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Wie die Inuit ihren Weg finden

Archivmeldung vom 12.02.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 12.02.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Oliver Randak

Die Bewohner der Arktis haben die Geographie ihrer Umgebung auf ganz eigene Weise im Kopf und geben sie nach festen Mustern mündlich an folgende Generationen weiter

Die Inuit, die Ureinwohner der kanadischen Arktis und Grönlands, müssen oft Hunderte von Kilometern zurücklegen, wenn sie Freunde und Verwandte besuchen oder spezielle Dinge einkaufen wollen. Schriftliche Wegbeschreibungen und Karten stehen ihnen nicht zur Verfügung. Stattdessen orientieren sie sich an mündlichen Erzählungen, die mit erstaunlicher Genauigkeit von Generation zu Generation weitergegeben werden, wie jetzt ein kanadischer Forscher herausfand. Um nachvollziehen zu können, wie so etwas funktionieren kann, hat er selbst eine siebentägige Reise nach diesem Prinzip gemacht. Er beschreibt in der Fachzeitschrift "Human Ecology", wie sich die Orientierung per Routenbeschreibung aus Inuit-Interviews im Vergleich zu modernen Mitteln wie GPS gestaltete. 

Etwa 1200 Kilometer legte der Anthropologe Claudio Aporta von der Carleton University im Frühjahr 2006 zurück, im Motorschlitten vom nordkanadischen Iglulik nach Naujaat und zurück. "Ich fragte herum und machte Fotos von allen bedeutsamen Abschnitten des Weges",schreibt der Forscher. "Dazu gehören auch visuelle Hinweise - vom Steinhügel bis zu Felsen und Anhöhen, die eine Rolle bei der Wegfindung zu spielen schienen. Dazu kamen Ortsnamen, Wendepunkte und Landepunkte." Außerdem nutzte Claudio Aporta noch aufgezeichnete Interviews mit zwei Inuit, die den Weg beschrieben. 

Das Besondere an den beschreibenden Erzählungen der Inuit ist, wie der Forscher herausfand, dass sie zum großen Teil auf sehr flüchtigen Gegebenheiten beruhen. Das kann etwa eine Windrichtung sein oder eine geologische Formation, die in einer bestimmten Perspektive am Horizont sichtbar wird, oder ein Wild, das in einer bestimmten Region häufiger zu sehen ist. Diese Erzählungen können aber dennoch funktionieren, weil die Reisen der Inuit in der Regel an bestimmte Jahreszeiten gebunden sind, die in den Erzählungen mitgenannt werden. 

Eine außerordentlich große Rolle spielen Ortsnamen oder Landschaftsnamen, die - anders als viele Ortsnamen in Europa - noch von ihrer Bedeutung her transparent sind. So bedeutet etwa der Name "Iglunnguaraaluuk": 'zwei igluähnliche Hügel, die man vom Festland aus sehen kann, da sie die sichtbarsten Merkmale am Horizont sind'. "Erfahrene Inuit-Reisende dürften wohl mehrere Hundert oder gar Tausende solcher Namen kennen", schreibt Aporta. "Die meisten beziehen sich auf Gegebenheiten um ihre Siedlungen herum sowie auf Jagd- und Fischgründe. Doch die Namenskenntnisse beziehen sich auch oft auf sehr entfernte Orte, die gewöhnlich mit langen Routen verknüpft werden. Ortsnamen spielen eine wichtige Rolle bei der Art, wie Inuit über ihre Aktivitäten sprechen. Ein Fehlen dieses kollektiven Wissens würde die Reisenden in ihren Kommunikationsmöglichkeiten stark einschränken." Überall, wo Inuit jemals gelebt und gearbeitet haben, haben sie den landschaftlich hervorstechenden Merkmalen Namen gegeben. Diese Namen stehen meist nicht auf Ortsschildern, sondern in den Köpfen der Inuit, und werden an die nächste Generation weitergegeben. "Würde man eine Karte der von den Inuit bewohnten Arktis erstellen, die alle Namen und Routen enthält, würde man sofort sehen, wie weit verbreitet die Inuit-Kultur ist." 

Durch seine Forschungen über die Orientierung der Inuit im arktischen Raum konnte Aporta mehrere frühere Annahmen zurückweisen oder revidieren: Die Arktis, so das erste Resultat, besteht nicht aus isolierten Siedlungen und Gemeinden. Zweitens: Die Inuit beziehen die gesamte Arktis in ihr Leben ein. Drittens stellen die Routen bedeutende Kommunikationskanäle dar. Im vierten Punkt kann Aporta nachweisen, dass bestimmte Arten von mündlichen Beschreibungen durchaus sehr präzise von Generation zu Generation weitergegeben werden können. Und schließlich, fünftens, kommt der Forscher zu dem Schluss, dass ein Teil der Inuit-Kultur überhaupt besser in Begriffen der Bewegung als des Wohnens und Lebens zu verstehen ist.

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