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Atomuhrenvergleich über die Datenautobahn

Archivmeldung vom 28.04.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 28.04.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Atomuhrenvergleich über die Datenautobahn (künstlerische Darstellung)
Quelle: (Abb.: MPQ - woogie-works Wien) (idw)
Atomuhrenvergleich über die Datenautobahn (künstlerische Darstellung) Quelle: (Abb.: MPQ - woogie-works Wien) (idw)

Optische Atomuhren messen die Zeit mit überragender Genauigkeit. Doch erst die Möglichkeit, sie mit anderen Uhren zu vergleichen, macht sie einsatzbereit für hochpräzise Tests fundamentaler Theorien, von der Kosmologie bis hin zur Quantenphysik. Ein Uhrenvergleich, d. h. ein Vergleich der optischen Frequenzen, gestaltet sich bislang jedoch sehr schwierig, denn die weltweit wenigen Exemplare sind sehr komplex aufgebaut und lassen sich nur mit größtem Aufwand transportieren.

Ein Team von Wissenschaftlern der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig und der Abteilung Laserspektroskopie am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) in Garching hat jetzt gezeigt, dass sich optische Frequenzen mit hoher Stabilität über herkömmliche Telekommunikations-Glasfaserstrecken übertragen lassen, selbst über ein 920 Kilometer langes, unterirdisch verlegtes Kabel, das Labore an beiden Instituten verbindet (Science, 27. April 2012). Damit besteht jetzt prinzipiell die Möglichkeit, optische Uhren über große Distanzen miteinander zu vergleichen bzw. ihre Genauigkeit auch in weit entfernten Laboren für Präzisionsmessungen zu nutzen. Profitieren wird davon zunächst die Grundlagenforschung, etwa bei der präzisen Bestimmung der Naturkonstanten, der Überprüfung der Allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einstein oder von Vorhersagen der Quantenelektrodynamik.

In einer Atomuhr sind Zeiteinheiten über die Frequenz der Strahlung definiert, die ein Atom beim Übergang zwischen zwei Energieniveaus aussendet. Die Zeiteinheit „Sekunde“ bezieht sich auf die vom Cäsium-Isotop 133 ausgesendeten Mikrowellen, d. h. der Sekundenzeiger wird nach 9 192 631 770 Schwingungen um eine Einheit weiter gesetzt. Die Realisierung und Verbreitung der Sekunde über die PTB ist in Deutschland gesetzlich festgelegt. Optische Atomuhren verwenden eine etwa 100 000-mal höhere Frequenz und erlauben daher eine weit feinere Zeitunterteilung. Atomuhren der neusten Generation gehen bereits so genau, dass sie erst in der 18. Dezimalstelle voneinander abweichen – bzw. um eine Sekunde in einem Zeitraum, der dem Alter des Universums entspricht.

Doch wie gut lassen sich optische Frequenzen über weite Entfernungen übertragen? Herkömmliche Verfahren mithilfe von Satelliten erreichen hier eine Genauigkeit von 15 Dezimalstellen. Das ist gut genug für Signale im Mikrowellenbereich, aber zu grob, um das Potenzial optischer Atomuhren auszuschöpfen. Die MPQ/PTB-Forscher haben daher in den letzten Jahren untersucht, wie sich optische Frequenzen in Glasfaserkabeln übertragen lassen. Unterstützung erhielten sie dabei von dem Exzellenzcluster QUEST der Leibniz Universität Hannover, von der European Space Agency (ESA), dem Deutschen Forschungsnetz (DFN) und GasLine, einer Telekommunikationsnetzgesellschaft deutscher Gasversorgungsunternehmen.

In dem Projekt speisen die Wissenschaftler das Licht eines hochstabilen Lasers mit einer Wellenlänge von etwa 1,5 Mikrometern (nahes Infrarot) in ein Glasfaserkabel ein, das zwischen der PTB in Braunschweig und dem MPQ in Garching unterirdisch verlegt ist. Es handelt sich dabei um ein auch in der Telekommunikation übliches Kabel, mit einer relativ geringen Dämpfung für Strahlung im nahen Infrarot. Um ein Signal jedoch über eine so weite Strecke ohne nennenswerte Leistungseinbuße zu übertragen, muss es immer wieder aufgefrischt werden. Dazu wurden neuartige optische Verstärkereinheiten entwickelt und über die gesamte Glasfaserstrecke verteilt aufgebaut.

Ein weiteres Problem sind Verfälschungen der ursprünglichen Laserfrequenz, hervorgerufen durch mechanische, akustische und thermische Störungen, die z. B. aufgrund von Temperaturschwankungen, Straßenverkehr oder Bauarbeiten entstehen. Mit neuen Verfahren können diese Störungen so gut erfasst, „ausgeregelt“ und kompensiert werden, dass sich die ganze 920 Kilometer lange Glasfaserverbindung zwischen Braunschweig und Garching optisch um weniger als einen Atomdurchmesser in der Sekunde ändert. Die dem Anwender im Partnerlabor zur Verfügung stehende Frequenz von 194 353 Gigahertz weicht deshalb nur um weniger als ein zehntausendstel Hertz von der eingespeisten Frequenz ab. Die Probe aufs Exempel machten Wissenschaftler der Abteilung Laserspektroskopie: sie nutzten das Signal der primären Cäsiumuhr der PTB für die Spektroskopie von Wasserstoff am MPQ. Dieses wurde über einen Frequenzkamm mit der optischen Phase des eingespeisten Lasers verglichen. Dabei wurde eine weit höhere Genauigkeit erreicht, als mit Satelliten-gestützter Übertragung möglich gewesen wäre.

Optische Frequenzen können also mit einer Qualität verteilt werden, wie sie bislang nur lokal an Metrologieinstituten zur Verfügung stand. Die Verwendung der Glasfaserinfrastruktur, die z.B. die nationalen Forschungsnetze schon heute bereitstellen, wird es ermöglichen, optische Atomuhren in Zukunft europaweit zu vernetzen. So wie es heute zum Stand der Technik gehört, dass herkömmliche Uhren und Wecker per Funk die „richtige Zeit“ von der PTB über den Langwellensender DCF77 empfangen, wird die Verbreitung einer optischen Referenz per Glasfaser zur Bestimmung der Wellenlänge bzw. Frequenz optischer Strahlung eine breite Anwendung in Forschung und Industrie finden.

Quelle: Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) (idw)

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