzen zur Verwirklichung
des Tatbestandes. Dazu muss der Täter mit der Anwendung der Nötigungsmittel
beginnen. Das Amtsgericht hat nicht dargelegt, dass die Beschwerdeführer
irgendetwas unternommen hätten, um dem Richter zu drohen. Als ihnen angelastetes
Verhalten werden Recherchen im persönlichen Lebensbereich des Richters genannt.
Als Drohung hätte der Richter dieses Verhalten allenfalls dann verstehen können,
wenn es ihm bekannt gewesen wäre. Das Amtsgericht legt aber nicht dar, dass die
Beschwerdeführer damit begonnen hätten, es ihm zur Kenntnis gelangen zu lassen.
Das Landgericht behebt diesen Mangel nicht durch den Verweis auf den Anruf einer
dritten Person bei dem Richter, die kompromittierende Veröffentlichungen in
Aussicht gestellt habe. Es hätte einer Schilderung bedurft, auf welche Weise die
Beschwerdeführer diesen Anruf veranlasst haben könnten. Die befassten Gerichte
schildern zudem keinen Tatplan oder ein Verhalten, mit dessen Ausführung
begonnen worden wäre, das als eine verwerfliche Nötigungshandlung bewertet
werden könnte. Den Beschwerdeführern wird angelastet, den Ausschluss des früher
als Rechtsanwalt tätigen Richters aus einem Strafverfahren gegen dessen früheren
Mandanten zu betreiben. Um den mit einer Durchsuchung von Kanzleiräumen
verbundenen schwerwiegenden Eingriff in die räumlich geschützte Sphäre der
Berufsausübung eines Rechtsanwalts rechtfertigen zu können, hätten die Gerichte
sorgfältiger erwägen müssen, ob es sich dabei um ein erlaubtes Prozessverhalten
im Interesse des Mandanten handelte.
Quelle: Pressemitteilung Bundesverfassungsgericht