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Afrika bildet bereits den Boden für einen Zukunfts-Ozean

Archivmeldung vom 18.02.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.02.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Oliver Randak

In ein paar Millionen Jahren wird sich das Horn von Afrika vom Kontinent lösen und als eigenständige Insel seinen Weg in den Indischen Ozean gehen.

In Ostafrika liegt die größte Baustelle der Erde. Urgewalten im Erdinneren zerren den Kontinent entzwei. In geologisch atemberaubendem Tempo wandelt sich die Wüste in einen Ozean. Im Norden ist die Spreizung schon vorangeschritten. Das Land hat sich so weit abgesenkt, dass es vom Ozean geflutet wurde. Das Rote Meer und der Golf von Aden füllen die entstandenen Brüche.

Nun öffnet sich auch Ostafrika wie ein Reißverschluss. Von Äthiopien im Norden bis nach Mosambik im Süden klafft ein Riss in der Erdkruste - der 6000 Kilometer lange Ostafrikanische Grabenbruch. Mit einem Millimeter pro Jahr reißen seine Flanken auseinander. Den Graben füllen Sand und Geröll; ohne die Füllung läge der Boden des Grabens mancherorts in vier Kilometer Tiefe, so ausgedünnt ist die Erdkruste.

An manchen Stellen ist der Boden bereits vollständig aufgerissen. Dort ist der Weg frei für Magma aus dem Untergrund. Soeben haben Geologen entdeckt, dass sich in der Wüste bereits Ozeanboden gebildet hat. In der Afar-Senke im Nordosten Afrikas strömen gewaltige Mengen Magma hoch. Es ist von einer Sorte, die sonst nur in der Tiefsee vorkommt, berichten Forscher um Derek Keir von der University of Leeds in Großbritannien im Fachblatt Geology 

Nordost-Afrika gleicht der Studie zufolge mancherorts einem Meeresgrund, dem nur das Wasser fehlt. Entlang eines 60 Kilometer langen Streifens in Afar haben die Geowissenschafter beobachtet, wie kilometerlange Magmasäulen - begleitet von leichten Erdbeben - senkrecht bis fast zur Oberfläche aufsteigen. Die Beobachtungen zeigten, dass die sogenannte Meeresbodenspreizung begonnen habe, schreiben Derek Keir und seine Kollegen.

Die Prozesse im Untergrund gleichen jenen an mittelozeanischen Regionen. Aus den untermeerischen Gebirgen dort quillt fortwährend Lava und härtet zu frischer Erdkruste. Mittelozeanische Rücken sind die Motoren für die Bewegung der Erdplatten. Der Druck des Magmas lässt beidseits der unterseeischen Gebirge Erdplatten auseinanderdriften.

Auch der Magmastrom unter Afrika wirkt bereits wie solch ein Erdplattenantrieb. Der Druck aus dem Erdinneren hat das Horn von Afrika unwiderruflich auf die Reise geschickt. Messungen mit GPS-Navigationssatelliten zeigen, dass sich der Osten des Kontinents mit drei Millimeter pro Jahr vom Mutterkontinent entfernt, berichteten Geophysiker um Sarah Stamps in Geophysical Research Letters. In zehn Millionen Jahren wird der ostafrikanische Graben auf die Ausmaße des Roten Meers angewachsen sein.

Schätzungen zufolge quillt in der Region jedes Jahr doppelt so viel Magma aus dem Erdmantel wie 1980 beim großen Vulkanausbruch des Mount St. Helens in den USA. Das 1000 Grad heiße Gemisch bleibt zumeist im Untergrund stecken. Manche Eruptionen rissen acht Meter breite Spalten in den Boden, so Derek Keir.

Im Norden der Afar-Senke köchelt das Magma bis an die Oberfläche. Im Krater des Erta Ale brodelt seit mehr als 100 Jahren ein 800 Quadratmeter großer Lava-See, der weder erstarrt noch überläuft. Die Lava des Erta Ale ist von einer Sorte, wie sie Tiefsee-Vulkane fördern. Nur wenige Forscher haben den Erta Ale untersucht; er gilt als einer der geheimnisvollsten Feuerberge der Welt. Jahrzehntelanger Bürgerkrieg und die große Hitze in der äthiopischen Wüste lassen kaum Expeditionen zu. Italienische und britische Geologen haben sich dennoch auf den Vulkan gewagt. Bei Saunatemperaturen in praller Sonne haben sie den Magmasee vermessen.

Vom Kraterrand aus bot sich den Wissenschaftern um Letizia Spampinato vom Nationalen Institut für Geophysik und Vulkanologie in Catania ein spektakulärer Anblick. In dem Kessel wogt eine dünne silbrig-schwarze Kruste auf und ab und legt sich in Falten wie die Haut auf kochender Milch. Aus Rissen lodert die Glut hervor. Immer wieder durchbrechen flammenrote Lavafontänen die Kruste und schießen mehr als zehn Meter empor.

Um in diesem Inferno Messungen durchzuführen, positionierten die Forscher eine Infrarotkamera am Kraterrand. Mit dem Gerät ermittelten sie Temperaturen von mehr als 1000 Grad. Das Magma zirkuliere wie Brei in einem Kochtopf, berichteten Letizia Spampinato und ihre Kollegen im Dezember im Fachblatt Geochemistry, Geophysics, Geosystems. Heißes Magma steigt auf, kühlt ab und sinkt wieder zum Boden des Kraters. Dort fließt es in ein gewaltiges Netzwerk unterirdischer Gänge.

Ein riesiges Reservoir heißen Gesteins im Untergrund speist den Erta Ale. Mit Schallwellen gelang es Geoforschern, die Hölle unter Afrika sichtbar zu machen. Wie Ultraschall ein Kind im Bauch einer Schwangeren sichtbar macht, offenbaren die Schallwellen Strukturen im Erdinneren. Sie verändern ihre Geschwindigkeit, je nachdem, welches Material sie passieren.

Unter Ostafrika liegt demnach ein gigantisches Kissen aus zähflüssigem Gestein. Das weit über 1000 Grad heiße Gemisch erstreckt sich 7000 Kilometer von Norden nach Süden - also nahezu unter ganz Ostafrika. Wie eine Blase in einer Lava-Lampe treibt das Gestein in Richtung Erdoberfläche. Je höher es steigt, desto weniger Druck lastet auf ihm. Die Folge: das Gestein dehnt sich aus und wird flüssig.

Überraschenderweise brodle das meiste Magma nicht im Norden, wo das Auseinanderbrechen Afrikas am weitesten fortgeschritten ist, berichteten Geoforscher vor sechs Wochen im Fachblatt Geochemistry, Geophysics, Geosystems. Stattdessen staue sich unter dem Süden Äthiopiens die Gesteinsblase mit dem größten Anteil Schmelze. Bald wird es sich Bahn brechen und auch dort mit der Bildung von Meeresboden beginnen.

Wie ein Schweißbrenner durchlöchert die Magmablase Ostafrika. Sie speist die Vulkankette entlang des 6000 Kilometer langen Ostafrikanischen Grabens. Vom Roten Meer bis in den Süden nach Mosambik staffeln sich Dutzende Vulkane, darunter Giganten wie der Kilimandscharo.

Vor etwa 30 Millionen Jahren zertrümmerte erstmals Lava den Kontinent und schickte Arabien und Afrika auf getrennte Wege. Afrika selbst steht einer Studie von Potsdamer Forschern zufolge die Spaltung bevor, weil es bisher statisch geblieben ist. Während die Plattentektonik im Erdmittelalter vor vielen Millionen Jahren andere Kontinente wie Seerosen um den Globus trieb, veränderte Afrika seine Position kaum.

Die Hitze im Erdinneren unter dem Kontinent kann daher nicht entweichen - das Zerbrechen ist programmiert: Wird der Wärmestau zu groß, bricht sich das Magma Bahn, Vulkaneruptionen zertrümmern den Kontinent, berichten Geophysiker um Valeriy Trubitsin vom Geoforschungszentrum Potsdam im Fachblatt Physics of the Earth and Planetary Interiors. Die Forscher haben die Gesteinsumwälzungen im Erdinneren am Computer simuliert. Demnach können stationäre Kontinente gleichsam Wärmedecken einen extremen Hitzestau erzeugen.

Die Brüche in der Erdkruste werden tiefer und tiefer. Die Danakil-Senke im äußersten Nordosten Afrikas liegt mancherorts bereits 120 Meter unter dem Meeresspiegel. Noch blockiert das Danakil-Hochland an der Küste den Einstrom des Meeres. Erosion verringert jedoch stetig die Höhe der Barriere. Das Tiefland östlich von Afar wird bereits regelmäßig überschwemmt; das Meer hinterlässt nach jedem Vorstoß weiße Salzkrusten. Es sind die Vorzeichen eines neuen Ozeans. 

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